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Händler und Ärzte festgenommen

Beinah war der Skandal um falsch deklariertes Pferdefleisch schon vergessen, dringen nun neue, schwerwiegende Verdachtsmomente an die Öffentlichkeit. In Frankreich soll Fleisch von Pferden, das von Pharmafirmen zur Herstellung von Medikamenten genutzt wurde, als Lebensmittel verkauft worden sein. Zurzeit sei nicht abzuschätzen, ob Verbraucher in Gefahr gebracht worden seien, teilte die Regierung mit.

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Ermittler starteten am Montag eine Großrazzia in elf Departements im Süden des Landes. Rund 100 Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten Unternehmen und nahmen 21 Verdächtige fest. Unter ihnen sei auch der mutmaßliche Drahtzieher des Betrugs, teilten die Ermittler mit.

Es soll sich um einen Händler aus der südfranzösischen Stadt Narbonne handeln. Auf ein konkretes Gesundheitsrisiko für Verbraucher gab es zunächst keine Hinweise. Es gehe diesmal nicht um als Rind deklariertes Pferdefleisch, betonte Verbraucherminister Benoit Hamon in Bezug auf den europaweiten Skandal um Pferdefleisch zu Beginn des Jahres.

„Pferde sind eine Fabrik für Antikörper“

In den mutmaßlichen neuen Skandal ist offenbar das französische Pharmaunternehmen Sanofi verstrickt - einige mit Medikamenten behandelte Tiere sollen Sanofi abgekauft worden sein. Das Unternehmen bestätigte, mit den Ermittlern zu kooperieren. Es sei nicht bekannt, wie lange der mutmaßliche Betrug mit dem Pferdefleisch schon im Gang ist.

Es könnte das Fleisch Hunderter mit Medikamenten behandelter Pferde in den Handel gelangt sein. Nach Konzernangaben verkaufte ein Tochterunternehmen, Sanofi Pasteur, innerhalb der vergangenen drei Jahre rund 200 Tiere an Händler weiter, die zuvor zur Herstellung von Antikörpern gegen Tollwut und Tetanus sowie von Gegengiften bei Schlangenbissen genutzt worden waren.

Ein Sanofi-Sprecher erklärte, die Tiere würden genutzt, um Antikörper für die Serumherstellung zu gewinnen. Die Pferde seien nicht für Tierversuche verwendet worden, betonte Sanofi. Dennoch dürften sie aus Vorsichtsmaßnahmen nicht in den Lebensmittelkreislauf gelangen und würden dementsprechend gekennzeichnet: „Die Pferde sind eine Fabrik für Antikörper“, sagte er. Die Tiere aus der Serumproduktion seien faktisch gesund, ihr Fleisch sei aber nicht für die menschliche Ernährung zugelassen.

„Tiere hätten nie auf dem Teller landen dürfen“

Offenbar auch in den Handel sollen den Angaben der Ermittler zufolge Pferde aus Reitställen gelangt sein. „Es gab das Pferd aus Privatbesitz in einem Reitstall, das (...) im Schlachthof endete, obwohl es mit Medikamenten behandelt worden und damit nicht mehr für den Konsum geeignet war“, sagte ein Ermittler. „Und es gab Pferde aus Laboren, denen entweder Blut für die Produktion von Impfstoffen entnommen wurde oder die Versuchstiere waren.“ Für den Verbraucher gebe es nicht automatisch ein Risiko. „Aber auf jeden Fall hätten die Tiere nie auf dem Teller landen dürfen.“

Offenbar Dokumente gefälscht

Die Ermittler gehen davon aus, dass die beteiligten Händler für den Betrug im großen Stil Veterinärdokumente fälschten. Die Pferde seien als Schlachttiere für die Fleischgewinnung deklariert worden. Unter den Festgenommenen befinden sich neben Händlern auch Tierärzte und Fleischproduzenten.

Die Ermittlungen wurden nach einem anonymen Hinweis an den Sender France 3 angestoßen. Ein Pferdehändler aus dem südfranzösischen Narbonne soll mindestens 200 Pferde weiterveräußert haben, die er Sanofi abgekauft hatte - ob es sich bei diesem um den festgenommenen, mutmaßlichen Drahtzieher handelt, blieb unklar.

Nach Angaben des französischen Verbraucherschutzministers Hamon liefen die Ermittlungen im Zuge der Marktbeobachtung nach dem Pferdefleischskandal Anfang dieses Jahres. Damals hatten Händler gefrorenes Pferdefleisch als Rindfleisch etikettiert und in den Handel gebracht. Gefunden wurde das Pferdefleisch durch DNA-Analysen in Fertigprodukten mit Faschiertem wie Burger und Lasagne. Im Visier der Ermittler stand damals die südfranzösische Firma Spanghero - das Unternehmen hatte Pferdefleisch unter falschen Angaben verkauft. In den Handel kam dieses über Tiefkühl- und Fertiggerichte in zahlreichen europäischen Ländern, darunter auch in Österreich.

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