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Museum in Lenins Geburtsstadt

Die Sehnsucht vieler Russen nach der Sowjetunion ist auch gut 20 Jahre nach dem Zerfall des kommunistischen Imperiums fast mit den Händen greifbar. Wohl auch deshalb planen nun Funktionäre an der Wolga in Uljanowsk, dem Geburtsort des russischen Revolutionsführers Lenin (1870-1924) - rund 900 Kilometer südöstlich von Moskau -, ein „Museum der Sowjetunion“ von gigantischen Ausmaßen.

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Eigentlich handelt es sich um einen ganzen Komplex einzelner Museen, um Geschäfte mit sozialistischem Einheitsdesign und um einen Park der Völkerfreundschaft - so eine Art Sowjetunion en miniature auf einer Fläche so groß wie knapp 170 Fußballfelder.

Uljanowsk trägt bis heute den Namen der großen Sohnes der Stadt: Wladimir Iljitsch Lenin, geboren 1870 als Spross der Familie Uljanow, der 1917 die Große Sozialistische Oktoberrevolution führte. 1922 gründete er die Sowjetunion - und den 100. Jahrestag des historischen Ereignisses hat die Stadt auch als Zielmarke für das 60 Milliarden Rubel (1,38 Mrd. Euro) schwere Vorhaben im Blick.

Entwurf bereits fertig

Der Entwurf für das 120 Hektar große Areal liege der russischen Regierung vor, sagte der städtische Projektleiter Sergej Lakowski der Deutschen Presse-Agentur. Die Kosten tragen sollen je zur Hälfte der russische Staat und Investoren. Zwar räumt Lakowski ein, dass insbesondere angesichts einer bisher fehlenden Aufarbeitung der wechselreichen Sowjetgeschichte noch eine historisch-ideologische Linie fehle für das Museum. Aber die Arbeit beginne ja erst.

Der Historiker Arseni Roginski von der Organisation Memorial mahnte, dass es neben der „großen Geschichte auch Schande“ gebe. Auch andere Experten warnen davor, nur Erfolge wie von Juri Gagarin, dem ersten Menschen im Weltall, oder den Sieg über Hitler-Deutschland herauszustellen. Vorkommen müssten auch die vielen Schattenseiten - von der Mangelwirtschaft bis hin zum roten Terror von Diktator Josef Stalin mit den Millionen Toten.

Doch die Debatte über das Museum kommt in Russland gerade erst in Gang. In Kürze soll sich Kulturminister Wladimir Medinski in Uljanowsk ein Bild machen von der Lage. Immerhin gelten dort schon jetzt zahlreiche Gedenkstätten als Pilgerort für Touristen: ein großes Lenin-Memorial mit Museum und das frühere Wohnhaus der Uljanows, das vor allem auch bei Gästen aus China beliebt ist.

Renaissance für Sowjet-Symbolik

Die Museumsidee liege völlig auf Kreml-Linie, meint das regierungskritische Magazin „The New Times“. Sowjetische Symbole wie rote Sterne oder Hammer und Sichel erleben eine Renaissance in Russland. Es war Präsident Wladimir Putin, der den Zusammenbruch des Imperiums einst als größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts bezeichnete. Und es war Putin, der die Melodie der sowjetischen Nationalhymne wieder einführte - wenn auch mit neuem Text.

Geplant sind nach Angaben der Initiatoren einzelne Museen etwa zur politischen und wirtschaftlichen Geschichte der UdSSR, zur Sowjetarmee und zu Mode und Design. „Das ist in vieler Hinsicht ein neuer Ansatz, den es so noch nicht gegeben hat in unserem Land“, sagte der stellvertretende Direktor des Instituts Russischer Geschichte an der Akademie der Wissenschaften, Sergej Schurawljow, bei einer Präsentation in Moskau. Hier gehe es nicht nur um Geschichte, sondern auch um ein Geschäftsmodell.

Hoffnung auf Tourismus in strukturschwacher Region

Uljanowsk hofft darauf, mit dem „Museum der Sowjetunion“ den Tourismus in der strukturschwachen Region anzukurbeln. Das Ziel: die Zahlen von 200.000 auf dann mehr als eine Million Besucher im Jahr zu steigern. Aber die Reaktionen in Russland auf das Vorhaben sind gespalten.

In Internetforen - auch auf der Seite des Museumskomplexes - geben viele Bürger zu bedenken, dass für viele Russen der Alltag abseits der Glitzermetropole Moskau oft noch sowjetisch geprägt sei. Lenin liegt auch fast 90 Jahre nach seinem Tod weiter im Mausoleum auf dem Roten Platz - ein Zeichen für viele Russen, dass das Land mit seiner Geschichte immer noch nicht im Reinen ist.

Ulf Mauder, dpa

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