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Kampfabstimmung gegen Barnier

Der frühere luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker tritt als europäischer Spitzenkandidat für die Konservativen zur Europawahl an. Juncker setzte sich am Freitag im irischen Dublin auf dem Nominierungsparteitag der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) in einer Kampfabstimmung gegen den EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier aus Frankreich durch.

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382 Delegierte stimmten für Juncker, 245 sprachen sich für den Franzosen aus. Für die Europawahl Ende Mai stellen die Parteienfamilien erstmals EU-weite Spitzenkandidaten auf, die als Bewerber um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten gelten. Juncker tritt somit gegen den gemeinsamen Spitzenkandidaten der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) an, den Deutschen Martin Schulz.

Merkel: Juncker auch als Barroso-Nachfolger

Juncker dankte den Delegierten in einer Rede unmittelbar danach für ihr Vertrauen und rief zur Geschlossenheit auf. „Wir können nun unsere Wahlkampagne beginnen“, sagte er. Er will nicht nur als Spitzenkandidat antreten, sondern erhebt auch Anspruch auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten, derzeit Jose Manuel Durao Borroso.

Innerhalb der EVP ist das jedoch umstritten. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte, dass Juncker auch Kommissionspräsident werden soll. „So haben wir das heute verstanden.“ Sie wies aber auch auf die Vertragslage hin, die eine absolute Mehrheit im Europaparlament und einen Vorschlag der Staats- und Regierungschefs vorsehe. Stunden zuvor hatte sich Merkel noch gegen einen Automatismus ausgesprochen.

Andere Staats- und Regierungschefs wollen sich ebenfalls vorbehalten, einen eigenen Kandidaten für das höchste EU-Amt zu nominieren. Der Lissabon-Vertrag der EU sieht vor, dass der Europäische Rat für die nächste Kommission die Mehrheitsverhältnisse berücksichtigen muss. Auch muss das Parlament der Ernennung der neuen Kommission zustimmen. Das Vorschlagsrecht liegt allerdings bei einer qualifizierten Mehrheit des Rates.

Spindelegger gab Unterstützung nicht Preis

Insgesamt waren in Dublin mehr als 800 Funktionäre von Mitgliedsparteien der EVP und Abgeordnete ihrer Fraktion im Europaparlament stimmberechtigt. Die ÖVP stellte 17 Delegierte, darunter Parteichef und Vizekanzler Michael Spindelegger. Dieser hatte vor der Wahl nicht öffentlich gemacht, wen er unterstützt. Allerdings sprachen sich seine Parteikollegen, EU-Abgeordneter Othmar Karas und EU-Kommissar Johannes Hahn, für Juncker aus.

In einer von starkem Applaus begleiteten Rede, in der Juncker abwechselnd französisch, deutsch und englisch sprach, betonte er im Vorfeld der EVP-internen Wahl die Bedeutung der kommenden EU-Wahl. „Wir sind nicht die Partei der blinden Sparmaßnahmen, Privatisierung und Deregulierung“, sagte der christlich-soziale Politiker, der Ende vergangenen Jahres als Regierungschef zurückgetretetn war.

TV-Hinweis

Schulz und Juncker sind am Donnerstag, dem 8. Mai, um 20.15 Uhr auf ORF2 zu Gast bei einem gemeinsam von ORF und ZDF produzierten „Duell“. Am 15. Mai überträgt ORF III die Diskussionsrunde der Spitzenkandidaten aller europäischen Parteien.

„Sozialpolitik nicht Sozialisten überlassen“

Bei der kommenden Wahl müsse deutlich gemacht werden, dass die Sozialpolitik nicht den Sozialisten überlassen werden dürfe, so Juncker in seiner Rede. Es müsse weniger Bürokratie für Klein- und Mittelbetriebe geben, die Arbeit schafften, und eine Konsolidierung der Budgets der Mitgliedsstaaten. Nur so könne die Arbeitslosigkeit bekämpft werden.

Der unterlegene Barnier hatte zuvor sein Antreten verteidigt. „Manche denken, ein französischer Kommissionspräsident ist 20 Jahre nach Jacques Delors (ein früherer Amtsinhaber, Anm.) keine gute Idee“, sagte Barnier und widersprach: „Ich glaube nicht, dass es eine Schwäche ist, Europäer und Franzose zu sein - ich werde mich nicht ändern.“ Es gehe darum, bei der Wahl im Mai die Sozialisten und „rechte und linke Populisten“ zu besiegen.

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