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Gescheiterter Putsch vor 90 Jahren

1933 sind Adolf Hitler und die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht gekommen. Doch schon zehn Jahre zuvor wollte Hitler von München aus die republikanischen Kräfte ausschalten. Sein geplanter „Marsch nach Berlin“ endete allerdings schon an der Münchner Feldherrnhalle.

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Nein, einen ausgefeilten Plan hatte Hitler nicht, als er mit seinen Getreuen am 8. November 1923 den Bürgerbräukeller in München stürmte und die „Nationale Revolution“ ausrief. Die bayerische Regierung und auch die Reichsregierung erklärte er für abgesetzt. Sein Marsch endete tags darauf allerdings an der Münchner Feldherrnhalle im Kugelhagel der Polizei. Bayerische republikfeindliche Kräfte, denen Hitler die Unterstützung abgepresst hatte, widerriefen ihre Zusage.

Mehrere Tote bei Schießerei

Der Umsturzversuch - der sich nun zum 90. Mal jährt - sei völlig unzureichend vorbereitet gewesen, schrieb der Historiker Hans Mommsen einmal in einem Essay. Aber Hitler stand unter Zugzwang. In Bayern hatten längst rechte Kräfte das Ruder übernommen. Seit September 1923 regierte ein Triumvirat: Gustav Ritter von Kahr war „Generalstaatskommissar“, Hans Ritter von Seißer war Chef der Landespolizei, Otto von Lossow bayerischer Kommandant der Reichswehr. Diese Kräfte im Freistaat suchten offen die Konfrontation mit der Weimarer Republik. Würden sie ihre nationalistischen Ziele durchsetzen können, ohne dass Hitler und die NSDAP daran beteiligt waren?

Das konnte er nicht zulassen. Schließlich hatte er den Mund in den Jahren zuvor sehr voll genommen. Er habe mit einer gewaltsamen und brutalen Sprache agitiert, sagt der Chef des Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), Andreas Wirsching. Hitler musste also seine eigenen Anhänger davon überzeugen, dass er nicht nur reden, sondern auch handeln konnte.

Nur wenige Tage hatte er zur Vorbereitung. Im Bürgerbräukeller sprengte er schließlich ein Treffen prominenter Nationalisten. Die Unterstützung, die sie Hitler zusagten, widerriefen sie allerdings Stunden später wieder. Gegen Mittag am 9. November gerieten die Aufständischen und die Polizei aneinander. Bei der Schießerei wurden 16 Putschisten und vier Polizisten getötet. Hitler war gescheitert - vorerst. Zehn Jahre später - 1933 - brauchte es keinen Putsch, um die Macht in Deutschland zu erlangen.

Zur Mindeststrafe verurteilt

Denn genau diese Lehre habe Hitler aus den Ereignissen des Jahres 1923 gezogen, sagt Wirsching: „Mit frontaler Gewalt geht es nicht. Erfolgversprechender ist es, ins System zu gehen, um mit pseudolegalen Mitteln an die Macht kommen.“

Nach dem Putschversuch kam Hitler zwar in Haft, und es wurde ihm ein Prozess gemacht, doch vor Gericht gelang es ihm, sich zu inszenieren. „Ich fühle mich nicht als Hochverräter, sondern als Deutscher, der das Beste wollte für sein Volk“, sagte er. Nicht wenige Justizvertreter dachten wohl genauso - nämlich, dass Hitler aus Vaterlandstreue handelte. Wirsching betont: „Das war die Verblendung der Justiz und führte zu einem Strafmaß, das, wenn man es zugespitzt sagt, ein Witz war.“

Hitler wurde im April 1924 zur Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Dass er laut Republikschutzgesetz als gebürtiger Österreicher nach Verbüßung seiner Strafe eigentlich ausgewiesen werden musste, verwarf das Gericht mit der Begründung, er fühle sich als Deutscher und habe im Ersten Weltkrieg im deutschen Heer gedient.

Von Nazis zur „heldenhaften Tragödie“ umgedeutet

Die NSDAP wurde zwar verboten, aber bereits 1925 wieder neu gegründet. Bereits Ende 1924 wurde Hitler wegen guter Führung aus der Festung Landsberg am Lech entlassen. Im Gepäck hatte er den ersten Band seiner Programmschrift „Mein Kampf“. Die Ereignisse vom 8. und 9. November wurden in der nationalsozialistischen Propaganda umgedeutet in eine „heldenhafte Tragödie“, wie es Wirsching formuliert. Die getöteten Putschisten seien zu „Märtyrern“ der Bewegung stilisiert worden.

Kathrin Zeilmann, dpa

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