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Streit über Rechenmethode

Der vom Gericht bestellte Sachverständige Roland Popp hat am Donnerstag beim „Telekom V“-Prozess um den Verkauf der Wiener Innenstadtimmobilie Schillerplatz 4 sein Gutachten erläutert, wonach die Immobilie zur Zeit des Verkaufsangebots im Mai 2006 9,8 Mio. Euro wert war.

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Das Gutachten belastet die Angeklagten, denen der zu billige Verkauf der Telekom-Austria-Immobilie an Ex-ÖBB-Chef Martin Huber vorgeworfen wird. Huber hatte die Immobilie über die Schillerplatz 4 Projektentwicklungs GmbH (SP4) im Dezember 2006 um 5,4 Mio. Euro von der Telekom Austria (TA) gekauft. Dass er selber 75 Prozent der SP4 besaß, hielt er damals geheim, nach außen trat ein Treuhänder auf. Die übrigen 25 Prozent hielt Hubers Ehefrau.

3,9 Millionen an Huber

Im November 2007 wurde die Schillerplatz-Immobilie von der SP4 an die Seeste Bau AG um 10,9 Mio. Euro verkauft. Die Seeste übernahm die SP4 mit allen ihren Verbindlichkeiten in Höhe von sieben Mio. Euro (Kredit für Kaufpreis, Architektenhonorar u. Ä.) und zahlte darüber hinaus an Huber 3,9 Mio. Euro.

Die Anklage wirft Huber unter anderem Beteiligung an Untreue gegenüber der TA vor. Die TA-Manager, die das Verkaufsangebot an Huber im Mai 2006 unterzeichnet hatten, sind wegen Untreue an der TA in Höhe von 4,4 Mio. Euro angeklagt. Um diesen Betrag sollen sie die TA durch den zu billigen Verkauf ohne aktuelles Wertgutachten geschädigt haben. Alle weisen die Vorwürfe zurück.

Berechnung mit Abschlag für Risiken

Popp erläuterte am Donnerstag, warum er zur Bewertung der Schillerplatz-Immobilie zum Stichtag Mai 2006 das Residualwertverfahren gewählt hatte. Dieses werde bei Projektentwicklungen angewendet, wenn ein Bauträger ein Projekt plane. Beim Residualwertverfahren wird der Kaufpreis ermittelt, wenn ein Investor an der Frage interessiert ist, welchen maximalen Preis er zahlen könne, um ein Projekt wirtschaftlich zu realisieren.

„Hier wurde ein Projekt verkauft mit der Möglichkeit des Dachbodenausbaus“, erläuterte der Gutachter. Er habe sich auf den Kaufvertrag mit seinen Beilagen - Pläne, Nutzwertgutachten, Wohnungseigentumsvertrag samt eingereichtem Projekt zum Dachbodenausbau und zur Schaffung von Eigentumswohnungen - bezogen. Für eventuell noch für die Realisierung bestehende Gefahren, etwa wegen Denkmalschutzauflagen, habe er einen Abschlag gemacht. Er habe so kalkuliert, wie ein vernünftiger Bauträger zum damaligen Zeitpunkt kalkuliert hätte, sagte Popp.

„Ein Bauträger tickt so“

Die „klassischen Verfahren“ wie Vergleichswertverfahren und Ertragswertverfahren würden den Marktpreis in diesem Fall nicht korrekt darstellen. „Es nähert sich ein Bauträger dem Projekt, und der tickt so“, erläuterte er. Ein Vergleichswertverfahren sei schwierig, weil es nicht viele palaisartige Gebäude mit Ringstraßenarchitektur in der Wiener Innenstadt gebe, die zeitnah verkauft worden seien.

Zwar sei zum Bewertungszeitpunkt Mai 2006 noch keine Baubewilligung vorgelegen, aber die Statik und die MA 19 der Stadt Wien hätten schon zugestimmt. Die Baubewilligung wurde von der Behörde im November 2006 erteilt. Ende Dezember 2006 nahm Hubers SP4 das von der TA bereits im Mai 2006 unterzeichnete, bis Jahresende befristete Verkaufsangebot an und kaufte die Immobilie.

Projekt oder Immobilie?

Die Verteidiger der - nach den drei Freisprüchen verbliebenen - vier Angeklagten zweifelten das Gutachten an. Insbesondere kritisierten sie die gewählte Methode als mit Risiken behaftet. Es sei nicht ein Projekt verkauft worden, sondern Anteile an einer Immobilie. Staatsanwalt Michael Radasztics konterte, die SP4 heiße schließlich Schillerplatz 4 Projektentwicklungsgesellschaft.

Schließlich forderten die Verteidiger die Zulassung eines weiteren Sachverständigen, der kein Projektentwickler sei, und warfen dem Gerichtssachverständigen wegen der Wahl des Residualwertverfahrens Befangenheit vor. Der Staatsanwalt konterte, Gegenstand des vorliegenden Kaufvertrags sei ein Bauträgerprojekt. Richterin Claudia Moravec-Loidolt rügte einige Male die Verteidiger wegen unhöflicher und unangebrachter Äußerungen.

Die Verhandlung wird am Freitag fortgesetzt. Dann werden noch drei Zeugen befragt, und die Einvernahme des Gutachters wird fortgesetzt. Auch über die Anträge der Verteidiger wird dann entschieden.

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