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„Ein Konto zum Zocken“

Die Fans des FC Bayern München sind schockiert. Zuerst gesteht ihr Präsident Uli Hoeneß Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, dann stellt sich beim Prozess heraus, dass die Summe noch deutlich höher ist. Am 13. März wird Hoeneß zu dreieinhalb Jahren verurteilt. Die Chronologie der Steueraffäre:

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2001 bis 2006: Hoeneß spekuliert im großen Stil an der Börse mittels eines Kontos in der Schweiz. Der damalige adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus habe ihn mit Millionen unterstützt. „Es war immer klar, das war ein Konto zum Zocken, für nichts anderes“, sagte Hoeneß im Mai 2013 der „Zeit“. Nach anfänglichen Gewinnen habe er aber hohe Verluste gemacht und seine Aktivitäten an der Börse zurückgefahren.

Oktober 2010: Deutschland und die Schweiz unterzeichnen ein neues Doppelbesteuerungsabkommen und vereinbaren Verhandlungen zur Legalisierung von nicht versteuerten deutschen Geldern auf Schweizer Bankkonten.

April 2012: Beide Länder unterzeichnen ein Zusatzprotokoll. Geldanlagen von deutschen Bürgern in der Schweiz aus den vergangenen zehn Jahren sollen danach von 2013 an pauschal mit 21 bis 41 Prozent besteuert werden - nicht wie zunächst vereinbart mit 19 bis 34 Prozent. Das Schweizer Parlament billigt das Abkommen im Mai, der deutsche Bundestag stimmt im Oktober zu.

November: Die von SPD und Grünen regierten deutschen Bundesländer lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern.

Dezember: Auch im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat kommt keine Einigung zustande.

Jänner 2013: Hoeneß zeigt sich beim Finanzamt selbst an, die Staatsanwaltschaft München leitet ein Ermittlungsverfahren ein. Er hat vergeblich auf das kurz zuvor gescheiterte Steuerabkommen gesetzt.

20. März: Hoeneß bekommt in seinem Haus am Tegernsee Besuch von den Ermittlern. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl vor, der aber außer Vollzug gesetzt wird - angeblich gegen Zahlung einer hohen Kaution.

20. April: Das Nachrichtenmagazin „Focus“ macht den Fall öffentlich und berichtet unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft und Hoeneß selbst.

21. April: Hoeneß schließt einen Rücktritt als Bayern-Präsident aus. In der Folge häuft sich die Kritik, auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rückt von Hoeneß ab. Geschlossen bleiben die Reihen beim FC Bayern.

23. April: Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet über den Haftbefehl und die Millionenkaution. Hoeneß besucht das Halbfinal-Hinspiel seines FC Bayern in der Champions League gegen den FC Barcelona und freut sich im Stadion über das 4:0.

1. Mai: Hoeneß geht in die Offensive und gibt via „Zeit“ voller Reue Einblick in sein Seelenleben. Verbindungen seines Schweizer Kontos zum Rekordmeister schließt der Bayern-Präsident aber aus.

6. Mai: Hoeneß bleibt Vorsitzender des Bayern-Aufsichtsrats. „Der Aufsichtsrat wird die Angelegenheit weiterhin beobachten und sich bei Vorliegen neuer Erkenntnisse mit dem Thema befassen“, heißt es in der offiziellen Erklärung.

24. Juli: Hoeneß rechnet in seiner Steuerangelegenheit mit einer baldigen Entscheidung. „Ich bin zuversichtlich, dass es eine gute Lösung gibt. Ich denke, in den nächsten zwei, drei Monaten wird es eine Entscheidung geben“, sagt er am Rande des Testspiels gegen den FC Barcelona.

30. Juli: Die Staatsanwaltschaft München erhebt Anklage gegen Hoeneß wegen Steuerhinterziehung. Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München muss nun über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Präsidenten des FC Bayern München entscheiden.

4. November: Die Pressestelle des Oberlandesgerichts gibt bekannt, dass die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II die Anklage gegen Hoeneß „unverändert“ zugelassen hat. Der erste Verhandlungstermin wird für den 10. März anberaumt.

13. November: Hoeneß wird auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern von den Mitgliedern gefeiert. Er vergießt Tränen und kündigt an, nach seinem Steuerstrafprozess auf einer außerordentlichen Versammlung die Mitglieder über seine Zukunft entscheiden zu lassen. „Ich werde mich jedem Votum, das Sie treffen, unterwerfen.“

23. Jänner 2014: Die Staatsanwaltschaft München lässt bayrische Finanzbehörden wegen des Verdachts der Verletzung des Steuer- und des Dienstgeheimnisses durchsuchen. Es geht um die Frage: Wer gab Dokumente aus Hoeneß’ Steuerakt an die Presse weiter? Hoeneß hat Strafanzeige gestellt.

10. März: Begleitet von einem riesengroßen Medieninteresse beginnt in München der Prozess im Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung.

11. März: Knalleffekt am zweiten Prozesstag: Laut Staatsanwaltschaft beträgt die Steuerschuld nicht 3,5 Millionen Euro, sondern 27,2 Mio.

12. März: Hoeneß’ Verteidigung erkennt die neu berechnete Höhe der Steuerschuld an.

13. März: Hoeneß wird zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Der Ankläger befindet, der FC-Bayern-Präsident habe kriminelle Energie an den Tag gelegt.

14. März: Hoeneß verzichtet auf eine Berufung und akzeptiert damit das Urteil. Zudem tritt er mit sofortiger Wirkung als Präsident und Aufsichtsratschef des FC Bayern München zurück.

2. Juni: Hoeneß tritt seine Gefängnisstrafe in Landsberg am Lech an.