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Flucht in letzter Minute

Der libysche Übergangsregierungschef Ali Seidan hat nach seiner Entmachtung durch das Parlament das Land verlassen und ist nach Europa geflohen. Der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat bestätigte am Mittwoch, dass Seidan am späten Dienstagabend in Malta eingetroffen und dann „in ein anderes europäisches Land“ weitergereist sei.

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Ersten Gerüchten zufolge soll er in die Schweiz geflohen sein. Nach Angaben des Nachrichtensenders al-Arabija soll sich Seidan hingegen in Deutschland aufhalten. Der in Dubai beheimatete Sender meldete am Mittwoch, Seidan sei in Düsseldorf gelandet. Der entmachtete Premier hatte vor dem Aufstand gegen den Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 mehr als 30 Jahre als Oppositioneller im Exil gelebt, unter anderem im schweizerischen Genf und in Deutschland.

Seidan war am Dienstag vom Parlament per Misstrauensvotum abgesetzt worden. Unmittelbar danach war ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Ihm wird Korruption vorgeworfen. Es gelang ihm gerade noch, von Tripolis wegzufliegen.

Zweifel an Korruptionsvorwürfen

Das Parlament hatte ihn im Oktober 2012 zum Ministerpräsidenten gewählt, nachdem es der mit den Muslimbrüdern verbandelte Politiker Mustafa Abu Schagur nicht geschafft hatte, eine Regierung zu bilden. Seidan hatte Rücktrittsforderungen in den vergangenen Tagen mit der Begründung abgelehnt, er wolle kein Machtvakuum entstehen lassen.

Seidans wichtigster Gegenspieler war in den vergangenen Monaten Parlamentspräsident Nuri Abu Sahmein gewesen. Mehrere libysche Kommentatoren äußerten in arabischen Talkshows in der Nacht Zweifel an den Korruptionsvorwürfen gegen den Ex-Regierungschef.

Verteidigungsminister übernimmt Interimsgeschäfte

In Libyen übernahm Verteidigungsminister Abdallah al-Thinni vorübergehend die Amtsgeschäfte, teilte die Volksvertretung mit. In der Küstenstadt Sirte kam es nach Angaben des Nachrichtensenders al-Arabija zu Zusammenstößen zwischen Milizen der selbst ernannten Autonomieregierung und ehemaligen Rebellen aus der Stadt Misrata, die loyal zum Parlament stehen. Die Ex-Rebellen, die dem Vernehmen nach auf Parlamentspräsident Sahmein hören, sollen den Befehl erhalten haben, die Besetzung von Ölanlagen durch Separatisten und bewaffnete Banden mit Gewalt zu beenden.

Affäre um Öltanker als Zünglein an der Waage

Kurz zuvor soll ein nordkoreanischer Öltanker den Hafen al-Sidra verlassen haben. Das Schiff hatte am Wochenende Öl geladen, das die bisher von niemandem anerkannte Autonomieregierung ohne Genehmigung der Behörden verkauft hatte. Das galt als schwere Niederlage für Seidan im Kampf gegen die Rebellen und dürfte letztlich den Ausschlag für seine Entmachtung im Parlament gegeben haben.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur LANA stimmten 124 Abgeordnete für den Misstrauensantrag. In spätestens 15 Tagen wollen die Parlamentarier einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Binnen drei Monaten soll außerdem eine Parlamentswahl stattfinden. Das nächste Parlament wird dann die in Libyen vieldiskutierte Frage klären, ob der künftige Präsident Libyens vom Volk direkt gewählt werden soll oder nicht.

Islamisten als Gegner Seidans

Zu Seidans Kritikern im Parlament gehörten zuletzt vor allem Angehörige der Partei der Muslimbruderschaft sowie andere Politiker aus dem islamistischen Spektrum. Frühere Versuche, den Chef der Übergangsregierung zu stürzen, waren daran gescheitert, dass sich die Abgeordneten nicht auf einen Nachfolger hatten einigen können.

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