Harte Probe für Diplomatie in Wien
Das Treffen des Europarats am Dienstag in Wien ist ganz im Zeichen der Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine gestanden. Doch eines war nach den Gesprächen klar: Eine Neuauflage des Krisengipfels wie am 22. April in Genf wird es nur mit weitreichenden Zugeständnissen der Konfliktparteien geben. Die Interessen scheinen sich nur schwer vereinbaren zu lassen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Sowohl Russland als auch die Ukraine nannten Bedingungen für eine weitere Verhandlungsrunde. So forderte Moskaus Außenminister Sergej Lawrow, auch die prorussischen Kräfte müssten mit am Verhandlungstisch sitzen. „Ansonsten hätte ein solches Treffen keinen Wert“, sagte Lawrow in Wien. Er sprach sich für einen nationalen Dialog in dem Land aus.
Ukraine lehnte Forderung ab
Sein ukrainischer Amtskollege Andrej Deschtschiza wies das umgehend zurück. Eine Teilnahme der Separatisten komme nicht infrage. „Wir vertreten als ukrainische Regierung alle Regionen der Ukraine“, sagte Deschtschiza. Das ukrainische Parlament lehnte zugleich ein parallel zu der Abstimmung am 25. Mai geplantes Referendum über die territoriale Einheit der Ex-Sowjetrepublik ab.

APA/Hans Klaus Techt
Steinmeier mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow
Steinmeier als Krisenvermittler
Am Rande des Europaratsgipfels trat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Krisenvermittler in Erscheinung. Da er am Gipfel selbst gar nicht teilnahm, reiste er aus Deutschland an, um sich am Flughafen mit den beiden Außenministern treffen und zwischen diesen zu vermitteln. Trotz aller diplomatischen Schwierigkeiten drängte er auch nach den Unterredungen auf eine baldige zweite Genfer Konferenz zur Lösung der Ukraine-Krise.
Schließlich verschlechtere sich die Situation in der Ostukraine zusehends, wie Steinmeier betonte. „Es kann und darf nicht bleiben wie in diesen letzten Tagen“, meinte der deutsche Außenminister. Eine neue Genfer Konferenz müsse das Blutvergießen beenden und endlich den Weg zu einer Entschärfung des Konflikts bereiten. Zum Inhalt der Gespräche mit den beiden Außenministern sagte Steinmeier nichts.

APA/Hans Klaus Techt
Steinmeier mit dem ukrainischen Außenminister Deschtschiza
Burkhalter trifft Putin in Moskau
Ähnlich der Tenor des Chefs der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE): „Es ist nicht zu spät für eine Deeskalation“, sagte der OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter vor dem Europarat. Angesichts der Gewalt forderte er vor den für 25. Mai geplanten Präsidentenwahlen einen Waffenstillstand. „Wir brauchen mehr Sicherheit für die Leute, die wählen sollen. Es muss jetzt weniger Waffen und mehr Dialog geben“, sagte der Schweizer Bundespräsident und OSZE-Vorsitzende. Er reist am Mittwoch nach Moskau, um Präsident Wladimir Putin zu treffen. Dabei wird es darum gehen, wie die Lage vor der Präsidentenwahl am 25. Mai in der Ukraine beruhigt werden kann.
Stichwort Wahlen: Zumindest die Europaratstagung brachte nach Worten von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ein „klares Bekenntnis“ zu den Präsidentenwahlen in der Ukraine. „Nahezu alle Minister“ würden darauf drängen, dass freie und faire Wahlen am 25. Mai stattfinden, so Kurz am Dienstagnachmittag.
Lawrow: Abhaltung von Wahlen „ungewöhnlich“
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor Zweifel geäußert und einen Urnengang bei militärischer Präsenz - wie derzeit in der Ostukraine - als „ungewöhnlich“ bezeichnet. Trotz Bedenken internationaler Beobachter, ob die Wahl angesichts der Proteste in Teilen des Landes tatsächlich stattfinden könne, meinte der ukrainische Außenminister Deschtschiza gegenüber der APA, er könne deren Abhaltung „garantieren“.

APA/Dragan Tatic
Kurz mit seinen Kollegen Lawrow (l.) und Deschtschiza (r.) sowie Jagland, Generalsekretär des Europarats, in der Hofburg
Laut Kurz gab es auch ein „fast vollständiges Bekenntnis“ zum Genfer Plan. Auch sei man übereingekommen, dass eine friedliche Lösung notwendig und möglich sei. Er selbst gehöre einer Generation an, in der „der Kalte Krieg längst Vergangenheit war“, so der Außenminister. Diese Generation sei angesichts der Ukraine-Krise „fassungslos“. Man müsse deshalb „alles tun, damit der Kalte Krieg dort bleibt, wo er hingehört - nämlich in die Geschichtsbücher“.
Kurz unterstrich am Dienstagabend, dass eine Lösung des Ukraine-Konflikts am Verhandlungstisch gefunden werden müsse. Es gebe „keine Alternative“ zu diesem „mühseligen“ Prozess, zog er in der ZIB2 ein Resümee der Sitzung des Ministerkomitees des Europarates. Bei dieser sei es immerhin geglückt, einen „Gesprächskanal zu suchen“. So seien der russische sowie der ukrainische Außenminister zumindest an einem gemeinsamen Tisch gesessen. „Die Alternative wäre ein Krieg“, so Kurz.
Genfer Vereinbarung wird kaum umgesetzt
Die Mitte April zwischen der EU, den USA, Russland und der Ukraine erzielte Genfer Vereinbarung, darunter ein Gewaltverzicht und die Räumung besetzter Gebäude, wird bisher kaum umgesetzt. Die USA und die EU werfen Moskau vor, den Konflikt in der Ukraine noch verschärft zu haben. Aus diesem Grund wurden Sanktionen gegen Moskau verhängt. In der Debatte über weitere Schritte rief die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die EU zum Zusammenhalt auf. Innerhalb der 28 EU-Staaten gibt es unterschiedliche Meinungen dazu, ob, wann und wie die Sanktionen gegen Moskau verschärft werden.
Dutzende Tote am Montag
Die ukrainische Regierung hatte in den vergangenen Tagen eine neue Offensive gegen moskautreue Kämpfer im Osten des Landes gestartet. Nach Angaben von Innenminister Arsen Awakow wurden allein bei Gefechten am Montag 30 Separatisten und vier Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet. Unterschiedliche Sprecher der Separatisten gaben die Zahl der Toten mit 10 bis 30 an. Auch Zivilisten seien ums Leben gekommen, behaupteten sie. Dafür gab es zunächst keine Beweise.
Der Flughafen Donezk nahm am Dienstagnachmittag den Betrieb wieder auf, nachdem die Luftfahrtbehörde zunächst alle Flüge ohne Begründung abgesagt hatte. In Odessa wurde der Gouverneur abgesetzt. Übergangspräsident Alexander Turtschinow begründete das mit den jüngsten Straßenschlachten und dem Gebäudebrand in der Hafenstadt.
Prorussische Kräfte und ukrainische Nationalisten geben sich gegenseitig die Schuld für die Dutzenden Opfer in Odessa. Kiew macht russische Provokateure verantwortlich. Der russische Parlamentschef Sergej Naryschkin nannte die Ereignisse einen „Völkermord“ an Russen und Ukrainern.
Links: