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Kritiker sahen Internetvielfalt in Gefahr

Im EU-Parlament ist Anfang April auch über eine bereits im Vorfeld als richtungsweisend eingestufte neue Verordnung zum Telekombinnenmarkt abgestimmt worden. In die Wege geleitet wurde dabei nicht nur das Ende der Roaminggebühren innerhalb der EU - eine Absage erhielten auch die von der EU-Kommission empfohlenen „Verkehrsregeln“ für das Internet.

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Eine Koalition aus Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken stimmte vielmehr für Beibehaltung der Netzneutralität und damit für die technische Gleichbehandlung des Datenverkehrs auf der Transportebene.

Noch viele Etappen ausständig

Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürfte es allerdings noch Monate dauern. Denn das Vorhaben benötigt auch die Zustimmung der EU-Staaten. Im Herbst könnten Verhandlungen zwischen Parlament und Staaten beginnen. Als nächste Etappe steht nun eine Abstimmung im Ministerrat auf dem Programm. Neuerlich debattiert und abgestimmt wird über das Thema schließlich auch von den im Mai neu zu wählenden EU-Parlamentariern. Das Europaparlament hat in der Frage ein Mitentscheidungsrecht. Rat und Parlament müssen sich somit auf eine gemeinsame Linie einigen - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Mit ihrem Votum gingen die Abgeordneten über Vorschläge der EU-Kommission zur Netzneutralität hinaus. Die Parlamentarier forderten strengere Vorgaben, wobei es auch künftig keine Bevorzugung einzelner Dienste zum Schaden anderer Angebote geben soll. Internetnutzer sollen den Forderungen zufolge vielmehr auch weiterhin gleichberechtigten Zugang zu allen Angeboten im Netz bekommen. Eine Drosselung bzw. Blockade einzelner Dienste soll nur in Ausnahmefällen erlaubt sein. Das müssen Internetanbieter dann ihren Kunden transparent erklären.

160.000 Unterschriften gegen „Zweiklasseninternet“

Die Telekoms hatten bis zuletzt versucht, dieses grundlegende Funktionsprinzip des Internetverkehrs zu kippen. Gegner fürchteten, dass damit ein „Zweiklassennetz“ unterschiedlich schneller Dienste entstehen könnte. Eine Sonderbehandlung für Spezialdienste mit großen Datenmengen wollen die Volksvertreter zwar zulassen, etwa für den Videoabruf im Internet. Das darf aber Verfügbarkeit und Qualität von anderen Angeboten nicht beeinträchtigen.

Unterstützt von zahlreichen Bürgern forderten Verbraucherschützer und Bürgerrechtsorganisationen das Europaparlament im Vorfeld der Abstimmung auf, sich für die Netzneutralität einzusetzen. Eine am Freitag gestartete Onlineinitiative für die neutrale Weiterleitung von Daten im Internet wurde bis zuletzt von rund 160.000 Menschen unterstützt. Die Unterschriften wurden in Brüssel schließlich an EU-Parlamentarier übergeben.

Warnung vor „gefährlichen Lücken“

Die Unterzeichner forderten ein klares Bekenntnis zu Netzneutralität ohne Ausnahmeregeln für Konzerne. Von den beteiligten Organisationen, darunter der europäische Dachverband European Digital Rights (EDRi), wurde zudem vor „gefährlichen Lücken“ in der zur Abstimmung vorgelegten Telekomverordnung und vor einer Gefahr für „die Vielfalt und den Wettbewerb im Internet“ gewarnt. So könnten Anbieter bestimmter Dienste und Inhalte die Netzbetreiber dafür bezahlen, dass ihre Angebote besonders schnell übertragen werden. Anbieter, die sich das nicht leisten könnten, hätten das Nachsehen. Von der Brisanz des Themas zeugt, dass der Entwurf bereits mehrere Parlamentsausschüsse passierte, in denen gleich eine Reihe von Passagen geändert oder gestrichen wurden - mehr dazu in fm4.ORF.at.

„Superstars der Freiheit“

Netzaktivisten reagierten begeistert auf das Votum. Die EU habe sich als Vorreiterin des freien und offenen Internets etabliert, erklärten die Bürgerrechtler von European Digital Rights. „Ihr seid alle Superstars der Freiheit“, twitterten sie. Auch andere Gruppen sprachen von einem Erfolg. Die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes verbuchte die Abstimmung als Erfolg. „Ich könnte nicht zufriedener sein“, sagte sie. Der Vorschlag der Kommission hatte weniger strenge Grenzen für Sonderdienste vorgesehen. Der deutsche Verein Digitale Gesellschaft forderte auch am Donnerstag, genauer zu definieren, welche Dienste als Spezialangebote gelten.

Kritik von Telekoms

Der europäische Verband von Telekommunikationsanbietern (ETNO) kritisierte das Ergebnis. Es schränke die Möglichkeiten von Anbietern ein, ihren Kunden bessere, innovative Dienste zu verkaufen. Die Qualität beispielsweise von Gesundheitsdiensten und Bildungsangeboten könne leiden, wenn diese nicht bevorzugt durchgeleitet werden dürfen.

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