Großer Aufwand, kaum Erfolg
Während der Arbeit Onlinegames zu spielen gilt üblicherweise als Kündigungsgrund. Für etliche Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA und des britischen GCHQ war es aber jahrelang Jobinhalt: Neue von Edward Snowden aufgedeckte Dokumente zeigen, dass auch Onlinespiele dem großen Lauschangriff ausgesetzt waren. Auch hier wurden enorme Datenmengen gesammelt. Gebracht hat der ganze Aufwand aber offenbar fast nichts.
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Das berichtete vergangene Woche der „Guardian“, der die Snowden-Dokumente auch der „New York Times“ und dem investigativen US-Nachrichtenportal ProPublica zur Verfügung stellte. Ab 2008 wurden demnach das Onlinerollenspiel „World Of Warcraft“, das Microsoft-Onlinenetzwerk XBox Live und die virtuelle Welt „Second Life“ bespitzelt.
„World of Warcraft“ und „Second Life“
„World of Warcraft“ ist eines der größten virtuellen Rollenspiele. Millionen Spieler ziehen hier als Gnome, Trolle, Orks oder Zwerge ins Feld. Das Spiel wird von einer kalifornischen Firma Blizzard Entertainment hergestellt. Ein Sprecher sagte dem „Guardian“, man wisse nichts von einer Überwachung. „Wenn das stattfand, war es ohne unser Wissen oder unsere Erlaubnis.“
Von „Second Life“ berichtete allerdings 2007 ein hochrangiger Mitarbeiter bei einem Treffen mit der NSA, wie das Spiel der Regierung Möglichkeiten gebe, Motivation und Verhalten von Ausländern zu beobachten.
Agent gegen Agent?
Danach waren in „Second Life“ so viele Agenten unterschiedlicher US-Geheimdienste unterwegs, dass eine gesonderte Koordinierungsstelle eingerichtet werden musste. Sie sollte verhindern, dass sich die Dienste gegenseitig in die Quere kommen oder sich gar gegenseitig bespitzeln. Dabei begann nach dem großen Hype 2007 eigentlich schon der Abstieg der virtuellen Welt.
Die Geheimdienste gingen offenbar davon aus, dass mögliche Terroristen über die Onlinespiele Nachrichten und Geld austauschten. Die Unterlagen gäben jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Überwachung der Spielewelten Informationen über Terrorgruppen zutage gefördert habe, schrieben die Medien.
Kleiner Kollateralerfolg
GCHQ meinte in einem Statement zu den Vorwürfen, alle ihre Operationen fänden im gesetzlichen Rahmen statt. Die NSA wollte die Berichte nicht kommentieren - und das wohl aus gutem Grund: Überwacht man Avatare in einem Onlinespiel, weiß man zunächst wenig über ihre Herkunft. Insofern wurden mit großer Wahrscheinlichkeit auch US-Bürger überwacht - und das ist rechtlich ein gröberes Problem. Auch deswegen hatte die NSA bisher immer betont, nur Ausländer überwacht zu haben.
Immerhin wurde bei der Bespitzelung zufällig eine Bande gesprengt, die gestohlene Kreditkarteninformationen via „Second Life“ verschoben. Onlinespiele zeichneten die Aktivitäten ihrer Nutzer auf, sagte Peter Singer vom Thinktank Brookings Institution zu ProPublica. Daher eigneten sie sich nicht zum heimlichen Austausch in Terrorgruppen.
Hochtrabende Pläne
Die US-Geheimdienste sahen das anders: Ein NSA-Dokument von 2008 beschrieb Onlinegames als „Chance“. Die Spielercommunitys seien Kommunikationsnetzwerke, in denen sich viele potenzielle Zielpersonen tummelten. Demnach erwartete man sich bei einer gründlichen Auswertung jede Menge brauchbarer Informationen in den Protokollen von Gamechats und anderer Onlinekommunikation bis hin zur Identifikationen von Informanten und sogar potenziellen Terroristen. Doch tatsächliche Beweise, dass in Onlinegames konspirative Zellen ihr Unwesen treiben, hatte man keine.
Böse Computerspiele?
Angesichts dessen wurden bald andere Argumentationen für das Bespitzeln von Games aus dem Hut gezaubert. So beklagte die NSA in einem Dokument, dass Computerspiele „Vorurteile und kulturelle Stereotypen“ verstärken würden. So hätte die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah ein Spiel namens „Special Forces 2“ produziert, um damit Kämpfer anzuwerben und zu trainieren.
Der Preis von zehn Dollar würde zudem terroristischen Projekten zugutekommen. Doch selbst die NSA musste in dem Dokument eingestehen, dass die Hisbollah nicht ganz alleine auf eine solche Idee gekommen ist: Auch die US-Armee hatte ein solches Spiel auf den Markt gebracht, das auf der Rekrutierungswebsite gratis downloadbar war.
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