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Schnellere Vergemeinschaftung

Durchbruch im jahrelangen Streit über die Abwicklung maroder Banken und damit der Bankenunion in Europa: Unterhändler von EU-Parlament, Mitgliedsländern und EU-Kommission einigten sich Teilnehmern zufolge am Donnerstag nach einer 16-stündigen Marathonsitzung auf einen Kompromiss, der der Finanzbranche höhere Lasten aufbürdet.

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„Eine Einigung wurde erzielt am frühen Donnerstagmorgen nach 16-stündigen Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und den EU-Mitgliedsstaaten“, teilte die konservative EVP-Fraktion im Europaparlament in Brüssel mit. Die provisorische Einigung soll nach Angaben aus Verhandlungskreisen noch den Fraktionschefs im Europaparlament vorgelegt werden. „Eine Einigung wurde in dieser Nacht gefunden“, sagte in der Früh auch Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici dem Radiosender France Info.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) - Berlin hatte sich lange gegen eine Bankenunion gesträubt - begrüßte die Einigung. „Die Europäische Bankenunion ist das größte europäische Projekt seit Einführung des Euro“, sagte Schäuble am Donnerstag in Berlin. „Dass wir innerhalb von einem Jahr in den zentralen Punkten zu einem Ergebnis gekommen sind, ist ein großer Fortschritt für Europa.“ Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) begrüßte die Einigung als „sehr positiv“ und forderte zugleich nächste Schritte in Richtung Spekulationsverbote. Hier sei man dem „Steuerzahler verpflichtet“, so Faymann.

Aktionäre vor Steuerzahlern in Pflicht

Ziel der einheitlichen Abwicklungsregeln ist es, dass Steuerzahler künftig bei Bankpleiten weniger zur Kasse gebeten werden - stattdessen müssen Aktionäre, Gläubiger und große Sparer mehr zahlen. Diese Vorgaben sind neben der gemeinsamen Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) die zweite Säule der Bankenunion in Europa, mit der die Finanzbranche besser vor Krisen geschützt werden soll.

Der Abwicklungsfonds soll nun in acht statt wie bisher geplant in zehn Jahren von den Banken aufgebaut werden, wie es in dem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Kompromisspapier heißt. Das gilt sowohl für die Einzahlung als auch für die Vergemeinschaftung der Gelder. Zunächst zahlen die Banken ihre Abgaben in nationale „Kammern“ des Fonds.

Streit über Entscheidungsbefugnis

Die Geldhäuser müssen damit in kürzerer Zeit mehr schultern, um die Zielsumme von 55 Mrd. Euro aufzubringen. Wie genau die Gebühren der Geldhäuser ausgestaltet werden, muss noch von der EU-Kommission und den EU-Finanzministern ausgehandelt werden. Streit hatte es lange Zeit vor allem darüber gegeben, wer am Ende die Entscheidung treffen soll, dass eine Bank zusperren muss. Dem nun gefundenen Kompromiss zufolge soll ein solcher Prozess in erster Linie von der EZB-Aufsicht angestoßen werden. Anschließend befasst sich das Steuerungsgremium des Fonds, das Board, mit dem Fall.

24 Stunden Einspruchsfrist

Die EU-Kommission kann das Votum des Boards billigen oder zurückweisen und soll zudem den Ministerrat informieren. Die Abwicklung soll innerhalb von 24 Stunden eingeleitet werden, wenn EU-Kommission und Mitgliedsländer keinen Einspruch erheben. Kritiker hatten moniert, dass vorherige Vorschläge zu kompliziert waren, um im Krisenfall rasch einen tragfähigen Beschluss fassen zu können.

Nach Angaben von Parlamentariern waren die Beratungen unter den drei EU-Institutionen die längsten, die es je gegeben hat. Die Unterhändler standen unter Zugzwang, weil das EU-Parlament die Beschlüsse noch verabschieden muss, bevor es Mitte April vor der Europawahl ein letztes Mal tagt. Neben dem Parlament müssen auch die Mitgliedsländer dem nun gefundenen Kompromiss noch zustimmen.

Experte: Schlüsselelement fehlt

Harsche Kritik kam von dem renommierten Finanzexperten Paul de Grauwe. „Das Schlüsselelement einer Bankenunion ist eine Institution mit finanzieller Schlagkraft. Die gibt es nicht, also haben wir auch keine Bankenunion“, sagte der Professor an der London School of Economics zu Reuters. „Die Idee war ursprünglich, die fatale Umarmung von Banken und Staaten zu durchtrennen. Aber wenn es jetzt wieder eine Bankenkrise geben sollte, dann wären wir wieder zurückgeworfen ins Jahr 2008, und jedes Land stünde für sich alleine gerade.“

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