Anstieg von über 50 Prozent
Die Menschen in 23 OECD-Ländern schlucken mehr und mehr Tabletten gegen chronische Erkrankungen. Im Schnitt stieg der Konsum etwa von Antidepressiva zwischen 2000 und 2011 von 35 auf 56 tägliche Dosen pro 1.000 Einwohner, heißt es in dem am Donnerstag von der OECD in Paris veröffentlichten Bericht „Health at Glance“ („Gesundheit auf einen Blick“) 2013. Ein Anstieg von mehr als über 50 Prozent also.
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Am meisten wird in Island geschluckt, wo mehr als jeder zehnte Einwohner Antidepressiva verabreicht bekommt. So wurden etwa 2008 30 Prozent der Frauen ab 65 in dem Inselstaat Antidepressiva verschrieben, wie die OECD für ihren Bericht als Beispiel nannte. Im Vergleich erhielten nur 15 Prozent der gleichen Altersgruppe in Norwegen Verschreibungen für Antidepressiva.
In keinem Land rückläufig
Auf den nächsten Plätzen folgen Australien, Kanada, Dänemark und Schweden. In keinem der von der OECD untersuchten Länder ging der Verbrauch in den vergangenen Jahren zurück. Österreich gehört nicht zu den für diesen Teil der OECD-Studie untersuchten Ländern. Im Nachbarland Deutschland verdoppelte sich unterdessen der Konsum ärztlich verordneter Antidepressiva in elf Jahren, er liegt aber mit 50 Tagesdosen pro 1.000 Einwohner unter dem Schnitt.
Die Richtlinien für die pharmazeutische Behandlung von Depressionen variieren allerdings in den untersuchten Ländern. Auch die Verschreibungspraxis von praktischen Ärzten und Psychiatern sind laut OECD in den verschiedenen Ländern unterschiedlich.
Akzeptanz gestiegen
Trotzdem lässt sich ein Trend zur zunehmenden Verschreibung quer durch die untersuchten Länder festmachen. Die OECD nennt dafür die größere Intensität und die längere Dauer der Behandlung als einen der Gründe. Doch auch die gesellschaftliche Akzeptanz für die psychische Erkrankung und die damit einhergehende Bereitschaft, auch bei kürzeren depressiven Episoden ärztliche Hilfe zu suchen, sind gestiegen.
Die OECD führt den zunehmenden Verbrauch etwa in Großbritannien auf die Auswirkungen der Finanzkrise, wie etwa durch die Unsicherheit geschürte Zukunfts- und Existenzängste, zurück. Es habe zwar schon vor der Krise 2008 einen Anstieg gegeben. „Aber der Konsum ist seitdem weiter schnell angewachsen“, heißt es in einer Mitteilung der OECD.
Warum Anstieg in Deutschland?
In Spanien ist das Phänomen ähnlich. Zwischen 2007 und 2011 nahm die Verschreibung von Antidepressiva um 23 Prozent zu. Der Anstieg war allerdings etwas geringer als in der vorangegangenen Vierjahresperiode von 2003 bis 2007 mit 28 Prozent. Auch in dem Krisenland Portugal stieg der Verbrauch von Antidepressiva zwischen 2007 und 2011 um ein Fünftel.
Antidepressiva wurden allerdings auch in Ländern, die nicht so stark von der Krise betroffen waren und sich daher auch rascher erholten, vermehrt verschrieben. So nahm der Verbrauch zwischen 2007 und 2011 in Deutschland um 46 Prozent zu, wie es in dem OECD-Bericht heißt. Eine Erklärung dafür blieb die OECD allerdings schuldig.
Besorgnis über Ausdehnung
Antidepressiva würden häufiger bereits bei milderen Formen von Erkrankungen, etwa Angstzuständen oder Sozialphobien, verordnet, die Therapien fielen allgemein intensiver aus. „Diese Ausdehnung hat zur Besorgnis darüber geführt, ob die Verschreibungen angebracht sind“, heißt es in dem Bericht kritisch.
Ähnlich wie bei den Antidepressiva verhält es sich offenbar bei der wachsenden Verschreibung etwa bei Medikamenten gegen erhöhten Blutzucker. Der in der Periode der Untersuchung festgestellte hohe Anstieg wird von der OECD mit dem zunehmenden Übergewicht erklärt.
Die Lebenserwartung in den OECD-Ländern ist indes in den vergangenen 40 Jahren deutlich gestiegen - sie liegt jetzt fast flächendeckend bei mehr als 80 Jahren. Wer bereits 65 Jahre alt geworden ist, kann im OECD-Durchschnitt als Frau sogar durchschnittlich noch auf weitere 20,9 Lebensjahre hoffen, als Mann auf 17,6 Jahre.
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