Sieben Fraktionen, vielleicht bald acht
Während SPÖ, ÖVP und Grüne gemeinsam mit ihren europäischen Schwesterparteien im Europaparlament in einer Fraktion sitzen, zählen die beiden freiheitlichen Mandatare Andreas Mölzer und Franz Obermayr zu den fraktionslosen Europaabgeordneten. Für die FPÖ bedeutet das vor allem weniger Mitbestimmungsrechte.
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Die FPÖ ist seit Jahren bestrebt, mit anderen rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien auf Europaebene eine Fraktion zu formen. Gemeinsam mit den Schwedendemokraten, der französischen Front National (FN), der niederländischen Partei der Freiheit (PVV), der Slowakischen Nationalpartei (SNS), dem Vlaams Belang aus Belgien und der italienischen Lega Nord versucht Parteiobmann Heinz-Christian Strache eine gemeinsame Parlamentsfraktion nach der EU-Wahl am 25. Mai zu gründen.
Kein Stimmrecht in Präsidentenkonferenz
Grund dafür, sich zu Fraktionen zusammenschließen, haben die Parteien ausreichend. Denn nur so können sie an der Konferenz der Präsidenten teilnehmen. Dieses einflussreiche Organ besteht aus dem Präsidenten des Parlaments und den Vorsitzenden der Fraktionen. Fraktionslose Mitglieder können an den Sitzungen zwar teilnehmen, sind dort jedoch Zaungäste ohne Stimmrecht.
Die Konferenz der Präsidenten ist unter anderem verantwortlich für die Zusammensetzung und die Zuständigkeiten der Ausschüsse und der Untersuchungsausschüsse. In den Ausschüssen findet der überwiegende Teil der eigentlichen Arbeit des Parlaments statt. Hier werden Berichte ausgearbeitet, über die dann im Plenum abgestimmt wird.
Rechtsfraktion mit guten Chancen
Sieben Fraktionen sind derzeit im Parlament vertreten. Die größten sind die Europäische Volkspartei (EVP), die Sozialdemokraten (S&D) und die Liberalen (ALDE), in die etwa NEOS eine Aufnahme anstrebt. Ebenfalls vertreten sind die Grünen (Grüne/EFA), ein Bündnis aus Konservativen und Reformern (ECR), die Linksfraktion GUE/NGL und die Rechtsfraktion Europa der Freiheit und der Demokratie (EFD).

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Komplexes System der Parteizugehörigkeit: Einzelne Mandatare oder ganze nationale Parteien können trotz Fraktionslosigkeit einer europäischen Partei angehören. Ewald Stadler ist mit seinen Reformkonservativen (REKOS) in der Bewegung für ein Europa der Freiheit und der Demokratie (MELD) vertreten, die FPÖ-Abgeordneten Andreas Mölzer und Franz Obermayr gehören der Europäischen Allianz für Freiheit (EAF) an. Fraktionslos und ohne europäische Parteifamilie ist hingegen Hans-Peter Martin. Von Martin abgespaltet und als derzeit Unabhängige sitzen Angelika Werthmann und Martin Ehrenhauser im Parlament. Werthmann (zwischendurch ALDE-Abgeordnete) tritt nun für das BZÖ an, Ehrenhauser kandidiert für die Liste Europa anders.
Inhaltlich gesehen gibt es keine strengen Vorschriften darüber, wer mit wem eine Fraktion bilden darf. In der Geschäftsordnung des Parlaments heißt es dazu lediglich, dass „Mitglieder ihrer politischen Zugehörigkeit entsprechende Fraktionen“ bilden können. Formal gesehen müssen dafür mindestens 25 Abgeordnete aus wenigstens sieben der 28 EU-Staaten mitmachen. Die FPÖ ist derzeit mit zwei Mandataren im Plenum vertreten. Die Chancen, bei der kommenden Wahl die Voraussetzungen für eine Fraktion zu erreichen, stehen für die Rechtspopulisten angesichts des Aufwinds rechter Parteien in Europa gut.
Zu rechts für die Rechten?
Frei von Stolpersteinen ist der Weg aber nicht: Bisher waren Bestrebungen, eine breite Rechtsfraktion aufzubauen, vor allem an internen Streitereien gescheitert. Eine 2007 gegründete Fraktion rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien mit dem Namen „Identität/Tradition/Souveränität“ (ITS) war nach nur wenigen Monaten wegen interner Spannungen zerbrochen. Daraufhin fanden sich Abgeordnete einiger Rechtsparteien - etwa der Lega Nord und der Dänischen Volkspartei - zur EFD zusammen. Diese lehnt jedoch die Aufnahme von FPÖ-Abgeordneten ab.
Auch jetzt drohten die rassistischen Aussagen des mittlerweile ehemaligen FPÖ-Spitzenkandidaten Andreas Mölzer, die Idee einer gemeinsamen Fraktion zum Platzen zu bringen. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten drohten mit dem Ausstieg aus der geplanten Rechtsfraktion - die Bezeichnung „Negerkonglomerat“ war offenbar selbst der rechtspopulistischen Gruppierung zu viel. Ob der erzwungene Rücktritt Mölzers die Wogen zu glätten vermag, bleibt abzuwarten.
Fraktion ist nicht gleich europäische Partei
Nicht zu verwechseln sind die Fraktionen im EU-Parlament mit den europäischen Parteien. Sie entsprechen diesen nicht automatisch, auch wenn es ähnlich lautende Namen wie etwa im Fall der Fraktion der Europäischen Volkspartei vermuten lassen (Das Partei- und das Fraktionskürzel sind einheitlich: EVP). So bestehen einige Fraktionen aus mehreren europäischen politischen Parteien, und in vielen Fraktionen finden sich zudem Abgeordnete nationaler Parteien, die keiner europäischen Partei angehören. Außerdem beherbergen europäische Parteien auch Einzelpersonen aus Mitgliedsstaaten.
Die österreichischen Parteien gehören größtenteils gesamteuropäischen Parteibündnissen an. Die ÖVP ist Teil der Europäischen Volkspartei (EVP), ein Zusammenschluss von Konservativen und Christdemokraten. Die SPÖ ist Mitglied der Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), die mit der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten & Demokraten (S&D) in Brüssel verbunden ist. Die Grünen sind Teil der Europäischen Grün-Partei (EGP). Die zwei Mandatare der FPÖ sind Teil der 2010 gegründeten Europäischen Allianz für Freiheit (EAF), in der etwa auch die in Frankreich erstarkte Marine Le Pen zu finden ist. Ewald Stadler von den Reformkonservativen (REKOS) ist auf europäischer Ebene Teil der Bewegung für ein Europa der Freiheit und der Demokratie (MELD).
Breites inhaltliches Spektrum
Teil einer gemeinsamen Europapartei zu sein bedeutet jedoch nicht zwangsläufig auch eine gemeinsame inhaltliche Ausrichtung: In der Grünen-Fraktion etwa finden sich die österreichischen Grünen, die ein stärkeres Zusammenrücken in Europa propagieren, neben separatistischen spanischen Basken-Parteien und schottischen Nationalisten wieder. Aber auch wenn die inhaltlichen Übereinstimmungen nicht bei allen Parteifamilien immer sehr groß sind, ein handfeste Motiv für einen Zusammenschluss auf europäischer Ebene gibt es auf jeden Fall, erhalten anerkannte Gruppierungen doch Parteienfinanzierung aus EU-Finanzmitteln.
Petra Fleck, ORF.at
Links:
- Europäisches Parlament
- EVP (Fraktion der Europäischen Volkspartei)
- S&D (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament)
- ALDE (Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa)
- Grüne/EFA (Fraktion der Grünen/Europäische Freie Allianz)
- EKR (Europäische Konservative und Reformisten)
- GUE/NGL (Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke)
- EFD (Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie)
- Finanzhilfen an europäische Parteien (PDF)