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Rückkehr derzeit unwahrscheinlich

Der russische Regierungsgegner Michail Chodorkowski will nach seiner Begnadigung durch Kreml-Chef Wladimir Putin „auf einen Machtkampf in Russland verzichten“. „Ich verstehe besser als die Oppositionellen, wie gefährlich das vor allem für sie in erster Linie wäre“, sagte der nach zehn Jahren Lagerhaft freigelassene Chodorkowski am Sonntag in Berlin.

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Zudem verzichte er auf einen neuen Rechtsstreit um den inzwischen zerschlagenen Ölkonzern Yukos. „Ich werde nicht um meine Yukos-Anteile kämpfen“, sagte Chodorkowski. Beim ersten öffentlichen Auftritt war das Medieninteresse gewaltig. Zahlreiche Fernsehsender aus dem In- und Ausland übertrugen die Pressekonferenz aus dem Mauermuseum am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie live.

Als Chef des größten russischen Ölkonzerns Yukos war der Unternehmer einst zum reichsten Mann Russlands geworden. Nach öffentlicher Kritik an Putin und der Unterstützung der Opposition fiel er in Ungnade und kam 2003 in Haft. Nun sagte er, dass er anders als zu Zeiten von Yukos heute nicht mehr in der Lage sei, als Sponsor aufzutreten. „Ich habe diese finanziellen Möglichkeiten nicht, wirklich nicht.“

Oppositioneller Michail Chodorkowski umringt von Journalisten

Reuters/Axel Schmidt

Riesengedränge um Chodorkowski bei der Pressekonferenz in Berlin

„Opposition hat derzeit keine starken Perspektiven“

Zur Rolle der Opposition sagte er: „Die Opposition hat derzeit keine starken Perspektiven, aber sie sind viel besser als noch vor zehn Jahren.“ Chodorkowski gilt immer noch als Multimillionär. „Ich kenne meine finanziellen Verhältnisse derzeit nicht. Das Geld reicht mir zum Leben. Fußballvereine werde ich nicht kaufen“, sagte er. „Ich werde nicht Politik betreiben, das heißt um die politische Macht kämpfen“, sagte der 50-Jährige.

Politische Äußerungen will sich Chodorkowski dennoch nicht verbieten lassen. So forderte er auf der Pressekonferenz angesichts der prowestlichen Massenproteste in der Ukraine eine Freilassung der dort inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Er hoffe, dass der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch die frühere Regierungschefin in die Freiheit entlasse, sagte Chodorkowski am Sonntag in Berlin. Das Schicksal der schon mehrere Wochen lang von proeuropäischen Protesten erschütterten Ex-Sowjetrepublik lasse ihn nicht gleichgültig, weil er auch viele Verwandte in der Ukraine habe.

Gegen Boykott der Winterspiele in Sotschi

Die Frage, ob er einen internationalen Boykott der Olympischen Winterspiele in Sotschi befürworte, verneinte Chodorkowski. Die Spiele in Sotschi seien ein „Fest des Sports“ für Millionen von Menschen. „Das sollte man nicht verderben“, so der Ex-Milliardär. Zugleich äußerte er die Hoffnung, dass Kreml-Chef Wladimir Putin das Fünf-Ringe-Spektakel nicht zu einem „persönlichen Fest für sich“ mache.

Auf Ratschläge zum Umgang mit Präsident Putin wollte sich Chodorkowski nicht festlegen. „Es wäre etwas vermessen meinerseits, erfahrenen westlichen Politikern Ratschläge zu erteilen, wie sich in Bezug auf einen so schwierigen Menschen wie den Präsidenten meines Landes verhalten sollen.“

Gnadengesuch ohne schriftliches Schuldeingeständnis

Putin hatte seinen Gegner am Freitag aus humanitären Gründen begnadigt. Seine Freilassung nach zehn Jahren Haft sei aber „kein Symbol für grundlegende Veränderung im Land“, betonte Chodorkowski. Die Entscheidung über seinen künftigen Aufenthaltsort ließ er offen. „Wo wir leben werden, das werde ich mit meiner Frau besprechen. Das kann ich jetzt nicht allein entscheiden.“

Oppositioneller Michail Chodorkowski samt Presseaufkommen

Reuters/Thomas Peter

Seine Enthaftung sei „kein Symbol für grundlegende Veränderung im Land“, so der Ex-Milliardär in Berlin

Auch, wie lange er in Deutschland bleiben wolle, könne er derzeit noch nicht sagen, so Chodorkowski auf der Pressekonferenz. Sein Visum für die Bundesrepublik gelte für ein Jahr. Trotz seines Gnadengesuchs an Putin sieht er sich weiterhin als unschuldig an. „Die Macht wollte immer von mir ein Schuldbekenntnis, doch das war unannehmbar für mich.“ Das Gesuch habe er ohne schriftliches Schuldeingeständnis unterzeichnet.

In zwei international umstrittenen Verfahren wurde er unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Öldiebstahls verurteilt. Regulär wäre seine mehrfach reduzierte Haftzeit im August 2014 zu Ende gewesen. Er kritisierte die Urteile erneut als Ergebnisse von politischer Willkürjustiz. Zu seiner Klage gegen Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sagte er, dass die Arbeit fortgesetzt werde. Zudem hatte der einst berühmteste politische Gefangene Russlands deutlich gemacht, dass er sich weiter einsetzen wolle dafür, dass auch andere inhaftierte frühere Yukos-Mitarbeiter wieder auf freien Fuß kommen.

Kein Dank an Putin

Auf die Frage, ob er dem russischen Präsidenten dankbar sei, sagte er nur: „Ich freue mich über seine Entscheidung.“ Chodorkowski äußerte sich in einem kleinen Kreis von Journalisten erstmals nach seiner Landung in Berlin in der Öffentlichkeit.

Zuvor hatte Chodorkowski in einem Interview mit der kremlkritischen Zeitschrift „The New Times“ erklärt, vorerst nicht nach Russland zurückzukehren. „Wenn ich zurückkehre, könnten sie mich ein zweites Mal schon nicht mehr rauslassen, weil es formell viele Gründe gibt, für die man mich festhalten kann“, sagte er. Er glaube, dass sich Putin mit der Begnadigung auch deshalb leichtgetan habe, weil er direkt nach Deutschland ausgereist sei.

Deutschlands Anteil an der Freilassung

Ausdrücklich danke Chodorkowski dem ehemaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihre Hilfe bei seiner Freilassung. Ohne den Einsatz Merkels und die „Anstrengungen“ Genschers wäre er nicht in Freiheit, sagte Chodorkowski am Sonntag in Gegenwart seiner Eltern bei einer Pressekonferenz in Berlin. Durch die Bemühungen Genschers sei „ein Punkt erreicht“ worden, durch den „die Yukos-Sache“ an ein Ende kommen könne.

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