25 Jahre Haft für Ex-Freund
Die US-Amerikanerin Amanda Knox ist im neuen Prozess um den Mord an der Britin Meredith Kercher zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Unterdessen wurde am Freitag bekannt, dass ihr ebenfalls verurteilter Ex-Freund Raffaele Sollecito sich Donnerstagabend kurzzeitig in Österreich aufgehalten haben soll.
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Das Berufungsgericht in Florenz sprach die 26-Jährige und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito am Donnerstagabend in zweiter Instanz schuldig. Knox soll für die Tat im November 2007 in Perugia 28 Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, der Italiener Sollecito (29) für 25 Jahre. Der Schuldspruch ist nicht rechtskräftig. Die beiden Angeklagten waren bei der Urteilsverkündung nicht im Gericht. Sollecito wurde mit einem Ausreiseverbot belegt.
Die Staatsanwaltschaft hatte für Knox 30 Jahre, für Sollecito 26 Jahre Haft gefordert. Sollecito wartete nicht wie ursprünglich angekündigt auf den Richterspruch. Vor Gericht anwesend waren dagegen Kerchers aus Großbritannien angereiste Geschwister.
Knox erwartete die Entscheidung gemeinsam mit ihrer Mutter in ihrer Heimatstadt Seattle. Nach Angaben ihres Anwalts soll sie wie versteinert auf das Urteil reagiert, aber nicht geweint haben. „Ich bin erschrocken und traurig über dieses ungerechte Urteil“, sagte sie in einem Statement. Sollecito verfolgte das Urteil nach Angaben seiner Anwälte im Fernsehen und reagierte „bestürzt“.
Kerchers Geschwister Stephanie und Lyle hingegen waren bei der Verlesung des Urteils im Gericht. „Ich denke, dass es an diesem Punkt sehr schwierig ist zu verzeihen, weil wir nicht wissen, was wirklich passiert ist“, sagte Stephanie dem Fernsehsender SkyTG24. Ihr Bruder Lyle sagte nach dem Urteil: „Es ist nicht die Zeit, um zu feiern.“
Sollecito Pass abgenommen
Am Freitag wurde bekannt, dass Sollecito in der Nacht in einem Dorf in der Nähe von Udine im Norden des Landes entdeckt worden sei, hieß es aus italienischen Polizeikreisen. Ihm sei der Pass abgenommen worden. Zugleich teilten ihm Polizisten den Angaben zufolge offiziell mit, dass er Italien nicht verlassen dürfe.
Laut der Polizei in Udine hatte der Italiener bereits am Donnerstag einige Stunden in Österreich verbracht. Den Polizisten erklärte er, dass er einen „touristischen Rundgang“ in Kärnten unternommen hatte. Die Ermittler vermuten, dass der 29-Jährige in Österreich auf das Urteil des Berufungsgerichts in Florenz gewartet hatte.
Nachdem der Richter angekündigt hatte, dass das Urteil nicht mit einem sofortigen Haftbefehl verbunden ist, sondern lediglich mit einem Ausreiseverbot, habe sich Sollecito zur Rückfahrt nach Italien entschlossen. Wie der Vizepolizeichef von Udine, Massimiliano Ortolan, der APA berichtete, befindet sich Sollecito noch in der Polizeizentrale in Udine. Er warte auf die Dokumente aus Florenz, aufgrund deren ihm Pass und Ausweis entzogen werden. „Er wirkt ruhig und gefasst“, sagte Ortolan. Nach Abschluss der Formalitäten wird Sollecito sehr wahrscheinlich Friaul verlassen.
Verteidigerin kündigt Berufung an
Das Urteil im Prozess wegen des Mordes an der britischen Austauschstudentin Kercher erging am Ende einer Gerichtsverhandlung von mehr als elf Stunden. Giulia Bongiorno, die Rechtsanwältin Sollecitos, kritisierte das vom Berufungsgericht in Florenz gefällte Urteil. Es gebe keinerlei Beweise gegen die Angeklagten, die von Anfang an als Schuldige dargestellt worden seien.
Sollecito werde beim Kassationsgericht in Rom, der dritten und letzten Instanz im italienischen Justizsystem, Einspruch gegen seine Verurteilung einlegen, sagte die Anwältin. Dem Italiener droht vorerst nicht die Haft.
„Urteil wird nicht halten“
„Das ist lediglich eine Etappe, dieses Urteil wird nicht halten“, kommentierte Anwältin Bongiorno. Auch die Anwälte von Knox kündigten Einspruch gegen das Urteil an. „Wir werden weiterhin im Interesse Amandas kämpfen. Es tut uns wegen ihr sehr leid. Die langen Beratungen vor dem Urteil bezeugen, dass in diesem Fall vieles nicht klar ist“, so der Rechtsanwalt Luciano Ghirga.
Der Rechtsanwalt der Familie des Opfers, Francesco Maresca, zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. „Die Gerechtigkeit hat in Merediths Namen gesiegt. Die italienische Justiz hat bewiesen, dass die Wahrheit ans Licht kommen kann“, so Maresca. Zufrieden zeigte sich auch der Florentiner Staatsanwaltschaft Alessandro Crini.
Durchtrennte Kehle
Die damals 21-jährige Britin Kercher war am 2. November 2007 halbnackt und mit durchgeschnittener Kehle in der Wohnung im italienischen Perugia gefunden worden, die sie sich mit Knox teilte. Ihre Leiche wies 47 Messerstiche auf, die Studentin war zudem vergewaltigt worden. Wegen Kerchers Todes im Gefängnis sitzt bereits der Drogendealer Rudy Guede, dessen DNA am Tatort gefunden wurde. Er wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt.
Den Ermittlern zufolge wiesen die Stichwunden jedoch stark darauf hin, dass es mehr als einen Täter gab. Die Staatsanwaltschaft hatte vor Gericht erklärt, DNA-Spuren bewiesen, dass Sollecito und Knox auf Kercher eingestochen hätten, während Guede die Britin vergewaltigt habe.
Verurteilung, Freispruch, Verurteilung
Knox und Sollecito waren bereits 2010 wegen Mordes an Kercher zu 26 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden, ein Berufungsgericht sprach die beiden jedoch 2011 frei. Der neue Prozess in Florenz wurde 2013 vom obersten italienischen Berufungsgericht angeordnet, das Widersprüche und Unstimmigkeiten im Berufungsverfahren erkannte. Im vergangenen September begann dann der dritte Prozess. Knox, die nach dem Freispruch in die USA zurückgekehrt war, kam aus Angst vor einem neuen Schuldspruch nicht nach Italien.
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