Snowden-Aussage in Deutschland möglich
In der Spähaffäre um den US-Geheimdienst NSA hat die Regierung in Washington Gesandten der deutschen Regierung laut einem Zeitungsbericht baldige verbindliche Absprachen zugesichert. „Bis Weihnachten soll das Antispionageabkommen in seinen Grundzügen stehen“, zitierte die „Rheinische Post“ aus Düsseldorf (Samstag-Ausgabe) ranghohe Regierungskreise nach Gesprächen von deutschen Spitzenbeamten in Washington.
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Die US-Seite habe eingesehen, nach den Irritationen über die Abhörpraktiken nun bald etwas „liefern“ zu müssen, hieß es weiter. In den vergangenen Tagen hatten unter anderen der außenpolitische Berater im deutschen Bundeskanzleramt, Christoph Heusgen, und Geheimdienstkoordinator Günter Heiß Gespräche in Washington geführt.
Die Verärgerung über die stückchenweise Aufklärung der US-Regierung über die berichtete US-Spionage ist in Deutschland parteiübergreifend sehr groß. Im Raum steht, dass auch Merkels Handy im großen Stil abgehört wurde. Weltweit sollen US-Sicherheitsbehörden Mitglieder von Regierungen, Unternehmen sowie Privatleute ausgespäht haben.
Merkel soll persönlich eingreifen
Die Chefin der deutschen Grünen, Simone Peter, forderte die Kanzlerin Angela Merkel auf, die Dinge umgehend persönlich in Washington zu klären. „Ein No-Spy-Abkommen reicht nicht. Angela Merkel muss unverzüglich bei einem Treffen mit (Präsident, Anm.) Barack Obama in Washington dafür sorgen, dass die US-Schnüffelei in ihre Schranken gewiesen wird“, sagte Peter der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) laut Vorausbericht.
Bis die Einzelheiten geklärt seien, sollten alle Datenabfragen - von den Fluggastdaten über SWIFT (Banktransaktionen) bis zu den Gesprächen über ein Freihandelsabkommen mit der EU - auf Eis gelegt werden, forderte die Grünen-Politikerin.
Asyl für Snowden?
Unterdessen sprach sich der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger, dafür aus, dass der Enthüller der NSA-Affäre, der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, in Deutschland geschützt wird. „Ich bin sehr dafür, dass Snowden bei uns Asyl bekommt und aussagen kann“, sagte Riexinger der „Mitteldeutschen Zeitung“.
Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele hatte zuvor mit seinem Blitzbesuch bei Snowden in Moskau für Furore gesorgt und die deutsche Regierung unter Zugzwang gebracht. Denn Ströbele zufolge ist Snowden bereit, in Deutschland über die Aktivitäten der US-Geheimdienste auszusagen, wenn ihm freies Geleit und ein anschließendes Aufenthaltsrecht zugesagt werden.
Verlust des Flüchtlingsstatus bei Ausreise
Snowdens Asyl in Russland läuft im Sommer 2014 aus. Sein russischer Anwalt Anatoli Kutscherena betonte, Snowden könne nicht aus seinem Asylland ausreisen, ohne seinen Flüchtlingsstatus zu verlieren. „Falls irgendein Land Fragen an Snowden hat, kann es ihm diese schicken, und er wird dann darüber entscheiden“, sagte Kutscherena russischen Agenturen zufolge.
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte: „Wir werden Möglichkeiten finden, wenn Herr Snowden bereit ist, mit deutschen Stellen zu sprechen.“ Wenn dieser Informationen liefern wolle, „dann nehmen wir das gerne auf“. Friedrich betonte: „Wir sind dankbar, wenn irgendwas kommt - egal, ob durch Herrn Ströbele, Briefe oder sonst was.“
Putin-Sprecher: Snowden kann jederzeit ausreisen
Unterdessen hätte Russland keinerlei Einwände gegen eine Ausreise Snowdens nach Deutschland. „Er ist frei, seine Koffer zu packen und hinzufliegen, wohin er will“, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Wenn Snowden dann zurückkehren wolle, müsse er allerdings erneut Asyl beantragen. „Er kann nur einmal ausreisen“, sagte Peskow.
Auch eine Befragung Snowdens in Russland durch deutsche Gesandte sei jederzeit möglich, erklärte der Kreml-Sprecher. Sein befristeter Flüchtlingsstatus „sieht keinerlei Einschränkungen vor“, so könne er „mit jedem“ sprechen und sich auch innerhalb Russlands frei bewegen. Als Russland Snowden im August für ein Jahr Asyl gewährte, machte Putin zur Bedingung, dass er den USA nicht schade. Diese Bedingung bleibe bestehen, sagte Präsidentensprecher Peskow. „Niemand wird ihm gestatten, das russische Territorium zu nutzen, um US-Interessen zu schaden.“
„Komplexe rechtliche Fragen“
Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, eine Vernehmung Snowdens sei entweder Sache der Bundesanwaltschaft oder eines Untersuchungsausschusses des Parlaments, nicht aber der Regierung. Im Übrigen gebe es keine Veranlassung, sich mit der Frage eines Asyls für Snowden in Deutschland zu befassen. Sollte er in Deutschland aussagen wollen und deshalb um Schutz bitten, wären komplexe rechtliche Fragen zu klären.
Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums erläuterte, für einen Asylantrag müsse Snowden nach Deutschland kommen. Einer Vernehmung in Russland stehe aber nichts entgegen. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages will sich in der nächsten Woche in einer Sondersitzung mit dem Fall befassen.
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