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Gewählte Supranationalität

Wer im EU-Parlament sitzt, bestimmen die Bürger der Europäischen Union. Die europäische Abgeordnetenkammer ist damit weltweit die einzige direkt gewählte supranationale Institution - und mit bald 751 Abgeordneten auch eines der größten politischen Organe der Welt.

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Wenn am Abend des 25. Mai die Wahllokale schließen, werden an die 400 Millionen EU-Bürger ihre Stimme abgegeben haben können. So viele Frauen und Männer sind in der EU wahlberechtigt. Die tatsächlichen Zahlen werden ein gutes Stück niedriger ausfallen. Bei der letzten Europawahl im Juni 2009 lag die Wahlbeteiligung bei 43 Prozent, und das, obwohl bereits damals klar war, dass das EU-Parlament mit Ende 2009 deutlich aufgewertet werden würde.

Sukzessive Aufwertung des Parlaments

Am 1. Dezember 2009 trat der Vertrag von Lissabon in Kraft und machte das Parlament in fast allen EU-Belangen zum Mitgesetzgeber. Das bedeutete den vorläufigen Abschluss einer Entwicklung, im Zuge derer die Abgeordnetenkammer seit Ende der 70er Jahre sukzessive an Kompetenzen gewann. Seit 1979 die EU-Bürger das Parlament zum ersten Mal direkt wählen konnten, wuchs nicht nur die Anzahl der Sitze beinahe auf das Doppelte. Die Abgeordneten bekamen auch mehr und mehr die Möglichkeit, in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen.

Wegweisend war der Vertrag von Maastricht 1992. Er sprach dem Parlament die gleiche Legislativfunktion wie dem Rat zu, wodurch in den meisten Fällen eine Gesetzgebung ohne parlamentarische Zustimmung nicht mehr möglich war. Das Abgeordnetenhaus der EU wurde damit den nationalen Parlamenten ein gutes Stück ähnlicher.

Sieben Fraktionen und Fraktionslose

Doch vor allem in einem Punkt unterscheidet sich das EU-Parlament noch immer deutlich von seinen nationalen Pendants. Der Gegensatz zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien, wie er den meisten nationalen Parlamenten eigen ist, fehlt im Europaparlament. Das heißt freilich nicht, dass sich die EU-Abgeordneten in allen Belangen einig sind. Dazu sind im Parlament zu viele politische Strömungen versammelt. Die einzelnen Parlamentarier sind auf sieben Fraktionen aufgeteilt, die mehr oder weniger das europäische politische Spektrum widerspiegeln, auch wenn sie sich nicht völlig mit den europäischen Parteien decken.

Die größte Fraktion stellt zurzeit die Europäische Volkspartei mit 274 Mitgliedern, gefolgt von den 195 Mitgliedern der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten. An dritter Stelle liegt mit 83 Mitgliedern die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa. 58 Abgeordnete gehören der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz an, ein Mitglied weniger, nämlich 57, haben die Europäischen Konservativen und Reformisten. Die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke zählt 35 Mitglieder. Die kleinste Fraktion ist mit 31 Abgeordneten die Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie. Daneben gehören 33 Parlamentarier momentan keiner Fraktion an.

Österreicher wählen bereits ab 16

Insgesamt sitzen im Parlament bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode noch 766 Abgeordnete. Nach der Wahl im Mai wird sich ihre Zahl auf 751 reduziert haben. 18 davon können die wahlberechtigten Österreicher bestimmen. Dabei nimmt Österreich bei dieser EU-Wahl eine Sonderrolle ein. Es ist das einzige Land, in dem bereits 16-Jährige ihre Stimme abgeben dürfen. In den anderen 27 EU-Ländern liegt das Wahlalter bei 18 Jahren.

Wenn hierzulande am 25. Mai die Wahllokale aufsperren, liegt die Wahl für die Niederländer und Briten bereits drei Tage zurück - sie wählen am 22. Mai. Irland folgt am Tag darauf, und noch einmal einen Tag später, am 24. Mai wählen, Lettland, Malta und die Slowakei. In Tschechien (23./24.) und Italien (24./25.) haben Wahllokale gleich an zwei Tagen geöffnet. Alle anderen EU-Länder halten sich wie Österreich an den Wahlsonntag.

Pendeln zwischen Frankreich und Belgien

Am 1. Juli beginnt das neu gewählte Parlament seine Arbeit. Für die gewählten Abgeordneten heißt das zuerst einmal, sich zu entscheiden, ob sie lieber in Brüssel oder in Straßburg wohnen wollen. Denn das Parlament tagt abwechselnd an beiden Orten, wenngleich sein offizieller Sitz in Straßburg liegt. Die meisten Abgeordneten entscheiden sich dennoch für eine Wohnung in der belgischen Hauptstadt Brüssel, schließlich spielt sich dort ein Großteil des europapolitischen Lebens ab.

Anläufe, diese sowohl umständliche als auch teure Zweiteilung aufzuheben, gab es in den letzten Jahren einige - darunter 2009 auch eine des damaligen Europaparlamentariers Ernst Strasser. Bisher war diesen Vorstößen kein Erfolg beschieden. Im Dezember 2012 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass das EU-Parlament weiterhin für zwölf Plenartagungen im Jahr zwischen Straßburg und Brüssel pendeln muss. Eine Änderung dieses Brauchs bedürfe der Zustimmung aller EU-Länder, so der EuGH. Und so einfach wird sich Frankreich „sein“ Parlament nicht wegnehmen lassen.

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