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Hickhack zwischen SPÖ und ÖVP

Der Wahlkampf für die Europawahl ist angelaufen. Das war Ende März beim ersten Aufeinandertreffen aller fünf EU-Spitzenkandidaten der im Nationalrat vertretenen Parteien deutlich zu spüren. Die Kandidaten von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS lieferten sich in der Ö1-Livesendung „Klartext“ Wortduelle rund um das Freihandelsabkommen, die Hypo und die Frage nach einem stärkeren Zusammenrücken in Europa.

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Bestimmendes Streitthema gleich zu Beginn war Andreas Mölzers (FPÖ) „Negerkonglomerat“-Sager, für den es einmal mehr heftige Kritik hagelte. Dieser sei völlig „inakzeptabel“ - für Othmar Karas (ÖVP) steht Mölzers Geisteshaltung „außerhalb der Grundrechte der EU“. Eugen Freund (SPÖ) bezeichnete den FPÖ-Politiker als „Wolf“, der seinen „Schafspelz“ nun abgelegt habe.

Unerwartet sei eine solche Aussage aber nicht gekommen. Für Ulrike Lunacek (Grüne) habe sich gezeigt, „welch Geistes Kind er und seinesgleichen sind“. Für Mölzer selbst ist die Sache vom Tisch. Er habe sich entschuldigt und auch nie aus Kalkül oder bewusster Provokation gehandelt.

EU-Spitzenkandidat Eugen Freund (SPÖ)

ORF.at/Zita Köver

Freund will auf Platz eins und einen sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten

Match SPÖ - ÖVP um Platz eins

Die Wahl im Mai ist aus heimischer Sicht besonders spannend, da nach Ansicht von Politexperten die ÖVP vom ersten Platz gestoßen werden könnte. Entsprechend angriffslustig zeigte sich in der Diskussion der SPÖ-Spitzenkandidat in Richtung seines ÖVP-Kollegen. Freund warf Karas vor, in seiner langjährigen Amtszeit im Europaparlament zu wenig umgesetzt zu haben. Als Beispiel nannte Freund den Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Karas konterte, dass er „im Unterschied zu anderen Kandidaten“ etwas vorzuweisen habe, was er in den letzten Jahren als Politiker geleistet habe.

EU-Spitzenkandidat Othmar Karas (ÖVP)

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Karas sitzt seit 15 Jahren im Europaparlament und will sich den Vorwurf, darin zu wenig geleistet zu haben, nicht gefallen lassen

Während Karas in der gesamten Diskussion immer wieder betonte, mit einem gemeinsamen Zusammenarbeiten ein stärkeres Europa schaffen zu wollen, kritisierte Freund mehrfach, dass die konservativen Kräfte im Europaparlament schon zu lange an der Macht seien.

Differenzen in der TTIP-Debatte

Durch die Bank Bedenken äußerten die Spitzenkandidaten zum geplanten Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP). Angela Mlinar von NEOS verteidigte als einzige das TTIP als „wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeit“. Sie räumte jedoch auch mangelnde Transparenz, fehlende Bürgermitbestimmung und nötige Nachbesserungen bei Streitschlichtungsmöglichkeiten im Investitionsschutz ein. Sowohl Mlinar als auch die anderen Kandidaten betonten, dass die europäischen Standards bei Lebensmittelsicherheit nicht untergraben werden dürften.

EU-Spitzenkandidatin Angela Mlinar (NEOS)

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„Wir lieben Europa“ - als überzeugte Europäerin hofft Mlinar auch darauf, dass das TTIP gelingt

18 Mandate zu vergeben

Österreich hat heuer nur noch 18 Mandate zu vergeben, eines weniger als derzeit. Grund ist der Beitritt Kroatiens zur EU.

Neben SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS rittern auch Ewald Stadler von den Reformkonservativen (REKOS), das BZÖ und der fraktionslose Kandidat Martin Ehrenhauser (Europa anders) um Mandate. Nicht mehr mit dabei ist bei dieser Wahl Hans-Peter Martin. Noch offen ist das Antreten von EU-Stop.

Angesichts der fehlenden Beteiligung von Arbeitnehmervertretern, NGOs und Konsumentenvertretern müssten die Verhandlungen aus der Sicht Freunds „zurück an den Start“. Für „berechtigt“ hält Mölzer die Ängste vor dem Import von „Chlorhühnern“ - schon in der EU-Politik sei der Einfluss von Konzernen hoch, mit dem Abkommen kämen auch noch die Interessen der US-Konzerne hinzu.

Ähnlich Lunacek: Der Abbau von Zöllen - Hauptargument für TTIP - sei nicht nötig, die durchschnittlichen Zölle zwischen EU und USA lägen nur noch bei rund drei Prozent. Dahinter steckten viel mehr die Interessen von Konzernen, die europäischen Standards zu senken. Karas betonte einmal mehr, dass seine Zustimmung im Parlament letztlich von der inhaltlichen Ausgestaltung des Abkommens abhänge und nicht automatisch erfolge. Die Importregeln dürften jedenfalls nicht aufgeweicht werden.

Politiker wollen nach außen geeintes Europa

Angesprochen auf die Krim-Krise fiel der Ruf der fünf Politiker nach einem außenpolitisch stärkerem Europa einheitlich aus. Sowohl Außen- als auch Verteidigungspolitik würden leider „ausschließlich zwischen den Regierungen ausgemacht“, so Karas. Hier brauche es „mehr gemeinschaftliches Handeln statt Zwischenregierungshandeln“. Freund stimmte Karas grundsätzlich zu. Mit Blick auf die Ukraine meinte er, hier sei es vor allem wichtig, kein Öl ins Feuer zu gießen.

EU-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek (Grüne)

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Aus der Sicht Lunaceks muss Europa - vor allem in sozialer Hinsicht - gestärkt werden, „wenn es überleben soll“

Auch Lunacek sagte, die Bürger würden sich „mehr gemeinsame Außenpolitik“ der Union erwarten. Mölzer sagte, die EU solle nach innen hin subsidiär und nach außen geeint auftreten. Mlinar wünscht sich für die nächste Generationen einen Kontinent, der „so befriedet ist wie Nordamerika“.

Einmal mehr Ruf nach Hypo-Aufklärung

Der EU-Wahlkampf kommt freilich auch nicht ganz ohne das bestimmende innenpolitische Thema, die Hypo, aus. Er habe jedenfalls keine Angst vor dem Thema, so Karas. Die EU habe hier mit der kürzlich beschlossenen Bankenunion die richtige Antwort gegeben. Mlinar und Lunacek bedauerten, dass diese für die Hypo zu spät komme, und forderten einmal mehr einen Untersuchungsausschuss.

EU-Spitzenkandidat Andreas Mölzers (FPÖ)

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Mölzer sieht einen U-Ausschuss als „einzige Möglichkeit“, das Hypo-Desaster aufzuklären

Auch aus Mölzers Sicht ist ein Untersuchungsausschuss „die einzige Möglichkeit“, aufzuzeigen „was da los war“. Für eine „lückenlose Aufklärung“ sprach sich auch Freund aus - allerdings in der von der Regierung angekündigten Untersuchungskommission. Nach Abschluss ebendieser könne man auch über einen Untersuchungsausschuss reden, so Freund.

NEOS, FPÖ: Bürger auf der Strecke geblieben

Kritik mussten die Regierungsparteien in puncto EU-Verdrossenheit in Österreich einstecken. Mlinar macht die regierenden Parteien dafür verantwortlich, dass die Stimmung gegenüber der EU „unbegründet“ so schlecht sei. „Wir lieben Europa, aber es ist Beziehungsarbeit.“ Man habe die Bürger in den letzten Jahren „sich selbst überlassen“, was diesen Punkt betreffe. Auch Mölzer ist der Ansicht, dass die Menschen „zu wenig mitgenommen“ worden seien.

Wer soll nächster Kommissar werden?

Keine Einigkeit gab es in der Frage, ob die stimmenstärkste Partei nach der Wahl den österreichischen EU-Kommissar stellen soll. Während Freund meinte, das sei Sache der Regierung, trat Mölzer dafür ein, dass die stärkste Partei den Posten besetzen sollte, auch Mlinar will das so handhaben. Lunacek meinte, der Entsender müsse nicht unbedingt die stärkste Partei sein. Karas forderte überhaupt eine breitere Auswahl - der Kommissar gehöre „keinem Land und keiner Partei“. Auf europäischer Ebene befürworteten bis auf Mölzer alle Kandidaten, dass der Spitzenkandidat der stärksten Partei auch automatisch Kommissionspräsident werden soll.

EU-Spitzenkandidaten Eugen Freund (SPÖ), Andreas Mölzers (FPÖ), Othmar Karas (ÖVP), Ulrike Lunacek (Grüne) und Angela Mlinar (NEOS)

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Kleine Sticheleien zum Wahlkampfauftakt - die heiße Phase läuft erst an

„Konföderation“ vs. „europäische Republik“

Gegen eine „weitere Zentralisierung“ innerhalb Europas sprach sich Mölzer aus. Den Nationalstaaten müssten wieder mehr Kompetenzen zugesprochen werden, auch um unnötige Bürokratiehürden abzubauen. Mölzer plädierte für eine „Konföderation möglichst selbstständiger Mitgliedsstaaten“. NEOS-Kandidatin Mlinar hingegen ortet aktuell eine „Verbrüsselung von Problemen und eine Nationalisierung von Erfolgen“. Brüssel bekomme von den Staaten nicht die Kompetenzen, bei den „großen Themen“ Entscheidungen zu treffen, deshalb „stürze“ man sich auf die kleinen Bereiche. Sie wünsche sich, dass Europa in Richtung einer „europäischen Republik“ gehe.

Karas gab als seine „Vision“ vor allem eine Stärkung des Miteinanders innerhalb der Union an, er will keine weitere Nationalisierung. Freund nannte als Hauptanliegen den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Lunacek wünscht sich, damit Europa „überleben“ könne, eine Stärkung hinsichtlich sozialer und ökologischer Standards.

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