Vorerst keine Besserung in Sicht
Die steigende Arbeitslosenzahl in Österreich ist auf den ersten Blick leicht erklärt: Einerseits drängen immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt, andererseits werden durch die schwache Konjunktur zu wenige neue Jobs geschaffen. Zwar steigt auch die Beschäftigung, Maßnahmen wie die Verlängerung der Arbeitslebenszeit verschärfen aber die Situation. Denn nun kommen die Babyboomer in die Jahre.
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3.437.000 Personen waren Ende Februar laut jüngsten Zahlen des Sozialministeriums unselbstständig beschäftigt, zum Vorjahr ein Anstieg um 0,6 Prozent oder 22.000 Personen. Mit einem Plus von 35.000 oder 4,7 Prozent legte vor allem die Gruppe der Personen über 50 Jahre im Februar besonders stark zu: 783.000 Menschen über 50 Jahre und damit 60 Prozent dieser Altersgruppe sind damit erwerbstätig, das ist neuer Höchststand.
Schub durch geburtenstarke Jahrgänge
Laut WIFO ist der Anstieg vor allem auf demografische Verschiebungen zurückzuführen. Die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre würden nun in das besagte Alter kommen, so Helmut Mahringer vom WIFO gegenüber ORF.at. Vor allem der sehr starke Jahrgang 1964 sorge 2014 in dieser Altersklasse für einen entsprechenden Schub - auch bei der Zahl der Arbeitslosen in dieser Altersklasse, die zuletzt um 15.343 oder rund 20 Prozent zugelegt hat.
Es sei wichtig, diese Leute auch weiterhin in Beschäftigung zu halten, so Mahringer. Viele dieser Personen seien gut ausgebildet, und es sei politischer Wille auf nationaler und EU-Ebene, dass ältere Personen aus dem Arbeitsmarkt nicht rausgenommen werden sollten. Doch die Ausdehnung der Arbeitslebenszeit gehe auch zulasten der in Summe verfügbaren Jobs, heißt es von WIFO und Arbeitsmarktservice (AMS) unisono. Denn damit würden mehr Leute in den Arbeitsmarkt drängen, der derzeit ohnedies zu wenig Arbeitsplätze biete. Auch die Zuwanderung und die verstärkte Beschäftigung von Frauen würden die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte in Österreich steigern.
Immer mehr Arbeitskräfte verfügbar
Dass damit etwa Jugendliche weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz haben, will das AMS nicht gelten lassen. Jugendliche könnten etwa Ältere schon alleine aufgrund des unterschiedlichen Wissens- aber vor allem Erfahrungssstands nicht direkt ersetzen. Klar sei aber, dass der Arbeitsmarkt durch die Ausdehnung der Lebensarbeitszeit, die Zuwanderung und die höhere Frauenarbeitsquote zusätzlich unter Druck sei, so Mahringer. Mittelfristig werde es hier auch keine Änderung geben, wenn der eingeschlagene Kurs weiterverfolgt werde.
Zuletzt stieg das Arbeitskräftepotenzial, also die Zahl der auf dem österreichischen Arbeitsmarkt verfügbaren Personen, auf 3.793.800, ein Plus von 52.400 beziehungsweise 1,4 Prozent. Im Jänner legte das Arbeitskräftepotenzial in der Gruppe 50+ um rund 50.000 oder 6,1 Prozent auf rund 870.000 Personen zu. Bei den Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren sank der Anteil der verfügbaren Arbeitskräfte um rund 7.000 auf rund 516.000. In beiden Gruppen stieg auch die Arbeitslosigkeit, wobei die Quote bei den Jugendlichen inklusive Schulungen laut Mahringer höher ist.
Knapp 440.000 Österreicher waren im Februar 2014 ohne Job und in keiner Schulungsmaßnahme, das ist ein Plus von 9,1 Prozent im Jahresvergleich. Laut WIFO, IHS und AMS wird die Arbeitslosigkeit 2014 noch weiter steigen - mehr dazu in oe1.ORF.at. So die Konjunktur nicht deutlich anzieht, werde es auch 2015 keine deutliche Besserung bei der Arbeitslosenquote geben, so Mahringer. Dass 46 Prozent der derzeit Arbeitslosen nur einen Pflichtschulabschluss haben, mache es ihnen nicht unbedingt leichter, einen Job zu finden, so der WIFO-Experte.
Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer gefordert
Angesichts der jüngsten Zahlen gab es zahlreiche Forderungen, um ältere Menschen länger am Arbeitsplatz halten. ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer forderte, dass die im Regierungsprogramm vereinbarte Teilpension bereits zur Jahresmitte in Kraft treten müsse. Zusätzlich sollte die „Aufschubbonuspension“ Frauen mit 60 und Männer mit 65 ermutigen, ihre Pension nicht anzutreten, sondern freiwillig noch einige Zeit (auch in Teilzeit) weiterzuarbeiten.
Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, will auch die Betriebe stärker in die Pflicht nehmen. Es müsse für Unternehmen deutlich teurer werden, ältere Beschäftigte vor die Tür zu setzen. Das wäre etwa durch das Bonus-Malus-System möglich. Die Devise müsse „Umschulen statt Rauswerfen“ lauten. Das sei auch im Interesse der Wirtschaft, die immer vor einem demografisch bedingten Fachkräftemangel warne.
Arbeitsmarktpaket für Ältere vor Beschluss
Eine „Radikalreform“ fordert der Präsident des SP-Pensionistenverbands (PVÖ), Karl Blecha. Dass Menschen ab 50 als „zu alt“ für den Arbeitsmarkt gelten, sei ein Skandal. Es sei höchst an der Zeit, dass der falsche „Jugendwahn“ in der österreichischen Arbeitswelt endlich der Vergangenheit angehöre. Blecha fordert einen Paradigmenwechsel in den Chefetagen, altersgerechte Jobs, betriebliche Gesundheitsvorsorge und ein Bonus-Malus-System.
Noch in diesem Monat soll ein Arbeitsmarktpaket für Ältere im Parlament beschlossen werden, das laut Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) für eine Entspannung in dieser Altersgruppe sorgen soll. Demnach werden in den nächsten drei Jahren 350 Mio. Euro zur Beschäftigungsförderung für die Generation 50+ bereitgestellt. Mittels Eingliederungsbeihilfen und der Stärkung des zweiten Arbeitsmarktes könnten 20.000 Menschen pro Jahr gezielt gefördert werden.
Über 8.500 Personen werden im Anschluss einen fixen Arbeitsplatz durch diese Maßnahmen erhalten, so Hundstorfer anlässlich der Vorstellung der jüngsten Zahlen. Bereits jetzt hätten verschiedene Maßnahmen wie Altersteilzeit dazu geführt, dass ältere Beschäftigte länger im Erwerbsleben blieben.
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