Heimische Filme führen Bechdel-Liste an
In puncto Gleichstellung von Frauen zählt Schweden, neben den anderen skandinavischen Ländern, seit Jahren zu den Spitzenreitern. So verwundert es nicht, dass nun ausgerechnet in Schweden ein neues Filmrating präsentiert wurde, in dem Kinobetreiber künftig Filme auch nach feministischen Kriterien bewerten und Empfehlungen abgeben.
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Statt also nur auszuweisen, ob ein Film nackte Haut, Sexszenen, Gewalt oder derbe Schimpfwörter enthält, werden die Produktionen auch nach dem amerikanischen Bechdel-Test bewertet. Das Rating soll ausweisen, ob Frauen nur als optischer Aufputz dienen und ob realistische Rollenbilder vermittelt werden. Die Kriterien dafür sind alles andere als kompliziert: Um den Test zu bestehen, müssen in einem Film mindestens zwei Frauen vorkommen, deren Namen genannt werden, die miteinander sprechen und sich dabei nicht über einen Mann unterhalten.

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In den originalen „Star Wars“-Filmen kommen nur drei namentlich genannte Frauen vor. In keiner einzigen Szene sprechen sie miteinander.
Laut Ellen Tejle, Leiterin eines Stockholmer Arthouse-Kinos, hätten damit die gesamte „Herr der Ringe“-Trilogie, sämtliche „Star Wars“-Filme und fast alle „Harry Potter“-Teile den Test nicht bestanden. Aber auch „Avatar“, „The Social Network“ und „Pulp Fiction“ hätten aus diesem Grund das „A“-Rating nicht erhalten. Das sage nichts über die Qualität des Films aus: Es komme durchaus vor, dass ein handlungsarmer Actionfilm mit dummen Dialogen ein „A“-Rating erhalte, ein intellektueller Film mit großartiger Handlung dafür durchfalle. „Das Ziel ist, mehr weibliche Geschichten und Perspektiven auf die Leinwand zu bringen“, so Tejle.
Kriterien von Comicfigur entlehnt
Der Bechdel-Test, den Medien als den Standard bezeichnen, „nach dem feministische Kritiker Fernsehproduktionen, Kinofilme, Bücher und andere Medien beurteilen“, hat in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung gewonnen. Er geht zurück auf einen Comic von Alison Bechdel mit dem Titel „Dykes to Watch Out For“ („Lesben, vor denen man sich in Acht nehmen muss“), in dem einer der Charaktere nur Filme nach diesen Kriterien anschaut.

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In der „Herr der Ringe“-Trilogie gibt es zwar ein paar starke Frauenfiguren, doch in über zehn Stunden Filmdauer kommt es zu keinem Dialog
Studien zum selben Thema unterstützen den Eindruck, dass Frauen noch immer unterrepräsentiert sind - und dass sich diesbezüglich in den letzten 60 Jahren nur sehr wenig geändert hat. Eine 2011 erstellte Studie des Instituts für Frauenfilmforschung in San Diego zeigt, dass in den Top-100-Produktionen eines Jahres nur 33 Prozent der Filmcharaktere weiblich sind und nur elf Prozent der Hauptrollen. Eine andere Studie des Annenberg Public Policy Centers in Pennsylvania belegt wiederum, dass weibliche Charaktere dafür doppelt so häufig in expliziten Sexszenen zu sehen sind, Männer hingegen in Actionszenen.
„Hollywood denkt offenbar, dass Filme mit männlichen Protagonisten sich besser verkaufen lassen“, so Amy Bleakley, Autorin der Studie. „Es sind auch alle anderen Teile des Filmgeschäfts männlich dominiert - vom Drehbuch über die Regie bis zur Produktion. So ist es kein Wunder, dass die Geschichten, die wir sehen, sich um Männer drehen.“
Schwedisches Beispiel soll Schule machen
2010 war Kathryn Bigelow die erste Frau, die mit einem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet wurde. Ihr Film „The Hurt Locker“ - ein Actiondrama über ein Bombenentschärfungsteam im Irak - besteht den Bechdel-Test aber nicht. Das Vorbild Schwedens, wo auch das staatliche Filminstitut die Initiative unterstützt und ein Fernsehsender „Bechdel Test“-Schwerpunkttage hat, soll nun Schule machen. Eine britische Twitter-Initiative etwa wünscht sich die Einführung einer Bechdel-Kategorie für die Streamingdienste im Internet. Die Filmredakteurin Rebecca Nicholson vom „Guardian“ wünscht sich zum Beispiel die Anwendung des Bechdel-Tests auch für Serien. „Breaking Bad“ etwa sei so ein Fall: Eine „großartige Serie“, deren einziges Manko sei, dass Frauen nur als „handlungsermöglichende Satelliten“ für die männlichen Protagonisten eingesetzt würden.
Auf der Internetplattform Bechdeltest.com können User schon seit einigen Jahren selbst Filme nach dem Bechdel-Test bewerten. Neben den einzelnen Filmratings weist die Plattform die Ergebnisse auch in mehreren Statistiken aus. Demnach ist die Zahl der Filme, die den Test positiv bestanden haben, in den letzten Jahren gestiegen. Auch nach Produktionsländern werden die Filme geordnet. Österreich liegt demnach auf dem ersten Platz - am positiven Ende der Skala. Mit weniger als 20 Prozent durchgefallenen Filmen kommen die heimischen Produktionen weitaus besser weg als der weltweite Durchschnitt: Insgesamt sind es knapp über 40 Prozent.
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