„Kuhhandel“ auf Kosten der EU?
Die EU-Umweltminister haben eine Einigung im Streit über CO2-Normen für Autos vertagt und dadurch Deutschland zum Teil nachgegeben. Unterhändler des Ministerrates werden nun in Kürze erneut mit dem Europaparlament verhandeln, kündigte der litauische Umweltminister Valentinas Mazuronis am Montag in Luxemburg an.
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Aus dem Europäischen Parlament kam scharfe Kritik an Deutschlands Vorgehen, auch Klimakommissarin Connie Hedegaard zeigte sich irritiert. Insbesondere Deutschland hatte darauf gedrängt, den bisher auf dem Tisch liegenden Kompromissplan vom Juni nicht anzunehmen. Die Abstimmung wurde damit bereits zum dritten Mal verschoben.
„Zusätzliche Flexibilität“
Die Autoindustrie trage in einer ganzen Reihe von EU-Ländern erheblich zum Wohlstand bei, sagte Umweltminister Peter Altmaier (CDU). Deshalb müsse es „zusätzliche Flexibilität“ für die Hersteller geben. Dabei solle der Plan vom Juni aber grundsätzlich weiter gelten. Nach dem Treffen zeigte sich Altmaier zufrieden. Er hoffe nun auf eine Einigung „in den kommenden Wochen“.
Im Juni hatten sich Unterhändler von Europarlament und Ministerrat vorläufig auf die CO2-Normen für Autos verständigt. Demnach soll von 2020 an ein Durchschnittsgrenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer gelten. Dabei gibt es für jeden Hersteller individuelle Grenzwerte - Mercedes etwa erhält einen höheren Wert zugestanden als Fiat.
Deutschland will aufgeweichte Grenzwerte
Deutschland will diese Grenzwerte aufweichen. So warb die Bundesregierung unter anderem für eine stufenweise Einführung des 95-Gramm-Durchschnittswertes. Umweltschützer kritisierten das scharf. Auch der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erklärte, der Vorstoß der Bundesregierung werfe „technischen Fortschritt bei CO2-Minderung von Neuwagen um Jahre zurück“.
In den Beratungen der Minister äußerten eine ganze Reihe Minister Zustimmung zum Juni-Plan, darunter die Vertreter Frankreichs, Italiens und Schwedens. Ein Teil von ihnen äußerte dabei Kritik am Verlauf des Gesetzgebungsprozesses. Der italienische Umweltminister Andrea Orlando etwa sagte, es gehe „auch darum, dass Verfahren eingehalten werden“.
Deal mit Briten?
Andere Länder unterstützten Deutschland. Großbritanniens Klimaminister Edward Davey forderte den Ratsvorsitz auf, den Vorschlag zu überarbeiten. Allerdings machte er auch geltend, dass es gegenüber dem Parlament nicht mehr viel Spielraum gebe. Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte berichtet, Beamte aus dem deutschen Bundeskanzleramt hätten die britische Regierung für Deutschlands Haltung gewonnen, indem den Briten ein Entgegenkommen bei der EU-Bankenunion versprochen worden sei.
Sichtlich irritiert vom Verlauf der Verhandlungen zeigte sich EU-Klimakommissarin Hedegaard. Die Dänin nannte es „interessant“, dass mehrere Länder jetzt „von Flexibilität sprechen“. Denn dieselben Länder hätten zuvor das Mandat befürwortet, das zur Juni-Einigung führte. „Das ist wohl Realpolitik“, sagte sie.
Scharfe Kritik auch aus Europaparlament
Scharfe Kritik am Vorgehen der deutschen Bundesregierung kam aus dem Europaparlament. „Bundeskanzlerin Merkel setzt sich rücksichtslos über das demokratische Gesetzgebungsverfahren hinweg“, sagte die Chefin der Grünen-Fraktion, Rebecca Harms. Der FDP-Umweltpolitiker Holger Krahmer sprach von einem „Kuhhandel“, der die Glaubwürdigkeit der EU-Institutionen infrage stelle. Der CDU-Politiker Thomas Ulmer forderte ein „rasches Gesprächsangebot“ des Rates: „Offenbar sind nur marginale Veränderungen der bereits vereinbarten Regelung vorstellbar.“
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