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Westen als Vorbild

Als Reaktion auf die höhere Nachfrage vor allem in den boomenden asiatischen Ländern wird die Fleischproduktion in den kommenden Jahrzehnten drastisch steigen. In einem aktuellen „Fleischatlas“ rechnen Umweltorganisationen damit, dass Bauern und Agrarbetriebe weltweit ihre Produktion bis 2050 von 300 Mio. auf 470 Mio. Tonnen erhöhen müssten, um den Bedarf zu decken.

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Damit seien verheerende Umweltprobleme verbunden, warnen die Ersteller des „Fleischatlas“, die Heinrich-Böll-Stiftung, die deutsche Umweltorganisation BUND und die Zeitung „Le Monde Diplomatique“. Zwar stagniert der Fleischkonsum in Europa und den USA oder nimmt in einigen Ländern wie Deutschland sogar ab, wie die Verfasser in ihrem Bericht schreiben.

Statussymbol für wachsende Mittelschicht

Allerdings tritt vor allem in China und Indien die Mittelschicht mit einer steigenden Fleischnachfrage auf. Demnach werden bis 2022 rund 80 Prozent des Wachstums im Fleischsektor auf die „zumeist asiatischen Boomländer“ entfallen. Selbst in Indien, wo vegetarische Lebensweise tief verwurzelt ist, wird Fleischkonsum in einer wachsenden Mittelschicht für immer mehr zum Statussymbol.

Auch in Brasilien und Südafrika, die zusammen mit Russland, Indien und China die sogenannten BRICS-Staaten bilden, steigt die Nachfrage stetig. Steigen lässt den Fleischkonsum nicht nur das Bevölkerungswachstum, sondern auch die zunehmende Urbanisierung in diesen Ländern. Stadtbewohner haben demnach mehr Geld als Landbewohner und ernähren sich entsprechend anders.

Produktion in Europa wächst teilweise kaum noch

Hohe Energiekosten und knapper Platz führen auch bei der Erzeugung zu einer geänderten globalen Verteilung. In Europa steigt die Gesamtproduktion von Fleisch weniger stark als noch in den letzten Dekaden. Nur bei Schweinen und Geflügel wächst der Markt. Der Grund: Beide Tierarten verwerten das Futter gut und können auf engem Raum gehalten werden. Die Produktion von Rindfleisch hingegen wächst demnach kaum.

Die USA bleiben mit elf Millionen Tonnen der größte Rindfleischproduzent der Welt. Für 2013 rechnet die Fleischindustrie dort jedoch mit einem Rückgang von vier bis sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr und sieht diesen Trend auch im Jahr 2014. In anderen traditionellen Erzeugerregionen – Brasilien, Kanada, Europa – stagniert oder sinkt die Produktion. Wachsen wird sie dem Bericht zufolge jedoch in Indien. Die Produktion von indischem Büffelfleisch hat sich von 2010 bis 2013 nahezu verdoppelt. Damit wird nicht nur der inländische Bedarf gedeckt - ein Viertel des Rindfleischs auf dem Weltmarkt stammt mittlerweile aus Indien.

Unerwünschte Nebeneffekte nach westlichem Vorbild

In aufstrebenden asiatischen Ländern werde „nach westlichem Vorbild zunehmend unter hochindustrialisierten Bedingungen Fleisch erzeugt“, erklärte dazu Barbara Unmüßig von der den Grünen nahestehenden Böll-Stiftung. Diese Entwicklung habe auch all die unerwünschten Nebeneffekte wie in europäischen Ländern, darunter Lebensmittelskandale, Missbrauch von Antibiotika sowie Einsatz von Hormonen, sagte sie.

Soja-Produktion müsste verdoppelt werden

Der Bericht warnt in diesem Zusammenhang außerdem vor einem enorm wachsenden Flächenverbrauch für Futtermittel. Um den erwarteten Konsum zu stillen, müsse sich allein die Produktion von Sojabohnen von derzeit 260 auf weltweit 515 Millionen Tonnen fast verdoppeln, heißt es. Es sei derzeit „nicht abzusehen“, wie all die Tiere in den entstehenden Massentierhaltungsbetrieben ernährt werden sollen, kritisiert der Bericht.

Die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning warnte ihrerseits vor den negativen Folgen einer drastisch höheren Fleischproduktion für die Umwelt. Demnach werden mittlerweile „70 Prozent aller Agrarflächen der Erde“ von der Tierfütterung beansprucht. Das habe fatale Folgen für Regenwälder, Böden und Gewässer, etwa durch die Belastung mit Pestiziden. Außerdem würden die Preise für Grundnahrungsmittel wegen knapper werdender Agrarflächen steigen.

Warnung vor Freihandelsabkommen mit USA

Vor dem Hintergrund der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA warnt der Bericht auch vor dem Import von hormonbehandeltem Fleisch. Ein solches Abkommen könne „drastische Änderungen“ beim Einsatz von Antibiotika und bei der Zulassung von genetisch veränderten Organismen bedeuten, heißt es. Ein Beispiel dafür sei der Einsatz des Hormons Ractopamin, das in den USA erlaubt, in der EU aber verboten ist. Es müsse verhindert werden, dass die hohen Standards für Lebensmittel in der EU durch das Abkommen „aufgeweicht“ werden, erklärte der BUND.

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