Weiter Debatte über Giftspritze
In den USA sind heuer bereits 13 Menschen hingerichtet worden. In den vergangenen sieben Tagen waren es drei. Dabei setzen immer mehr Bundesstaaten die Todesstrafe aus, auch weil die US-Strafvollzugsbehörden bei den Mitteln für die Giftspritzen seit längerem Nachschubprobleme haben. In den vergangene Wochen sorgte zudem die Freilassung von Gefangenen für Aufsehen, die Jahrzehnte unschuldig in Haft waren.
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Im US-Bundesstaat Missouri wurde in der Nacht auf Mittwoch der verurteilte Mörder Jeffrey Ferguson hingerichtet. Dem 59-Jährigen wurde das starke Schlafmittel Pentobarbital verabreicht, der Tod trat laut Behördenangaben kurz nach Mitternacht ein. Ferguson hatte bis zuletzt mit juristischen Mitteln seine Hinrichtung zu verhindern versucht.
Das Todesurteil gegen Ferguson wurde wegen der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung einer 17-Jährigen im Jahr 1989 verhängt. Die Leiche der jungen Frau war 13 Tage nach der Tat in St. Louis gefunden worden. Fergusons Anwältin Jen Herndon sagte, ihr Mandant sei zum Tatzeitpunkt Alkoholiker gewesen.
Gnadengesuch in Florida
Am Donnerstag vergangener Woche wurde im US-Bundesstaat Florida der verurteilte Mörder Robert Henry mit einer Giftinjektion hingerichtet. Der 55-Jährige war zum Tode verurteilt worden, weil er Ende 1987 zwei Kolleginnen in einem Stoffgeschäft mit einem Hammer schwer verletzt und angezündet hatte. Eine Frau starb noch am Tatort, die andere wurde lebend gefunden. Sie identifizierte Henry als Täter, bevor sie am nächsten Tag starb. Henry leugnete nach seiner Festnahme zunächst, später legte er laut Gerichtsdokumenten ein Geständnis ab. Ein Gnadengesuch war abgelehnt worden.
Rapper in Texas hingerichtet
Am Abend zuvor wurde der ehemalige Rapper Ray Jasper nach 14 Jahren im Todestrakt im US-Bundesstaat Texas hingerichtet. Ein Gericht hatte den schwarzen Musiker im Jahr 2000 wegen Raubmordes zum Tode verurteilt. Er hatte 1998 gemeinsam mit zwei Komplizen den Inhaber eines Tonstudios von San Antonio, mit dem er arbeitete, überfallen, getötet und ausgeraubt. Jasper war damals 19 Jahre alt. Später legte Jasper wegen der Zusammensetzung der Geschworenen und der nach seiner Auffassung Voreingenommenheit des Verfahrens Berufung ein. Seine letzte Beschwerde beim Obersten Gerichtshof wurde abgelehnt.
Experimente mit Giftmischungen
Praktisch alle US-Bundesstatten kämpfen derzeit mit Nachschubproblemen bei den Mitteln für die tödlichen Giftspritzen, da sich die europäischen Hersteller der Mittel weigern, diese weiter für Hinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Mehrere US-Bundesstaaten haben daher neue und nicht erprobte Giftmischungen von nicht bundesweit zertifizierten Herstellern ausprobiert, was bei Gegnern auf scharfe Kritik stößt.
Für Entsetzen hatte vor allem im Jänner der quälend lange Todeskampf eines Häftlings in Ohio gesorgt. Der 53-jährigen Dennis McGuire lebte noch 24 Minuten, nachdem ihm ein nie zuvor getesteter Giftcocktail injiziert worden war. Ein Gericht im US-Bundesstaat Oklahoma verschob deshalb Mitte März auch zwei geplante Hinrichtungen.
74-Jährige nach Jahrzehnten entlassen
Gleichzeitig wurden zuletzt zwei spektakuläre Fehlurteile bekannt: Ein US-Gericht ließ am Dienstag eine 74-Jährige nach Jahrzehnten aus dem Gefängnis frei, in dem sie als angebliche Mörderin eingesessen war. Mary Virginia Jones wurde vom Verdacht entlastet, sie habe 1981 willentlich an der Ermordung eines Drogendealers teilgenommen. Der Freispruch nach mehr als 32 Jahren kam unter maßgeblicher Mitwirkung von Jusstudenten zustande.
Der Drogendealer wurde 1981 von Jones’ zeitweiligem Lebensgefährten Mose Willis erschossen. Dieser wurde damals zum Tode verurteilt und starb vor der Vollstreckung des Urteils in Haft. Wie die neuerliche Beweisaufnahme ergab, schoss der damals obdachlose Willis eine Woche vor dem Mord auf Jones’ Tochter Denitra. Danach drohte er beiden Frauen mit dem Tod, falls sie zur Polizei gingen. Er selbst tötete dann den Dealer. Die 74-Jährige bezeichnete den nachträglichen Freispruch als „unwirklich“. Es gebe keine Worte, um ihre Gefühle zu beschreiben, sagte sie.
30 Jahre unschuldig hinter Gittern
Und Mitte März wurde ein fälschlicherweise wegen Mordes zum Tode verurteilter US-Häftling nach 30 Jahren hinter Gittern zurück in der Freiheit entlassen. Der 64-jährige Afroamerikaner Glenn Ford war 1983 von einer ausschließlich mit weißen Geschworenen besetzten Jury wegen Mordes an einem Juwelier verurteilt worden.
Nach Angaben der Bürgerrechtsgruppe Capital Post Conviction Project belegen neue Informationen aber, dass Ford weder am Tatort noch anderweitig in das Verbrechen verwickelt war. Ein Richter habe deshalb auf Antrag mehrerer Staatsanwälte die Freilassung des Mannes angeordnet, der fast sein halbes Leben im Gefängnis verbrachte. Medienberichten zufolge war die Mordwaffe nie gefunden worden und auch kein Augenzeuge vorhanden.
„Beispiel für fehlerhaftes Justizsystem“
„Als ich ging, waren meine Söhne Babys. Jetzt sind sie erwachsene Männer mit Babys“, sagte Ford nach dem Verlassen der Justizvollzugsanstalt von Angola in Louisiana. In seinen ersten Minuten als freier Mann fragten ihn Journalisten, ob er verärgert sei. „Ja, weil ich fast 30 Jahre für etwas eingesperrt war, das ich nicht getan habe“, sagte er dem Lokalsender WAFB. Das sei hoffentlich der erste Tag von Fords neuem Leben, sagte sein Anwalt.
Amnesty International nahm den Fall zum Anlass, die Arbeit von Richtern und Staatsanwälten in den USA kritisch zu hinterfragen. „Glenn Ford ist ein lebendes Beispiel dafür, wie fehlerhaft unser Justizsystem wirklich ist“, erklärte der US-Ableger der Menschenrechtsorganisation laut CNN. Es sei „bewegend“, dass der Todeskandidat Ford seine Verurteilung überlebt habe.
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