Moskau nennt Krim als Grund
Moskau hat der Ukraine nach der Unterzeichnung des politischen Teils des Assoziierungsabkommens mit der EU einen Nachlass auf den Preis für Erdgas gestrichen. Grundlage des seit 2010 gewährten Rabatts von 100 Dollar (72,66 Euro) je 1.000 Kubikmeter sei die Nutzung eines Marinestützpunkts auf der ukrainischen Halbinsel Krim gewesen, sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin am Freitag gegenüber russischen Medien.
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Nach dem Referendum von Sonntag sei die russische Schwarzmeer-Flotte de jure nicht mehr in der Ukraine, sondern in Russland stationiert, sagte der Sprecher. Daher existiere der Rabatt nicht mehr. Den Preisnachlass hatten der damalige russische Präsident Dimitri Medwedew und der damalige prorussische ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch vereinbart, als der Vertrag für die russische Schwarzmeer-Flotte auf der Krim verlängert wurde.
Der Beitritt der von der Ukraine abtrünnigen Krim-Gebiete ist nun aus russischer Sicht formal endgültig abgeschlossen. Putin unterzeichnete am Freitag die Gesetze zur Aufnahme der Schwarzmeer-Halbinsel und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation, wie der Kreml in Moskau mitteilte. Der ukrainische Präsident Alexander Turtschinow sagte daraufhin, sein Land werde nie die Abspaltung der Krim akzeptieren.
Nach und nach Vergünstigungen gestrichen
Moskau hatte der Ukraine bereits Anfang März einen Rabatt gestrichen. 30 Prozent Nachlass hatte das Land im Dezember bekommen, nachdem sich Janukowitsch geweigert hatte, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Der staatlich kontrollierte russische Energiekonzern Gasprom kündigte dann aber an, dass dieser Rabatt mit April wegfalle. Die vom Bankrott bedrohte Ukraine muss nun 480 Dollar (348 Euro) pro 1.000 Kubikmeter russisches Erdgas bezahlen - einer der höchsten Preise in ganz Europa, wie die russischen Zeitungen „Wedomosti“ und „Kommersant“ berichteten.
Jazenjuk sieht Bestrafung durch Moskau
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk hatte zuvor Russland vorgeworfen, alle Verträge mit der Ukraine gebrochen zu haben und über eine Verdoppelung des Gaspreises die Ukraine für ihre Hinwendung zur EU zu bestrafen. Auf diese Weise werde der Energierohstoff zu einer „neuen Atomwaffe“. Russland verkaufe seine Rohstoffe an den Westen, kaufe für die erlösten Euro und Dollar Waffen und marschiere dann in ein Nachbarland ein, sagte Jazenjuk. Er forderte deshalb Energielieferungen aus der EU. Es sei sehr wichtig für die Ukraine, dass Energie „in umgekehrter Richtung“ fließe.
Fico: Nun wollen sie der EU auf der Tasche liegen
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico kritisierte den EU-Kurs im Krim-Konflikt heftig. „Die Slowakei kann keine unsinnigen wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland unterstützen, weil uns das selbst unglaublich schaden würde“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur TASR in einer am Freitag auch auf der Homepage des Regierungsamtes in Bratislava veröffentlichten Meldung. Nachdem die Ukraine bisher ihre Schulden bei Russland nicht bezahlt habe, wolle sie nun der EU auf der Tasche liegen. „Ich betrachte es als schweren Fehler, wenn jetzt die EU die Verantwortung für die Ukraine übernimmt“, sagte Fico.
EU will Energieabhängigkeit von Moskau verringern
Die EU will nun ihre Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland verringern. Das sei ein zentrales Thema des zweitägigen Treffens der Staats- und Regierungschefs in Brüssel gewesen, sagte EU-Gipfelchef Herman van Rompuy. Geplante Maßnahmen seien sowohl ein geringerer Energieverbrauch als auch mehr Vielfalt bei den Quellen. „Wir müssen zu einer Energieunion kommen“, forderte Van Rompuy nach Abschluss der Beratungen am Freitag.
Ukraine unterzeichnete Abkommen mit EU
Jazenjuk hatte zuvor am Freitag gemeinsam mit den EU-Staats- und -Regierungschefs den ersten - politischen - Teil des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union unterzeichnet, wie der EU-Ministerrat mitteilte. Während Brüssel Kiew bereits jetzt einseitig Handelserleichterungen gewähren will, bleibt der Handels- und Wirtschaftsteil des Abkommens noch offen. Offenbar gleichzeitig stimmte der Föderationsrat in Moskau in letzter Instanz der Aufnahme der Krim in die Russische Föderation zu.

APA/EPA/Olivier Hoslet
Die Unterzeichnungszeremonie in Brüssel mit Jazenjuk und EU-Ratspräsident Van Rompuy
Van Rompuy: EU an der Seite der neuen Ukraine
Jazenjuk äußerte sich erleichtert über das Abkommen mit der EU. „Diese Übereinkunft entspricht den Erwartungen von Millionen Ukrainern, die Teil der EU sein wollen“, sagte Jazenjuk nach der Unterzeichnung. Die damit verbundene Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen sei von „höchster existenzieller“ Bedeutung.
„Die Europäische Union steht an der Seite der neuen Ukraine“, sagte Van Rompuy bei der Unterzeichnungszeremonie. „Diese Geste symbolisiert die Bedeutung, die beide Seiten dieser Beziehung beimessen.“ Mit der Unterschrift erkenne die EU zudem die Hoffnungen der Menschen in der Ukraine an, „in einem Land zu leben, das von Werten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit regiert wird und in dem alle Bürger einen Anteil am nationalen Wohlstand haben“.
Zusammenarbeit in mehreren Bereichen
Das Abkommen zwischen der EU und der Ukraine war in seiner ursprünglichen Fassung 1.200 Seiten stark. Der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch weigerte sich unter russischem Druck im November, das Abkommen zu unterzeichnen. Die Verweigerung löste die Demonstrationen und in der Folge den Machtwechsel in der Ukraine bis hin zur Krim-Krise aus. In dem Abkommen werden unter anderem die Respektierung der demokratischen Grundrechte und der Menschenrechte, die freie Marktwirtschaft, die europäische Integration und eine enge Kooperation in der Außenpolitik, in Justiz- und Grundrechtsfragen festgelegt.
Gespräche mit Moskau über Freihandelszone?
Die EU hatte Russland im Februar zugesagt, vor Schaffung einer Freihandelszone mit der Ukraine noch einmal mit Moskau zu sprechen. Dennoch wird die EU einseitig und ohne ukrainische Gegenleistung voraussichtlich ab Juni fast vollständig auf Zölle bei der Einfuhr von Waren aus der Ukraine verzichten. Damit wird die Ukraine nach Berechnungen der EU-Kommission um knapp 500 Millionen Euro jährlich entlastet. Der politische Teil des Assoziierungsabkommen sieht auch vor, dass Ukrainer - sofern bestimmte rechtliche, organisatorische und politische Voraussetzungen erfüllt sind - auch ohne Visa in die EU reisen dürfen. Auch im Energiebereich ist eine enge Zusammenarbeit vorgesehen.
Lawrow sieht geopolitisches Spiel
Russland warf der Führung in Kiew vor, mit dem Abkommen nicht die Interessen des ukrainischen Volkes zu wahren. „Das ist vielmehr ein Versuch, im geopolitischen Spiel zu punkten“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Freitag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. „Die Machthaber haben die Unterzeichnung des Abkommens verkündet ohne Unterstützung des gesamten Landes.“ Nötig sei aber ein nationaler Konsens, sagte Lawrow.
Faymann kritisiert Putin
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) verteidigte die Unterzeichnung. Vor Beginn des zweiten Gipfeltages am Freitag sagte Faymann, es wäre „wohl ein ganz falsches Signal, das unter irgendeinem Druck von außen zurückzuziehen“. Auf die Frage, ob damit nicht die Gefahr bestehe, zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen, sagte Faymann: „(Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin reagiert heftig auch ohne alle Assoziierungsabkommen.“
Schon beim Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius sei die Bereitschaft der EU da gewesen, das Abkommen zu unterzeichnen. Die Ukraine habe entschieden, den politischen Teil zu unterzeichnen, „nicht weil wir etwas zurückgezogen haben“, und nicht den Handelsteil. Jazenjuk „wird wissen, wie und welche Strategie er in seinem Land einschlagen möchte“, so Faymann. Faymann sprach sich auch für eine weitere Neutralität der Ukraine aus.
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