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„Rechnung wird erst am Ende gemacht“

Der Vorsitzende der Hypo-Taskforce Klaus Liebscher hat am Mittwoch im ZIB2-Interview die Notverstaatlichung der Kärntner Hypo Alpe-Adria verteidigt - gleichzeitig aber auch „Versäumnisse der Politik“ beim nachfolgenden Krisenmanagement in den Raum gestellt.

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Die Kärntner Hypo war laut Liebscher 2009 zweifelsohne als systemrelevante Bank einzustufen. Mit der Notverstaatlichung habe man möglicherweise Schlimmeres verhindert. Außer Frage stehe aber auch, dass man es nun mit einer „Reihe von schwierigen Vermögenswerten“ zu tun habe. Liebscher zeigte sich in diesem Zusammenhang optimistisch, dass man diese - vorausgesetzt man bekomme die dafür notwendige Zeit - nun auch veräußern und damit den Verlust minimieren könne.

Schwierig, Schaden abzuschätzen

Da es hier eine Reihe von Faktoren zu betrachten gelte, könne man zum derzeitigen Zeitpunkt den möglichen Schaden für die Republik und damit auch für den Steuerzahler allerdings nur schwer abschätzen. Kolportierte Zahlen von bis zu 19 Milliarden Euro könnten aber deutlich zu hoch gegriffen sein, so Liebscher, der derzeit von maximal vier Milliarden Euro ausgeht. Zusammen mit den rund 3,5 Mrd. Euro an bisher geflossenen staatlichen Kapitalspritzen habe man es somit in Summe mit geschätzten 7,5 Mrd. Euro zu tun.

Der Schaden sei damit immer noch „groß genug, aber kein Vergleich zu der gerne genannten Horrorzahl 13 oder 19 Milliarden“, so Liebscher gegenüber dem „Kurier“. Die Rechnung werde aber erst am Ende gemacht werden können, wobei Liebscher hier einen Zeitrahmen von zehn bis 20 Jahren in den Raum stellte.

„Verzögerer in gewissem Grad in Regierung“

Dass er als einer der „Hauptdarsteller im Hypo-Thriller“ in der „Presse“ als der „Verzögerer“ klassifiziert wird, unter dessen Ägide wenig weitergegangen sei, während noch immer über Modelle für die Hypo-Abwicklung gerätselt werde, ärgert Liebscher. „Ich muss diese Bemerkungen zur Kenntnis nehmen, halte sie aber nicht für richtig.“ Die Verzögerer seien zu einem gewissen Grad in der Regierung.

Warum es bei der Kommunalkredit seinerzeit nur wenige Monate gedauert habe für eine „Bad Bank“ und man bei der Hypo gut vier Jahre nach der Notverstaatlichung erst jetzt dabei sei, wollte Liebscher in der ZIB2 nicht beantworten: Dazu seien die jeweiligen Finanzminister und politisch Verantwortlichen zu fragen. Die „finale Entscheidung“ sei immer bei der Politik gelegen, und aus diesem Grund stehe etwa auch die nun gewählte Abwicklung über ein Anstaltsmodell erst seit kurzem fest. Für „Versäumnisse der Politik“ wolle er sich nun jedenfalls nicht zum Sündenbock machen lassen, so Liebscher weiter.

„In meinen Leben noch nicht erlebt“

Geht es nach Liebscher, hätte man sich durchaus früher für das Anstaltsmodell entscheiden können. „Ganz schlecht“ sei zudem, dass von der Regierung die von ihm abgelehnte Insolvenz weiter in den Raum gestellt werde. Mit dieser Doppelstrategie rüttle man an den Grundfesten der Politik und im Umgang mit einer dem Staat gehörenden Bank, so Liebscher, der angesichts dieser Vorgangsweise auch um die Reputation Österreichs als Finanzplatz fürchtet.

Man sehe schon, dass die Ratingagenturen beginnen, sich Gedanken zu machen, und Downgradings vornehmen, so Liebscher: „Das haben wir nur der öffentlichen Diskussion über eine Insolvenz zu verdanken. Das habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt.“

Finanzministerium: Nehmen Kritik ernst

Auf die scharfe Liebscher-Kritik antworteten Donnerstagmittag die beiden Staatssekretäre im Finanzministerium, Sonja Steßl (SPÖ) und Jochen Danninger (ÖVP), mit einer gemeinsamen Stellungnahme: „Die Experten in der Taskforce bleiben für uns wichtige Gesprächspartner“, hieß es in ihrer Aussendung. „Wir nehmen auch kritische Anmerkungen ernst und werden weiterhin eng mit den Experten zusammenarbeiten und ihren Vorschlägen folgen“, so Steßl und Danninger. Zugleich hoben sie hervor, seit der Angelobung „zügig“ und „zielgerichtet“ an einer Lösung für die Abwicklung der Hypo zu arbeiten.

Ziel sei es, bis Ende des ersten Quartals eine Lösung und eine Entscheidung zu finden. Diese solle die Steuerzahler möglichst wenig belasten. Wenn ein von der Taskforce zu erstellender weiterer Bericht vorliege, würden „allfällige weitere Schritte" evaluiert und vorgelegt werden - “ etwa Beiträge der Alteigentümer und anderer Stakeholder der Bank.

Weiter Uneinigkeit über mögliche Kosten

Dienstagabend hatte Hypo-Vorstandschef Alexander Picker Kosten für die Republik von schlimmstenfalls vier Milliarden Euro genannt. Der weitere Kapitalbedarf sei vom geltenden EU-Beihilfenbescheid gedeckt, so Picker.

Der Wiener Finanzwissenschaftler Stefan Pichler (WU Wien) nannte die von der Bankspitze genannten Zahlen am Mittwochabend „realistisch“. Der Experte Ulrich Schuh (Eco Austria) hingegen glaubt, dass „wir einiges an Verlusten für den Steuerzahler sehen werden“, und er fürchtet, dass es eher mehr wird. Die Belastungen seien da und sie blieben am Steuerzahler hängen, befand Schuh. Tendenziell drohe eine weitere Steuererhöhung. Als „sehr optimistisch“ wertete auch die Ökonomin Elisabeth Springler die jetzt genannten vier Milliarden, sie sieht die Belastungen eher in den zweistelligen Milliardenbereich gehen.

Zweiter Fall Hypo nicht ausgeschlossen

Einig waren sich die Experten, dass ein zweiter Fall Hypo für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann. Da sei noch einiges zu tun in Europa und in Österreich. Die Finanzkrise sei nicht vollständig verarbeitet, es bestehe weiter die Gefahr negativer Überraschungen und neuer Bankenkrisen.

Einig waren sie auch darin, dass die „Bad Bank“ für die Hypo Alpe-Adria viel schneller kommen hätte müssen. Die Aufarbeitung geschehe jetzt auch nur deswegen, weil die EU-Kommission die Rute ins Fenster gestellt habe, meinte Schuh. Die Stunde der Wahrheit schlage immer, auch wenn man Unangenehmes noch so lang vor sich herschiebe. Er hält die immer wieder geäußerte Insolvenzdrohung für ein „Scheinthema“, die Konsequenzen wären für Österreich „verheerend“.

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