„Sanktionen kontraproduktiv“
Das Referendum über den Beitritt der Krim zu Russland wird nach den Worten von Russlands Außenminister Sergej Lawrow stattfinden. „Wir werden den Willen der Bevölkerung der Krim respektieren“, sagte Lawrow am Freitag nach einem mehrstündigen Treffen mit seinem US-Amtskollegen John Kerry in London.
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Lawrow bekräftigte die Haltung Russlands, die Krise in der Ukraine nicht verursacht zu haben. Die Ukraine sei vom Westen vor eine „falsche Wahl“ gestellt worden. Zudem warnte er den Westen vor weiteren Sanktionen gegen Russland.
Treffen dauerte länger als erwartet
„Unsere Partner verstehen, dass Sanktionen eine kontraproduktive Maßnahme sind“, sagte Lawrow. „Wir hören, was in Washington und in Europa diskutiert wird“, betonte er. Der US-Außenminister habe während des Treffens in London „keinerlei Drohungen“ gegen Russland geäußert, fügte er hinzu. Er selbst machte deutlich, dass Russland keine militärische Einmischung in der Ostukraine plane. Russland habe vor, transparent zu handeln.

APA/AP/Brendan Smialowski, Pool
Auch das vierte Treffen der Außenminister Sergej Lawrow und John Kerry brachte kein wirkliches Ergebnis
Kerry sagte, die USA und die internationale Gemeinschaft würden das Ergebnis des Referendums nicht anerkennen. Er äußerte sich zudem besorgt über russische Truppenstationierung an der Grenze. Kerry und Lawrow diskutierten deutlich länger als erwartet. Es war das vierte Treffen der beiden Außenminister zum Ukraine-Konflikt binnen einer Woche. Auch die vorherigen Gespräche waren allesamt ohne nennbares Ergebnis geblieben.
Kerry lässt Moskau Hintertür offen
In dem Gespräch mit Lawrow ließ Kerry Moskau allerdings eine diplomatische Hintertür offen: „Es gibt viele Möglichkeiten, wie Präsident Putin den Willen der Bevölkerung auf der Krim respektieren kann. Wenn die Bevölkerung der Krim, wie anzunehmen ist, mit überwältigender Mehrheit für die Angliederung oder das Zusammengehen mit Russland stimmt, dann kann man das Votum respektieren, indem man sicherstellt, dass ihre Volkswirtschaft verbessert wird und dass ihre Nöte ordentlich respektiert werden“, sagte Kerry.
Gleichzeitig mit den Aussagen Lawrows warnte US-Präsident Barack Obama Russland erneut vor „Konsequenzen“ bei einer weiteren Verletzung der ukrainischen Souveränität. „Wir hoffen weiter, dass eine diplomatische Lösung gefunden wird“, sagte Obama am Freitag am Rande eines Treffens mit dem irischen Regierungschef Enda Kenny in Washington. Die Vereinigten Staaten und Europa seien aber „vereint“ in der Unterstützung der ukrainischen Souveränität und der Haltung, „dass es Konsequenzen geben wird, sollte diese Souveränität weiter verletzt werden“.
Säbelrasseln auf beiden Seiten
Schon zuvor waren Drohungen von beiden Seiten zu hören. Aus Washington verlautete am Donnerstag (Ortszeit), dass die US-Regierung einen Antrag der Ukraine auf militärische Unterstützung prüfe. Eine endgültige Entscheidung zur Militärhilfe für Kiew sei zwar noch nicht gefallen, sagte ein Pentagon-Vertreter. Allerdings werde zumindest dem Ersuchen auf Lieferung von Verpflegungspaketen für die ukrainische Armee stattgegeben.
Moskau wiederum stellte am Freitag erneut eine Intervention in der Ukraine in den Raum. Nach Ausschreitungen mit einem Toten in Donezk im Osten der Ukraine erklärte das Außenministerium, Russland stehe zu seiner „Verantwortung für das Leben seiner Landsleute und Mitbürger in der Ukraine“. Moskau behalte sich deshalb das Recht vor, diese Menschen zu schützen. Die neue Zentralregierung in Kiew, die von Russland nicht anerkannt wird, habe „die Lage nicht unter Kontrolle“.
Nach Angaben eines russischen Rüstungsunternehmens von Freitagabend wurde eine US-Überwachungsdrohne über der Krim abgefangen. Der Flugkörper mit der Identifizierungsnummer UAV MQ-5B sei nach einem elektronischen Störmanöver „nahezu intakt“ in die Hände von „Selbstverteidigungskräften“ gefallen, teilte das Unternehmen Rostec mit. Das US-Verteidigungsministerium wies diese Angaben zurück. „Der Bericht ist nicht wahr“, sagte eine Pentagon-Sprecherin am Freitag der dpa.
Umstrittenes Referendum
Russland hatte bereits nach dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch Truppen auf die russisch geprägte Krim entsandt. Auf der ukrainischen Halbinsel haben die prorussischen Behörden für Sonntag eine Volksabstimmung angesetzt, bei der über die Abspaltung von der Ukraine und eine Aufnahme in die Russische Föderation entschieden werden soll. Während Moskau das Referendum unterstützt, sehen die Regierung in Kiew und der Westen es als illegal an. Die auf der Krim lebenden Tartaren, die in der Ukraine bleiben wollen, haben zum Boykott der Abstimmung aufgerufen.
Merkel: Abstimmung „irrelevant“
Die deutsche Regierung betonte ihrerseits, dass das Ergebnis der Abstimmung „irrelevant“ sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel drohte am Freitag Russland erneut mit Sanktionen, sie setzt nach eigenen Worten aber weiter auf Gespräche. „Wir wollen Lösungen über Gespräche. Die Tür dazu steht weiterhin offen.“ Merkel verwies in München darauf, dass der deutsche Ansatz aus einem „Dreiklang von Gesprächen, Hilfen für die Ukraine und, wenn nicht anders möglich, auch Sanktionen“ gegenüber Russland Bestand habe.
Auch der Europarat hält laut einem Entwurf eines Rechtsgutachtens die geplante Abstimmung für rechtswidrig. Der Autonomierat habe nicht das Recht, ein solches Referendum anzusetzen, heißt es in einem Reuters vorliegenden Entwurf. „Darüber hinaus ist es fraglich, ob die gegenwärtigen Umstände auf der Krim es erlauben, eine Abstimmung abzuhalten, die mit europäischen demokratischen Standards übereinstimmen“, heißt es in dem Papier.
Eingliederung der Krim schon fix?
Der Russlandbeauftragte der deutschen Regierung, Gernot Erler (SPD) glaubt hingegen, dass die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation nicht mehr aufzuhalten ist. „Diese Frage ist in der russischen Führung wohl schon längst entschieden“, sagte Erler der Wochenzeitung „Das Parlament“ laut Vorabmeldung vom Freitag. In der Duma werde gerade ein gesetzlicher Rahmen für einen solchen Schritt vorbereitet.
EU plant weitere Sanktionen
Die EU wird am Montag nach Angaben eines Diplomaten Strafmaßnahmen gegen die Verantwortlichen der Krim-Krise in Moskau und auf der zur Ukraine gehörenden Halbinsel beschließen. Ziel sei „eine kleine, aber politisch signifikante Liste“, sagte ein EU-Diplomat am Freitag in Brüssel. Es sei unwahrscheinlich, dass bereits jetzt auch Vertreter der russischen Wirtschaft sanktioniert würden.
Die EU will gegen die Verantwortlichen der Krim-Krise Einreise- und Kontensperren verhängen. Letztlich entscheiden müssen über die Liste die EU-Außenminister am Montag. Es sei die genaue Zahl der Sanktionierten noch nicht festgelegt, weil die EU-internen Beratungen dazu erst anfangen, hieß es. Die Sanktionen seien „ein Test für die EU“, um Russland zu zeigen, dass Moskaus Vorgehen in der Ukraine inakzeptabel sei, sagte ein Diplomat. Es sei klar, dass Russland die Verantwortung für die Vorgänge auf der Krim trage.
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