Tausende Arbeitsplätze betroffen
Als ein Streitthema in den Koalitionsverhandlungen haben sich die von der ÖVP geforderten Privatisierungen herauskristallisiert. Die Arbeitnehmervertreter der teilstaatlichen Konzerne Post, Telekom Austria (TA) und OMV warnen vehement davor. Privatisierungen würden Tausende Arbeitsplätze vernichten und die Infrastruktur des Landes schwächen.
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ÖVP-Obmann Michael Spindelegger hatte Privatisierungen „zum richtigen Zeitpunkt“ mit Beibehaltung einer Sperrminorität von 25 Prozent als eine seiner Forderungen genannt. Dabei soll es sich aber um keinen „Ausverkauf“ handeln. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hatte präzisiert, dass die ÖVP dabei die Post, die TA und die OMV im Blick habe.
Die SPÖ lehnte Privatisierungen nicht grundsätzlich ab. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) meinte, das Thema sei eine „pragmatische Frage“. Es gehe nicht darum, dass man etwas „runterverkaufen“ wolle, sondern dort tätig werde, wo es Sinn ergibt. Ähnlich äußerten sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
„Geschenk an Milliardäre“
Die Belegschaftsvertreter Helmut Köstinger (Post), Walter Hotz (TA) und Martin Rossmann (OMV) fuhren am Dienstag allerdings schwere Geschütze auf. Bei der ÖVP-Forderung nach einem weiteren Verkauf von Staatsanteilen gehe es lediglich um die „Gewinnmaximierung“, anstatt nachhaltig die Postversorgung und den Breitbandausbau voranzutreiben. Profitieren würden davon nur ausländische Milliardäre, die sich günstig in den heimischen Leitbetrieben einkaufen könnten.
„Verschleuderung der Post“
Köstinger rechnete vor: Durch die Privatisierungen gingen bei der Post 7.000, bei der TA 5.000 und bei der OMV 3.000 Jobs verloren. Gleichzeitig sei der Erlös nur ein kurzfristiger Gewinn gewesen. So habe der Verkauf von 49 Prozent der Post 650 Millionen Euro ins Budget gespült, während dem Staat gleichzeitig 510 Millionen Euro an Dividende entgangen seien.
„Bereits ab dem nächsten Jahr wird die seinerzeitige Verschleuderung der Post an der Börse damit für den Steuerzahler ein Verlustgeschäft“, so Köstinger. Bedrohungsszenarien, wonach bei einer weiteren Privatisierung der Post AG die tägliche Briefzustellung gefährdet sei, relativierte Köstinger aber. Derzeit verhindere das Postmarktgesetz eine schlechtere Zustellung, aber Gesetze könnten nun einmal geändert werden, gab er zu bedenken.
Postchef Georg Pölzl hatte sich in der aktuellen Diskussion bisher zurückgehalten und stets betont, dass ein weiterer Privatisierungsschritt die Entscheidung des Eigentümervertreters, also der Regierung, wäre. Die bisherige Privatisierung von knapp der Hälfte der Post sei jedenfalls eine Erfolgsstory gewesen.
„Telekom-Verstaatlichung kostet eine Mrd. Euro“
Der Staat solle sich nicht aus seinen Leitbetrieben zurückziehen, sondern seine Position stärken, meinte TA-Gewerkschafter Hotz. Bei dem derzeit niedrigen Kurs der TA-Aktie würde eine vollständige Rückverstaatlichung rund eine Milliarde Euro kosten, rechnete er vor. Es müsse jedenfalls sichergestellt sein, dass der Staat bei einer möglichen Kapitalerhöhung mitziehe. „Der erste und größte Eigentümer muss der Staat bleiben“, so Hotz mit Verweis auf den 25-Prozent-Anteil der mexikanischen America Movil an der TA. Der Bund hält über die Staatsholding ÖIAG 28,42 Prozent.
Der Konzern hatte kürzlich um rund eine Milliarde Euro Funkfrequenzen erstanden, der Betrag soll aus dem laufenden Geschäft und einem Kredit beglichen werden. Eine Kapitalerhöhung stehe derzeit nicht an, hieß es bisher aus dem Unternehmen. Käme es trotzdem dazu, müsste der Staat mitziehen, da anderweitig sein Anteil verwässert würde.
„ÖIAG nicht Spielwiese der IV“
Auf Nachfrage betonten am Dienstag die Personalvertreter von Post, TA und OMV, dass sie mit den Koalitionsverhandlern in regelmäßigem Kontakt stünden, daher wolle man nun auch keine Kampfmaßnahmen in den Raum stellen. Die Personalvertreter forderten eine verfassungsrechtliche Verankerung des Staates als bestimmender Aktionär bei Post, TA und OMV - wie das beim Stromerzeuger Verbund der Fall ist. Dafür wird ein neues ÖIAG-Gesetz gefordert - das unter anderem verhindern soll, dass die Staatsholding eine „Spielwiese der Industriellenvereinigung (IV) bleibt“, so Köstinger.
ÖGB gegen „Experimente“
Der Österreichische Gewerkschaftbund (ÖGB) stellte sich hinter die Forderungen und forderte einen Privatisierungsstopp. Er warnte vor „volkswirtschaftlich nachteiligen Experimenten“ bei einem weiteren Anteilsverkauf und erinnerte an die Privatisierung der Austria Tabak: „Aus rein ideologischen Gründen wurde ein gutgehendes Unternehmen für einen einmaligen Verkaufserlös privatisiert. Die Einnahmen, die jährlich durch die Dividenden ins Budget geflossen sind, sind für immer weg“, so ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser.
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