Themenüberblick

Beide Seiten kämpfen um Stimmen

Schon seit Monaten gehen die Wogen hoch - und das, obwohl es erst Mitte September so weit ist: Die britische Regierung versucht alle Register zu ziehen, wenn es darum geht, Schottland beim Referendum über die Unabhängig vom Verbleib im Vereinigten Königreich zu überzeugen. Und ein bisschen Wirkung zeigen die Bemühungen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

49 Prozent der Schotten sprachen sich zuletzt gegen eine Loslösung aus. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als noch vor einem Monat. Die Zahl der Befürworter einer Unabhängigkeit verharrte dagegen bei 37 Prozent. Auch bei den Buchmachern - auf der Insel eine fixe Größe - ist der Trend eindeutig: Die Chance für eine Unabhängigkeit Schottlands liegt bei ihnen bei 20 Prozent.

Wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt

Für viele Wähler stehen wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt. Denn auf Schottland käme wohl eine Phase der Unsicherheit zu, wenn es sich für die Eigenständigkeit entscheidet: So ist unklar, welche Währung das Land nutzen könnte und welchen Anteil der britischen Staatsverschuldung es tragen müsste.

Der britische Finanzminister George Osborne drohte den Schotten gar schon mit dem Rauswurf aus dem Pfund, sollten sie sich für die Unabhängigkeit entscheiden. „Wenn sich Schottland von Großbritannien entfernt, dann entfernt es sich auch vom britischen Pfund“, sagte er. Es gebe dann „keinen rechtlichen Grund“ für eine gemeinsame Währung.

Schotten wollen Pfund behalten

Der Verlust des Pfundes ist die bisher schärfste Drohung, die London gegen die Unabhängigkeitsbefürworter in Edinburgh ins Feld geführt hat. An der Spitze der Unabhängigkeitsbewegung steht Alex Salmond, Chef der schottischen Regionalregierung. Er reklamiert das Recht, auch bei der Unabhängigkeit dürfe Schottland das Pfund behalten und Mitglied einer gemeinsamen Währungszone sein.

Rauswurf aus der EU?

Auch aus Brüssel kommen skeptische Töne: EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso machte den Schotten wenig Hoffnung auf einen Verbleib in der Europäischen Union, wenn sie sich von Großbritannien abspalten sollten. Dem EU-Beitritt eines neuen Landes müssten nämlich alle anderen Mitgliedsstaaten zustimmen - also auch Großbritannien, das vehement gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Regionalregierung in Edinburgh opponiert. Als unabhängiger Staat in die Union einzutreten „wäre extrem schwierig wenn nicht sogar unmöglich“, sagte Barroso dem Rundfunksender BBC.

Emotionale Argumente

Salmond dürfte daher auf emotionale Argumente setzen, um doch noch die Mehrheit für eine Eigenständigkeit zu finden: In diesem Jahr finden in der größten schottischen Stadt Glasgow die Commonwealth-Spiele statt. Schottland stellt ein eigenes Team. Zugleich wird der 700. Jahrestag der Schlacht von Bannockburn gefeiert - damals siegte das schottische Heer über die englische Übermacht und sicherte so für mehrere Jahrhunderte die Unabhängigkeit des Landes. Eine Welle von Nationalgefühl könnte die Kampagne Salmonds beflügeln.

Seine Schottische Nationalpartei (SNP) hatte bei der letzten Wahl zum Regionalparlament entgegen allen Umfragen die absolute Mehrheit errungen und stellt nun allein die Regionalregierung in Edinburgh. So wurde das Referendum erst möglich.

Gravierende Folgen für Briten

Doch auch die britische Regierung wird zunehmend nervös, denn auch für sie steht sehr viel auf dem Spiel: Experten in Großbritannien gehen davon aus, dass die negativen Folgen einer schottischen Unabhängigkeit für den Rest des Landes größer sein könnten als für Schottland selbst. Großbritannien müsste sein gesamtes Atomwaffenarsenal, das gegenwärtig in Schottland stationiert ist, verlegen und würde einen Teil seiner Armee verlieren. Der politische Einfluss in der Welt und in Europa könnte schwinden. Viel gestritten wird jetzt schon um die Einnahmen aus dem Nordsee-Öl, wo eine der beiden Seiten schmerzliche Verluste hinnehmen müsste.

Appell von Cameron

Premierminister David Cameron rief vor einigen Wochen alle Menschen im Vereinigten Königreich auf, ihre schottischen Freunde und Verwandte von einem Nein-Votum beim Volksentscheid zu überzeugen. Bis zur Abstimmung blieben „noch sieben Monate zur Rettung des außerordentlichsten Landes in der Geschichte“, sagte der Regierungschef.

Nur vier Millionen Schotten sind wahlberechtigt, aber Cameron wandte sich auch an die 59 Millionen Menschen in England, Wales und Nordirland, die nach seinen Worten ohne Schottland „deutlich eingeschränkt“ wären. „Sie haben keine Wahlstimme, aber eine Stimme und Einfluss“, sagte er. „Hängen Sie sich ans Telefon, kommen Sie zusammen, schicken Sie E-Mails, twittern Sie, sprechen Sie, verbreiten Sie die Botschaft: Wir wollen, dass Ihr bleibt.“

Bisher versuchte Cameron, die in Schottland unpopuläre Tory-Partei aus dem Stimmenkampf im Norden weitgehend herauszuhalten, und er lehnt auch ein Fernsehduell mit Salmond ab. Wenn sich die Lage zuspitzt, kann es aber durchaus sein, dass Cameron seine Strategie überdenken muss.

Links: