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Ukraine für Brüssel auf Tagesordnung

Zu einem schwierigen Gipfeltreffen vor dem Hintergrund von Spannungen, Meinungsverschiedenheiten und der Ukraine-Krise ist Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstagnachmittag in der EU-Zentrale in Brüssel eingetroffen.

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Nach dem Scheitern einer EU-Annäherung der Ukraine beim Vilnius-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft im Dezember will die EU nun „reinen Tisch machen“ und mit Putin „Klartext reden“. „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte ein ranghoher EU-Diplomat am Montag. Daher wurde der ursprünglich für zwei Tage anberaumte EU-Russland-Gipfel kurzerhand auf ein Mittagessen mit anschließender Pressekonferenz auf „ein etwas geändertes Format“ zusammengestrichen.

Die EU-Spitzen - Ratspräsident Herman van Rompuy, Kommissionschef Jose Manuel Durao Barroso und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton - wollen dem Vernehmen nach vor allem die aktuelle gespannte Lage in der Ukraine und die Zukunft der EU-Ostpartnerschaft ansprechen. Neben Putin wird auch Außenminister Sergej Lawrow erwartet.

Unterschiedliche Erwartungen

„Russland und die EU haben durch die Stärkung ihrer Zusammenarbeit als strategische Partner viel zu gewinnen“, sagte Barroso vor dem Gipfel. „Aber damit das erfolgreich sein kann, brauchen wir wechselseitiges Verständnis und strategisches Vertrauen.“ Van Rompuy sagte, es gebe „eine Reihe von Differenzen, die diskutiert und geklärt werden müssen“.

„Wir erwarten, dass es um die Kernfragen der Partnerschaft geht“, sagte der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow in Brüssel. Insgesamt seien die Beziehungen zwischen Russland und der EU aber „besser als gelegentlich beschrieben“. „Das ist kein Gipfel über die Ukraine“, sagte Tschischow in Brüssel, „aber die dramatischen Entwicklungen sind zweifellos sowohl für Russland als auch die EU ein Grund zur ernsten Sorge.“

EU: Putin übte Druck auf Ukraine aus

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte in Vilnius auf Druck Russlands ein Assoziierungs- und Handelsabkommen mit der EU verweigert, was in seinem Land eine blutige Protestwelle ausgelöst hat. Die EU wirft Russland vor, massiven politischen und wirtschaftlichen Druck auf die Ukraine und Janukowitsch ausgeübt zu haben.

Russland bestreitet das: „Die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten war seine, nicht Moskaus, nicht Putins“, sagte Tschischow. Für die Gewalt in der Ukraine seien „Extremisten und Randgruppen extremer Nationalisten“ verantwortlich. Ebenso wie die Ukraine hatte zuvor bereits Armenien auf ein Assoziierungsabkommen mit der EU verzichtet und stattdessen eine engere Zusammenarbeit mit Russland angekündigt.

Ein ranghoher EU-Diplomat sagte am Montag, es sei „eine große Schande, dass die Ereignisse so eskaliert sind“. Brüsseler Diplomaten beklagen, Moskau wolle auf die Ukraine Druck ausüben, um das Land in seine Zollunion mit Kasachstan und Weißrussland zu pressen.

Moskaus Argumente „ein Unsinn“

Russische Argumente, wonach eine Unterzeichnung des Handelsabkommens zwischen der EU und der Ukraine die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Moskau und Kiew beschädigt hätten, werden von Vertretern der EU als „Unsinn“ zurückgewiesen. Jedes Land könne eine Vielzahl von Handelsabkommen habe, aber als Mitglied einer Zollunion verliere es die Möglichkeit, selbst solche Abkommen auszuhandeln. Erwartet wird eine „offene Diskussion mit Meinungsverschiedenheiten“ mit Putin, ohne dass dabei gleich alle Probleme gelöst würden. Es werde aber auch nicht zu einem „dramatischen Konflikt“ kommen, sagte ein EU-Diplomat.

Ärger über Wirtschaftsbeziehungen

Zunehmend herrscht in der EU auch Ärger über Schwierigkeiten in den Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. So habe Moskau allein im Vorjahr 78 protektionistische Maßnahmen zum Schutz seiner Wirtschaft verhängt, wird in Brüssel beklagt. Mit rund 300 solcher Maßnahmen sei Russland „der Anführer des Protektionismus“.

Die EU sei „enttäuscht“, dass sich Russland seit seinem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2012 in diese Richtung entwickelt habe, hieß es in Kreisen des Auswärtigen Dienstes der EU. Wegen russischer Recyclinggebühren auf Autos hat die EU bereits Klage vor der WTO eingereicht.

Auch Menschenrechte und Sotschi Thema

Die EU beklagt überdies die Verletzung von Grundfreiheiten durch Russland. Vor den Olympischen Spielen in Sotschi werde die EU weiterhin auf Redefreiheit und den Rechten von Homosexuellen beharren, sagte ein Diplomat. Die EU und Russland sind auch in weiteren Menschenrechtsfragen unterschiedlicher Ansicht. Trotz der Freilassung prominenter Oppositioneller gebe es eine ganze Reihe von Menschenrechtsproblemen, sagten EU-Diplomaten.

Streit über „Southstream“

Ernste Probleme gibt es im Energiebereich. Russland bestreitet, dass die EU-Kommission das Recht hat, bereits mit Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Serbien, Slowenien, Ungarn und Österreich unterzeichnete Verträge über den Verlauf der durch das Schwarze Meer in die EU führenden „Southstream“-Gaspipeline für ungültig zu erklären, weil unvereinbar mit dem EU-Recht.

Unter anderem bemängelt die Kommission, dass der russische Gasprom-Konzern sowohl für die Pipeline als auch für das zu liefernde Gas verantwortlich ist. Außerdem hat die EU ein Kartellverfahren gegen die zu 51 Prozent im russischen Staatsbesitz befindliche Gasprom wegen unfairer Preise und Marktbehinderungen eingeleitet.

Bei dem Kurzgipfel dürfte nicht viel Zeit bleiben, um auch noch die wichtigsten außenpolitischen Krisenherde anzusprechen. Dabei sollen die Genfer Syrien-Friedenskonferenz, die Lage in Nahost und der Atomkonflikt mit dem Iran erörtert werden. In diesen Fragen ist Russland ein wichtiger Partner für die Europäische Union.

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