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„Umverteilung zu größeren Vermögen“

Welche Auswirkungen hat die Senkung des EZB-Leitzinses auf den historischen Tiefstand von 0,25 Prozent? Für den Chefanalysten der Raiffeisen Bank International (RBI), Peter Brezinschek, gibt es keine eindeutige Antwort. Er sieht jedoch vor allem einen Überraschungseffekt - und eine Art „Vermögenssteuer“ zulasten der Sparer.

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Die Europäische Zentralbank (EZB) sei unzufrieden gewesen mit dem stark gestiegenen Euro und habe so den Kurs drücken wollen, so Brezinschek im Ö1-Morgenjournal. Aber auch für ihn ist es zweifelhaft, ob die Zinssenkung zu einer Erleichterung auf der Kreditseite führen wird. Denn dafür seien andere Faktoren ausschlaggebend wie die verschlechterte Bonität vieler südeuropäischer Firmen und die verschärften Kreditvorschriften für die dortigen Banken.

Indirekt ortet der Analyst eine „Umverteilung“ von den kleineren Vermögen zu den größeren, „die in höherwertigen und riskanteren Anlagen tätig sind“. Den Vorwurf, dass es damit eher zu einem Auftrieb der Finanzmarktpreise als zu einer Belebung der Realwirtschaft komme, könne man auf dem Kapitalmarkt nachvollziehen - mehr dazu in oe1.ORF.at.

„Sparer zahlen den Preis“

Grundsätzlich ist für Brezinschek klar, dass eine Zinspolitik, die unter der Inflationsrate liegt, den verschuldeten Staaten, Unternehmen oder auch Privatpersonen entgegenkommen soll. „Den Preis dafür zahlen die Sparer. Das ist wie eine sehr effektive Vermögenssteuer“, so Brezinschek. Damit werde den Verschuldeten Zeit verschafft, bis ihnen ein Konjunkturaufschwung die Schuldenrückzahlung erleichtert.

Altersvorsorge wird „bestraft“

Besonders heftige Kritik kommt aus Deutschland. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) warnte am Donnerstag vor großen Risiken durch die Geldpolitik der Zentralbank. Durch sie wachse die Gefahr von spekulativen Preisblasen. Damit sinke die „Hoffnung auf eine vernünftige Altersvorsorge“, bekräftige der Vorstand des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ (Freitag-Ausgabe). Auf diese Weise würden diejenigen bestraft, die für das Alter etwas ansparen wollten.

Auch bei Politikern von Union und SPD stieß die Geldpolitik der EZB auf Ablehnung. Die Zinsentscheidung sei zwar vor dem Hintergrund einer niedrigen Inflation zu sehen, sagte CDU-Fraktionsvize Michael Meister der „Berliner Zeitung“. Allerdings sei schon jetzt zu viel Liquidität auf den Kapitalmärkten. „Die Gefahr von Vermögenspreisblasen existiert und wird durch diese Entscheidung nicht geringer“, so Meister. Applaus kam dagegen aus Italien: Regierungschef Enrico Letta nannte den Beschluss der Währungshüter „großartig“. Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici sprach von einer Stütze für die Konjunkturerholung in der Euro-Zone.

Auch EZB-intern umstritten

Auch EZB-intern war die Entscheidung nicht unumstritten. „Ich würde die Diskussion so charakterisieren, dass es Einigkeit darüber gab, dass wir handeln müssen. Aber es gab Uneinigkeit darüber, wann wir aktiv werden sollen", sagte EZB-Chef Mario Draghi bei der Pressekonferenz am Donnerstag.

Der EZB-Rat hatte am Donnerstag überraschend den Leitzins für die 17 Staaten der Währungsgemeinschaft auf 0,25 Prozent herabgesetzt. Die Währungshüter begründeten ihre Entscheidung mit der extrem niedrigen Inflation. Die EZB will mit niedrigen Zinsen der kriselnden Wirtschaft in der Euro-Zone neuen Schub geben. Für viele Volkswirte ist damit der Boden erreicht, doch Draghi sieht noch Handlungsmöglichkeiten. „Wir haben noch eine ganze Reihe von Instrumenten, die wir einsetzen können.“

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