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Italien verliert Kontrolle über Konzerne

Unter dem Druck der schweren Rezession geraten immer mehr Schwergewichte des italienischen Wirtschaftssystems in ausländischen Besitz. Spätestens seit die spanische O2-Mutter Telefonica angekündigt hat, die Kontrolle über die Telecom Italia übernehmen zu wollen, läuten in Rom die Alarmglocken.

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Die Politik in Rom beklagt seit längerem einen Ausverkauf der Industrie. Aktuell wird auch um die Zukunft des Rüstungskonzerns Finmeccanica gerungen. Als möglicher Käufer für die Kraftwerkssparte von Finmeccanica, Ansaldo Energia, wird der koreanische Konzern Doosan genannt. Ausländer sind schon seit Jahren in Italien auf Einkaufstour. Der französische Luxuskonzern LVMH verleibte sich den Schmuckhersteller Bulgari ein und übernahm vor wenigen Monaten für zwei Mrd. Euro den renommierten Kaschmirspezialisten Loro Piana.

Griff nach Lebensmittelindustrie

Auch italienische Lebensmittelerzeuger sind für Ausländer sehr interessant. In den letzten fünf Jahren haben sich internationale Investoren mit insgesamt zehn Mrd. Euro in die italienische Lebensmittelindustrie eingekauft. Berühmtester Fall ist der Milcherzeuger Parmalat, der nach seiner Sanierung im Jahr 2011 von der französischen Lactalis geschluckt wurde.

Nachdem der renommierte Reisproduzent Riso Scotti im Februar 25 Prozent seines Kapitals an die spanische Ebro Foods für 18 Mio. Euro verkauft hatte, erwarb zuletzt die ebenfalls spanische Agroalimen einen 75-prozentigen Anteil an dem italienischen Lebensmittelkonzern Star. Auch kleinere Unternehmen erfreuen sich bei Ausländern großer Beliebtheit. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt ein Pharmaunternehmer aus Hongkong, der sich für zwei Mio. Euro den namhaften Weinhersteller im Chianti, Casa Nova -La Ripintura einverleibte.

„Verschleuderung“

Die Gewerkschaften sind besorgt und machen Druck auf die Regierung von Enrico Letta. Italien dürfe sein Tafelsilber nicht verschleudern. Die kämpferische Chefin des stärksten italienischen Gewerkschaftsverbandes CGIL, Susanna Camusso, bezeichnete der Verkauf der Telecom Italia an die Spanier als „Verschleuderung“. Telecom Italia ist von den Dimensionen her ein großes Unternehmen. Mit dem Eigentümerwechsel werde es zu dramatischen Jobkürzungen kommen, warnte Camusso.

Die Gewerkschaften sorgen sich im Fall der Telecom Italia auch um das Telefonnetz. Italien hinkt im europäischen Vergleich bei der Versorgung mit schnellem Internet hinterher. Um den Anschluss zu schaffen, sind Investitionen in Milliardenhöhe notwendig. Die Arbeitnehmerverbände hegen Zweifel, dass die hoch verschuldete Telefonica über die Mittel dafür verfüge.

Der Vizepräsident der EU, Antonio Tajani, wies die Kritik der Gewerkschaften zurück. „Telecom Italia ist ein privates Unternehmen. Natürlich freut es uns nicht, dass italienische Unternehmen verkauft werden, das ist jedoch der freie Markt. Positiv ist die Tatsache, dass Telecom Italia von einem europäischen Unternehmen übernommen wird“, so Tajani.

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