Urteile am zweiten Verhandlungstag
In Ägypten sind bei einem Massenprozess gegen Anhänger des im Juli gestürzten Ex-Präsidenten Mohammed Mursi laut Angaben von Anwälten und aus Justizkreisen 529 Todesurteile gesprochen worden. Im Staats-TV war von 528 Verurteilten die Rede. 16 Angeklagte wurden laut einem Anwalt freigesprochen.
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Den Angaben zufolge sind 153 der Verurteilten in Haft, der Rest war entweder aus dem Gefängnis entlassen, gegen Kaution auf freiem Fuß oder - wie der überwiegende Anteil - auf der Flucht. Die Agentur Reuters zitierte den Anwalt Ahmed al-Scharif mit den Worten: „Die Gerichte haben beschlossen, 529 Angeklagte zum Tode zu verurteilen, und haben 16 freigesprochen.“ Gegen das Urteil in erster Instanz kann Einspruch erhoben werden.
Insgesamt sind 1.200 Personen angeklagt, es ist der größte Prozess gegen Anhänger Mursis. Unter den Verurteilten sind zahlreiche Führungsmitglieder der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft. Sie sollen sich für ihre Teilnahme an gewaltsamen Protesten im vergangenen Sommer verantworten, unter anderem für den Tod von zwei Polizisten in der Provinz Minja Mitte August sowie für die Zerstörung von Staatseigentum.
Hunderte könnten noch verurteilt werden
Der Prozess gegen die Mursi-Anhänger hatte vergangenen Samstag in Minja südlich von Kairo begonnen - er wurde ungewöhnlich zügig durchgezogen. Nach einer kurzen Anhörung wurde der Prozess auf Montag vertagt, wo die Todesurteile gleich in der Früh gesprochen wurden. Die Verurteilungen erfolgten damit am zweiten Verhandlungstag. Die Verteidigung beanstandete, sie habe keine Gelegenheit gehabt, ihre Argumente vorzubringen.
Am Dienstag wurde der Prozess gegen weitere 683 Muslimbrüder fortgesetzt. Nur einen Tag später wurden erneut Hunderte Muslimbrüder angeklagt. 919 Anhänger der islamistischen Organisation müssen sich unter anderem wegen Mordes und Terrorismus vor Gericht verantworten.
Doch schon der Richterspruch am Montag kommt einer Rekordverurteilung gleich: Nach Angaben der Website DeathPenaltyWorldwide wurden in Ägypten zwischen 1981 und 2000 insgesamt 709 Menschen zum Tode verurteilt und 248 von ihnen hingerichtet. Die USA drohten Ägypten mit Konsequenzen, sollten die „skrupellosen“ Todesurteile vollstreckt werden. „Die Welt ist schockiert über diese Todesurteile, die nicht im Einklang mit internationalen Rechtsstandards sind“, sagte eine Sprecherin des US-Außenamts. Auch die finanzielle Unterstützung Ägyptens könnte darunter leiden.
Weitere Verschärfung des Vorgehens
Insgesamt handelt es sich um eine weitere Verschärfung des Vorgehens der Behörden gegen die Muslimbruderschaft. Journalisten waren zur Prozesseröffnung zu keiner Zeit zugelassen, daher war lange unklar, wie viele Angeklagte tatsächlich vor Gericht erschienen waren.
Die Muslimbrüder in der Provinz Minja hatten im Sommer 2013 - wie auch ihre Gesinnungsgenossen anderswo in Ägypten - gegen die Entmachtung Mursis durch das Militär demonstriert. Nach der blutigen Unterdrückung dieser Proteste in Kairo und Alexandria durch die Sicherheitskräfte mit mehr als 1.000 Toten kam es in der oberägyptischen Provinz zu Unruhen mit Todesopfern.
Polizist zu zehn Jahren Haft verurteilt
Am Dienstag verurteilte ein Gericht einen Polizisten wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft. Gemeinsam mit drei weiteren Beamten soll er Tränengas in ein mit gefangenen Demonstranten überfülltes Fahrzeug gesprüht haben. Dabei starben 37 Muslimbrüder. Die Anklage lautete auf fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Die drei anderen Polizisten erhielten einjährige Bewährungsstrafen. Es war das erste Urteil in Zusammenhang mit den Aufständen in Kairo im vergangenen Sommer.
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