Warnung ein Jahr nach dem Einsturz
Knapp ein Jahr nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mit mehr als tausend Toten warnen Gewerkschafter vor der Wiederholung einer solchen Katastrophe. „Rana Plaza war nicht die erste Katastrophe, und es wird nicht die letzte sein“, sagte Kalpona Akter, Direktorin der Gewerkschaftsorganisation Bangladesh Center for Worker Solidarity, dem „Tagesspiegel“.
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Die Lage der Näherinnen in ihrer südasiatischen Heimat habe sich nicht entscheidend verbessert, so Akter. Noch immer würden die Frauen „mies bezahlt, unter Druck gesetzt, ausgebeutet und sexuell belästigt“. Viele müssten unbezahlte Überstunden leisten - doch die meisten Frauen hätten keine Alternative.
Boykott „keine Lösung“
Von einem Boykott von Verbrauchern im Westen von T-Shirts aus Billigfabriken in Bangladesch riet Akter ab. Das sei „keine Lösung“. „Ein Boykott der Textilien wäre eine Katastrophe für Bangladesch, denn da hängen vier Millionen Jobs dran, von meist selbstbestimmten Frauen“, sagte auch ein Diplomat in Dhaka. Die Bekleidungsindustrie Bangladeschs macht fast 80 Prozent der Exporte des Landes aus.
Auch Magnus Schmid von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hält es für falsch, wenn die Konsumenten in Europa und den USA keine Kleidung mehr aus Bangladesch kauften. Doch es müsse weiter Druck auf die Industrie ausgeübt werden, damit sich etwas ändere. Die Jobs in der Textilindustrie würden benötigt, bestätigte Akter. Sie müssten allerdings „anständig und würdig“ bezahlt werden.
Monatlich 50 Euro
Akter zufolge liegt die Lohnuntergrenze in Bangladesch bei monatlich 50 Euro. Sie verlangte einen Mindestlohn von 75 Euro im Monat. Das sei „immer noch zu wenig zum Leben“. Es sei „verrückt zu sehen, wie viel Profit die Markenhersteller mit den Kleidern machen, die sie für Hungerlöhne produzieren lassen“, sagte Akter.
Der Chef der Bekleidungskette H&M, Karl-Johan Persson, sagte der „Welt am Sonntag“, sein Unternehmen werde weiter in Bangladesch fertigen lassen. Die Preise werde H&M auch bei steigenden Löhnen stabil halten. Den Verzicht auf höhere Margen nehme das Unternehmen „im Sinne der Nachhaltigkeit in Kauf“, so Persson.
Entschädigung kommt per Handy
Die westlichen Einzelhändler lassen derzeit 1.500 Textilfabriken auf ihre Sicherheit überprüfen, um eine weitere Katastrophe wie den fatalen Fabrikeinsturz vor einem Jahr zu vermeiden. Am 24. April 2013 war am Rande der Hauptstadt Dhaka ein Hochhaus der Rana-Plaza-Textilfabrik in sich zusammengefallen. Bei der Tragödie starben 1.135 Menschen.
Da die Mehrheit der Menschen im Entwicklungsland Bangladesch kein Bankkonto, aber ein Handy besitzt, werden Entschädigungen den Überlebenden oder Angehörigen von Opfern des Fabrikunglücks übers Telefon bezahlt. Die Betroffenen erhalten eine SMS mit einer Nummer. Damit können sie sich in einem von 70.000 Geschäften oder Kiosken, die mit dem Unternehmen bKash zusammenarbeiten, Bargeld auszahlen lassen. „Das System funktioniert also auch draußen auf dem Land, wo es weit und breit keine Bank gibt“, sagte Schmid.
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