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Loge Ben Nemsi Effendi

Bei Richard Wagners „Ring“ ist der Grat zwischen beglückender Neuinterpretation des überbordenden Stoffes und dem berühmten Griff daneben so schmal wie breit zugleich. Am Ende ist es immer das Publikum, das Güte und damit die Haltbarkeit einer Inszenierung verbürgt und nicht erhoffte Deutungshoheit der ersten Kritiken.

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Für Linz und das neue Musiktheater war der Auftakt zum „Ring“, den man hier unter der musikalischen Leitung von Dennis Russell Davies und der Regie des Kölners Uwe Eric Laufenberg am Samstag erleben durfte, letztlich so etwas wie die nochmalige, ja fast eigentliche Einweihung und Feuertaufe. Denn die Möglichkeiten dieses neuen Hauses, vor allem seine beglückende Akustik, sollten gerade bei Wagners „Ring“ und dem ersten Kontra-Es zu Beginn des „Rheingolds“ an diesem Abend voll zum Tragen kommen.

Dass das Bruckner Orchester sein Potenzial bei Wagner über satte zweieinhalb Stunden voll ausleben würde, wurde rasch klar. Das bekannte Wagner-Problem, die Sängerinnen und Sänger durch diesen Klangkörper hindurchzuschicken, wurde freilich auch wieder evident.

Karen Robertson als Fricka in "Der Ring des Nibelungen - Vorabend: das Rheingold"

APA/Karl Forster

Fricka (Karen Roberston) und der Blick auf das künftige Heim: Es wird teuer erkauft sein

Eine guckkastenartige Bühne in der Bühne sollte abwechslungsreiche Szenenwechsel von den Niederungen des Rheins nach Walhall und Nibelheim ermöglichen - aus dieser Anordnung musste erst einmal herausgespielt, vor allem aber -gesungen werden.

Rheingold und Schaffell

Die Rheintöchter verfranzten sich zu Anfang beinah in einem Kammerspiel mit Alberich, dessen Drama in dieser Inszenierung die von der Rheintochter aufgeknöpfte Hose in Gang setzte. Als Alberich die bekannte Wahl für Macht statt Liebe trifft (die ja eigentlich keine Wahl, sondern das Schicksal des zurückgewiesenen Verzweifelten ist) war man gespannt, wie denn die darauf folgende Welt Wotans aussehen würde.

Dieser knotzte im Bühnenbild von Gisbert Jäkel mit seiner Frau Fricka zunächst auf Schaffellen in einem Wüstenzelt. Walhall und seine Welt schienen sehr fern in einer Szenerie, die einer Mischung aus „Tausendundeiner Nacht“ und afghanischer Stammeswelt entlehnt schien.

Möchte man grob vereinfachen, dann könnte man den Auftakt zum „Ring des Nibelungen“ auf die Grundfabel eines Betrugs beim Hausbau bringen: Wo ein normaler Bausparvertrag zur Finanzierung nicht ausreicht, greift man auf unermesslichere Quellen und Stärken zurück. Im Fall von Wotan sind das die Riesen Fafner und Fasolt, die sich nach getaner Arbeit auf den versprochenen Preis, den Besitz von Frickas Schwester Freia, berufen.

Sonja Gornik als Freia und Dominik Nekel als Fasolt in "Der Ring des Nibelungen - Vorabend: das Rheingold"

APA/Karl Forster

Freia (Sonja Gornik) und der tote Fasolt (Dominik Nekel): Der Ring macht nicht glücklich.

Wagners doppelte Skepsis

Dem zahlungsunwilligen Wotan wird von seinem listigen Berater Loge ein Ausweg gewiesen: Die Gier der Riesen nach dem Nibelungen-Schatz zu richten, um Freia mit dieser Kompensation auslösen zu können. Letztlich würde damit ein Vertragsbruch mit einem anderen Übergriff, dem durch Alberich geraubten Rheingold, ausgeglichen. Dass daraus weder Gerechtigkeit noch Gesetz entstehen kann, ist Grundthema Wagners, der mit seinem mythischen Spiel sowohl die Begründung einer Kultur mit zu vielen Sollbruchstellen in Frage stellt als auch die Konsequenzen des Rückfalls in einen Naturzustand vor Auge führt.

Michael Bedjai als Loge und Oskar Hillebrand als Alberich in "Der Ring des Nibelungen - Vorabend: das Rheingold"

APA/Karl Forster

Michael Bedjai als Loge und Oskar Hillebrandt als Alberich zählen zu den Stärksten auf der Bühne an diesem Abend

Dreh- und Angelpunkt seines Spiels vom Weg in den Abgrund ist weniger der Nibelung Alberich als Wotans Verbündeter Loge, der in dieser Inszenierung bis zum Ende die meisten Konturen erhält, so dass man ihn fast schon für eine Art demiurgischen Mephistopheles in diesem Spiel halten muss, der auf der Schulter des Komponisten sitzt. Der Preis dieser Aufwertung ist die Verkleinerung von Wotan. Der ambivalente Gott, er wird gerade an diesem Abend zu einem Herumirrenden und verdeutlicht, dass die Figurenführung nicht gerade die Stärke dieser Inszenierung ist.

Das Ur-Deutsche und „Tausendundeine Nacht“

Wenn am Ende Walhall hinter dem Wüstenzelt ersteht, dann steht die Gewissheit, dass die Dämmerung der Götter nahen muss - auch wenn alles in gleißendes Licht getaucht ist.

Applaus am Ende der Aufführung

ORF.at/Gerald Heidegger

Erda und die Rheintöchter bedanken sich zum Schlussapplaus - hinter dem Zelt steht Walhall

Dass die ur-deutschen Helden Wagners in dieser wogend-wallenden Alliterationssprache ausgerechnet in romantischen Kostümen aus „Tausendundeiner Nacht“ auftauchen, mag man als Witz der Inszenierung sehen, ja sogar Hilfsmittel, über das Moment der Entfremdung sehr deutlich auf Plot und Verstrickungen zu blicken.

Hinweis

„Das Rheingold“ ist im Linzer Musiktheater am 31. Oktober, am 12. und 20. November, am 1. und 25. Dezember, am 17. Jänner sowie am 1. Februar zu sehen. Nach dem Auftakt mit „Das Rheingold“ folgen am 22. März 2014 „Die Walküre“ und am 1. November 2014 „Siegfried“, bis die Tetralogie schließlich am 7. Februar 2015 mit der „Götterdämmerung“ beschlossen wird.

Die mitunter sehr einfach gesetzte Symbolik verhindert im Verbund mit diesem Setting eine tiefere Ausleuchtung der Figuren: Michael Bedjai als Loge, Oskar Hillebrandt als Alberich und auch Matthäus Schmidlechner als ein verzweifelter Mime agieren sängerisch und schauspielerisch solide bis stark. Ein bisschen schwer tun sie sich aber, aus diesem Gesamtensemble herauszuleuchten. Wotan (Gerd Grochowski) wiederum ist blass, gerade dort, wo die Darstellung der Ambivalenz seiner Figur gefragt ist.

Was von diesem Abend als Eindruck bleibt, ist eine solide Gesamtleistung, die vom Werken des Orchesters deutlich überstrahlt wird. Das Publikum in Linz ist an diesem Abend so unbestechlich wie fair und gibt jenen den meisten Applaus, die ihn auch am stärksten verdienten.

Gerald Heidegger, ORF.at

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