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EU als Spielfeld für Lobbyisten

Mit den Stimmen von EU-Komission und -Parlament ist in Europa im wahrsten Sinn des Wortes Staat zu machen. Das macht die Institutionen auch für Lobbyisten interessant. Schon seit Jahren fordert die Mehrheit der EU-Parlamentarier strengere Richtlinien, bisher nur mit bedingtem Erfolg.

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„Cash for laws“: Unter diesem Titel ging die Affäre um den damaligen EU-Abgeordneten Ernst Strasser in die europäische Geschichte ein. Das „Sunday Times“-Video aus dem Jahr 2011, auf dem der Politiker vollmundig über seine Möglichkeiten als EU-Parlamentarier sprach, führte nicht nur zu einer - nicht rechtskräftigen - Verurteilung Strassers. Es machte auch einmal mehr auf ein Phänomen aufmerksam, das den politischen Alltag der EU immer stärker prägt - Lobbying. Auch wenn die zielgerichtete Beeinflussung von Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung - so eine gängige Definition - alles andere als neu ist.

Interessenvertreter ganz nah an Politikern

Bereits Ende der 70er Jahre schlossen sich EU-Parlamentarier in interfraktionelle Arbeitsgruppen zusammen. Diese „Intergroups“ sollten für die Abgeordneten den Austausch über die Fraktionsgrenzen hinweg erleichtern. Doch im Laufe der Jahre suchten vermehrt Unternehmen und Interessengruppen den Zugang zu den Gruppen. Viele von diesen zahlen mittlerweile sogar für die Mitgliedschaft.

Mit dem Geld werden dann etwa die Büros der Arbeitsgruppen finanziert. Jene Gruppen, die beim EU-Parlament registriert sind, müssen regelmäßig nachweisen, was mit den eingenommenen Geldern passiert. Doch auf die zurzeit 27 registrierten „Intergroups“ kommt eine große Zahl an Arbeitsgruppen, die der freiwilligen Registrierung nicht nachkommen. Bei diesen bleiben die Geldflüsse größtenteils im Dunkeln.

Intensives Lobbying durch Industrie

Auch in den Expertengruppen der EU-Kommission wimmelt es von Lobbyisten. Ursprünglich sollten die Gruppen der Kommission mit beratender Stimme zur Seite stehen, wurden aber wenig verwunderlich sehr schnell als Spielfeld für Interessenvertreter jeder Art entdeckt. Vor allem Industrie- und Bankenvertreter sicherten sich ihren Platz innerhalb der beratenden Gremien.

2011 zogen die EU-Parlamentarier die Notbremse und stimmten dafür, Budgetzahlungen für die Expertengruppen von rund zwei Millionen Euro vorläufig einzufrieren. Ohne strengere Kontrollen der Lobbyarbeit sollte es kein Geld mehr geben. Ein Jahr später stellte das Parlament die Mittel wieder zur Verfügung, knüpfte daran aber einige Bedingungen. So forderten die Abgeordneten unter anderem, dass Vertreter der Industrie in den Expertengruppen nicht dominieren, dass sich Lobbyisten klar als solche zu erkennen geben und nicht zugleich als Experten auftreten und dass Protokolle und Tagesordnungen der Sitzungen für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollen.

Den Vorgaben war nur wenig Erfolg beschieden. Bereits Ende 2013 kritisierte eine Studie der Nichtregierungsorganisation The Alliance for Lobbying Transparency and Ethics Regulation (ALTER-EU), dass die Forderungen des Parlaments nur unzureichend umgesetzt wurden. Vor allem die bestehende Dominanz der Industrielobbyisten beurteilte die Studie kritisch. Zu einem vergleichbaren Urteil gelangte auch eine von Arbeiterkammer (AK)und Österreichischem Gewerkschaftsbund (ÖGB) beauftragte und im vergangenen Monat präsentierten Studie. 700 Organisationen mit 1.700 Lobbyisten im Auftrag von Banken und Finanzmärkten zählte die Organisation Corporate Europe Observatory (CEO). 450 dieser Lobbygruppen seien nicht im EU-Transparenzregister registriert, so CEO.

Löchriges Transparenzregister

Das Transparenzregister wurde Mitte 2011 von der EU-Kommission und dem Europaparlament eingeführt und soll „den Bürgern an einem Ort unmittelbaren Zugang zu Informationen darüber, wer damit beschäftigt ist, die Entscheidungsfindung der EU zu beeinflussen“, liefern. So steht es zumindest auf der offiziellen Homepage des Transparenzregisters.

In der Realität hat sich dieser Anspruch bisher nur bedingt erfüllt. Denn das im Internet einsehbare Register hat eine Achillesferse: Die Einträge basieren auf Freiwilligkeit, eine Schwachstelle, der sich die EU-Abgeordneten durchaus bewusst sind. Nach Angaben des Parlaments sind nur rund drei Viertel aller relevanten Industrievertreter und etwa 60 Prozent aller Nichtregierungsorganisationen, die in Brüssel vertreten sind, im Transparenzregister eingetragen.

Parlament fordert, Kommission entscheidet

Bereits vor der Einführung des Registers hatten die Parlamentarier einen verpflichtenden Charakter gefordert, sich aber damals gegen die EU-Kommission nicht durchsetzen können. Vergangenen Monat unternahm das Parlament einen weiteren Anlauf. 646 Abgeordnete stimmten für schärfere Regeln und ein verpflichtendes Register. Bis spätestens Ende 2016 soll die EU-Kommission einen Legislativvorschlag für ein verbindliches Register vorlegen, so die Forderung des Parlaments.

Außerdem sollen Mitarbeiter des Parlaments und Abgeordnete Lobbyisten künftig häufiger dazu auffordern, sich noch vor einem Treffen in das Register einzutragen. Für nicht eingetragene Organisationen wollen die Abgeordneten den Zugang zu Parlamentsgebäuden einschränken. Im Gegenzug soll registrierten Lobbyisten die Teilnahme an Anhörungen, die Mitveranstaltung von Events im Parlament und die Informationsweitergabe erleichtert werden. Die Forderungen des Parlaments liegen nun bei der EU-Kommission. An ihr ist es, sie in einen Gesetzesentwurf zu gießen.

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