Der Nationalkomponist der Deutschen
Bereits zu Lebzeiten ist Richard Wagner zum Nationalkomponisten der Deutschen aufgestiegen und bis heute der Einzige geblieben, der Festspiele nur zu Ehren seiner Musik etablieren konnte. Sie finden jedes Jahr zwischen dem 25. Juli und dem 28. August in Bayreuth statt. Zugleich bleibt Wagner, der antisemitische Pamphlete schrieb und zum Lieblingskomponisten Adolf Hitlers wurde, als Person höchst umstritten.
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Wagners unstetes Leben zwischen Bankrott, gescheiterten Revolutionen, außerehelichen Affären und Kämpfen mit den Gegnern seiner Musik ist gut dokumentiert. Der Komponist selbst schrieb Tausende Briefe, während seine zweite Ehefrau Cosima in ihren Tagebüchern jedes Detail minutiös protokollierte.

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Die Villa Wahnfried in Bayreuth ist heute eine Pilgerstätte für Wagnerianer
Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig als neuntes Kind des Polizeiaktuarius Carl Friedrich Wagner geboren. Bis heute halten sich Spekulationen, der Dichter Ludwig Geyer sei sein leiblicher Vater gewesen. Immerhin heiratete dieser kurz nach dem Tod seines Vorgängers Wagners Mutter. Der Sohn entschloss sich früh, Musiker zu werden und begann mit Würzburg, Magdeburg, Königsberg und Riga seine Reisetätigkeit. Den frühen Werken „Die Feen“ (1833) und „Das Liebesverbot“ (1836) war allerdings kein Erfolg beschieden.
Geldmangel und Antisemitismus
1836 folgte die Heirat mit der Schauspielerin Minna Planer. Drei Jahre später musste Wagner wieder einmal vor seinen Gläubigern flüchten - ein Motiv, das sich im Laufe der Jahre mehrmals wiederholen sollte. Auf diesen Charakterzug bezieht sich Thomas Manns berühmter Aphorismus vom „Pumpgenie“ Wagner. Auf der stürmischen Überfahrt nach London sollen ihm der Legende nach die ersten Ideen zum „Fliegenden Holländer“ gekommen sein, der 1843 uraufgeführt wurde.
Von London ging es nach Paris, wo Wagner den deutschen Komponisten Giacomo Meyerbeer kennenlernte, als jüdischer Tonsetzer neben Felix Mendelssohn Bartholdy später eines seiner bevorzugten antisemitischen Angriffsziele in seinem Schmähaufsatz „Das Judenthum in der Musik“. Zugleich kam er mit den revolutionären Ideen seiner Zeit und der Religionskritik Ludwig Feuerbachs in Kontakt. 1840 vollendete er seine erste Erfolgsoper „Rienzi“, die zwei Jahre später in Dresden uraufgeführt wurde.
Revolutionär auf der Flucht
In die Heimat war Wagner mit dem Titel des Königlich-Sächsischen Kapellmeisters zurückgekehrt. In Dresden komponierte er den „Tannhäuser“, der 1845 uraufgeführt wurde, und begann mit dem Nachfolgeprojekt „Lohengrin“, das Franz Liszt 1850 in Weimar zur Uraufführung brachte. Zugleich engagierte er sich aktiv beim gescheiterten Maiaufstand von 1849, weswegen er erneut fliehen musste und steckbrieflich gesucht wurde.
Den gescheiterten Revolutionär zog es nach Zürich, wo sein Mäzen, der Kaufmann Otto Wesendonck, lebte. Mit dessen Frau Mathilde begann er eine Affäre, an die die berühmten „Wesendonck-Lieder“ erinnern. In Zürich entstanden in den Folgejahren die „Zürcher Kunstschriften“, unter anderen „Die Kunst und die Revolution“, „Das Kunstwerk der Zukunft“ und Wagners große musiktheoretische Schrift „Oper und Drama“.
Zwischenzeitlich lebte er auf dem „Grünen Hügel“ neben der Villa Wesendonck in Zürich und begann Mitte der 1850er Jahre die Arbeit an seiner großen Liebesoper „Tristan und Isolde“, die eine neue Musik präsentierte - eine ganze Oper als das Zwiegespräch zweier todessehnsüchtiger Liebender. Der Bruch mit Ehefrau Minna blieb nicht aus.
Affäre mit Bülows Ehefrau Cosima
Bis Wagner nach seinem gescheiterten politischen Engagement wieder deutschen Boden betreten durfte, dauerte es. Erst 1860 konnte er nach einer Amnestie die Grenze übertreten und ging auf Konzertreise durch ganz Europa. Nebenbei arbeitete er an den „Meistersingern von Nürnberg“ sowie an der Tetralogie „Ring der Nibelungen“. In diese Zeit fällt auch seine engste Bindung an Wien, wo er zwischen 1862 und 1864 mit kleineren Unterbrechungen dauerhaft lebte.
Einer seiner Freunde war der Stardirigent Hans von Bülow, der in München die Uraufführungen des „Tristan“ (1865) und der „Meistersinger“ (1868) leitete, nachdem in Wien nach 77 Proben die Hofoper die geplante Uraufführung des „Tristan“ abgeblasen hatte. Als Wagner 1864 wieder einmal vor Gläubigern aus Wien nach Zürich hatte fliehen müssen, war ihm als Deus ex Machina der junge, soeben gekrönte Bayernkönig Ludwig II. erschienen und hatte den Komponisten von seinen finanziellen Sorgen befreit.

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Derlei Mühen enthoben, begann Wagner eine Affäre mit Bülows Ehefrau und Liszts Tochter Cosima. Richard und Cosima hatten schon zwei gemeinsame Kinder, ehe Cosima ihren Ehemann endgültig verließ, um zu Richard nach Tribschen bei Luzern zu ziehen und ihn 1870 zu heiraten. Aus der Verbindung ging ein drittes Kind hervor.
Ein Opernhaus als königliches Geschenk
Zu dieser Zeit ging Wagner bereits mit der Idee eigener Festspiele schwanger. Erneut erschien der oberste Wagnerianer, Bayernkönig Ludwig II., als rettender Engel, der die Umsetzung der scheinbaren Utopie in der kleinen fränkischen Stadt Bayreuth ermöglichte: Am 22. Mai 1872 wurde der Grundstein für das Festspielhaus gelegt, das mit unsichtbarem - also abgedecktem - Orchestergraben, ohne Logen und ohne Sitzpolster alles auf Schall und Sichtbarkeit ausrichtete.
1874 bezogen Richard und Cosima die Villa Wahnfried in Bayreuth. Die ersten Festspiele 1876 wurden mit der „Ring“-Uraufführung einer der kulturellen Ankerpunkte der Musikgeschichte, zu dem selbst Kaiser Wilhelm I. aus Berlin anreiste. Auf den monumentalen „Ring“ folgte noch das letzte Werk „Parsifal“, das Wagner in Italien, wo sich der Komponist in den letzten Jahren wegen des günstigen Klimas vermehrt aufhielt, vollendete und 1882 in Bayreuth uraufführte.
Tod in Venedig
Der gesundheitlich angeschlagene Komponist starb am 13. Februar 1883 in Venedig. Zwei Monate nach seinem Tod veranstaltete die Lagunenstadt ein Gedenkkonzert, das einem Staatsakt glich. Wagners Leichnam wurde jedoch in der Gruft der Villa Wahnfried beigesetzt. Abseits von Israel hat kaum ein Opernhaus der Welt heute seine Werke nicht auf dem Spielplan.
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