Derzeit in Syrien unterwegs
Der Friedensnobelpreis 2013 geht an die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag. Das gab das Nobelpreiskomitee am Freitag in Oslo bekannt. Die Organisation ist für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention aus dem Jahr 1997 zuständig. Sie soll die Chemiewaffenbestände der Vertragsstaaten überprüfen und deren Vernichtung kontrollieren.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Die OPCW werde wegen ihrer „umfassenden Arbeit für die Abschaffung chemischer Waffen“ mit dem Preis ausgezeichnet, sagte Komiteechef Thorbjörn Jagland. Gewisse Länder seien der Organisation noch immer nicht beigetreten. Andere Staaten hätten die Frist, um ihre Waffen zu zerstören, nicht eingehalten, erklärte Jagland nach Bekanntgabe des Preisträgers. Das gelte insbesondere für die USA und Russland.

Reuters/Toussaint Kluiters/United Photos
OPCW-Chef Ahmet Üzümcü
„Entwaffnung spielt in Alfred Nobels Willen eine wichtige Rolle“, führte Jagland in der Begründung aus. Das norwegische Nobelkomitee habe mit zahlreichen Preisen den Bedarf unterstrichen, Nuklearwaffen zu vernichten. „Mit diesem Preis an die OPCW will das Komitee zur Zerstörung von Chemiewaffen beitragen“, sagte Jagland. „Aktuelle Ereignisse in Syrien, wo Chemiewaffen erneut eingesetzt wurden, haben das Bedürfnis unterstrichen, die Bemühungen, solche Waffen zu zerstören, zu erhöhen“, führte das Nobelkomitee aus.
Organisation nicht ans Telefon bekommen
Der OPCW-Generaldirektor wertete die Zuerkennung des Friedensnobelpreises als „extrem wichtige“ Stütze für seine Mitarbeiter bei ihrem Einsatz in Syrien. „Ich fühle mich sehr geehrt“, sagte Ahmet Üzümcü am Freitag im norwegischen Rundfunk. Er betrachte den Preis als eine Bestätigung für den Beitrag, den seine Organisation in den vergangenen 16 Jahren zum Frieden geleistet habe. „Ich sehe ihn auch als eine Anerkennung der Bemühungen unserer Mitarbeiter, die jetzt in Syrien sind und die sehr mutige Anstrengungen unternehmen, um ihre Aufgabe zu erfüllen.“
Selbst das Nobelkomitee hatte am Freitag Probleme, die OPCW ans Telefon zu bekommen. Deshalb bat das Komitee per Kurznachrichtendienst Twitter: „Nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wir versuchen, zu Ihrem Büro durchzukommen.“ Wegen der Glückwünsche aus aller Welt zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die OPCW schienen sämtliche Telefone der Organisation dauerbesetzt zu sein. Selbst noch einige Zeit nach der live übertragenen Verkündung kam zunächst kein Kontakt zustande: „The live webcast is now over. We are still trying to reach @OPCW“ („Die Liveübertragung im Internet ist vorüber. Wir versuchen immer noch, @OPCW zu erreichen“), teilte das Komitee mit.
Sarinattacke in Syrien
In den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte die OPCW mit dem Giftgasangriff im August in Damaskus. Bei der Attacke mit dem Nervenkampfstoff Sarin wurden mehr als 1.400 Menschen getötet. Der Angriff sorgte weltweit für Empörung.
OPCW-Experten halten sich zurzeit in Syrien auf, um die Zerstörung von Chemiewaffen zu beaufsichtigen. In einem ersten Schritt sollen die Waffenfabriken und die Maschinen vernichtet werden, mit denen die giftigen Stoffe in Bomben gefüllt werden. Das gesamte Waffenarsenal soll bis Mitte 2014 zerstört sein. Bisher hat die OPCW 189 Mitgliedsstaaten. Syrien soll ihr am Montag als 190. Staat beitreten. In Syrien tobt ein Bürgerkrieg, in dem bisher nach UNO-Schätzungen mehr als 120.000 Menschen getötet wurden.
Regierung will „in welcher Form auch immer“ helfen
Durchwegs positiv waren die internationalen Reaktionen auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an die OPCW. Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg würdigte die Wahl als „hochaktuell“. Frankreichs Präsident Francois Hollande erhoffte sich dadurch einen zusätzlichen Schub für die Arbeit der OPCW. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, der Einsatz der OPCW verdiene "unser aller Respekt.
Die österreichische Regierung will die OPCW bei ihrer heiklen Syrien-Mission unterstützen. In welcher Form das geschehen soll, sei noch unklar, hieß es seitens des Außen- und des Verteidigungsministeriums am Freitag gegenüber der APA. Man wolle der Mission „in welcher Form auch immer“ helfen, sagte Außenministeriumssprecher Martin Weiss. Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) lobten die Entscheidung des Nobelkomitees.
So viele Nominierungen wie nie zuvor
Der Friedensnobelpreis ist der einzige Nobelpreis, der nicht im schwedischen Stockholm, sondern in Oslo von einem Nobelkomitee aus fünf Parteienvertretern vergeben wird. Nach dem Testament Alfred Nobels (1833 bis 1896) soll er an denjenigen gehen, der im vorausgegangenen Jahr am meisten für den Frieden geleistet hat. Feierlich überreicht wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag Nobels, ebenfalls in Oslo. Der Nobelpreis ist mit acht Mio. Kronen (rund 920.000 Euro)dotiert.
Mit insgesamt 259 Nominierungen, darunter 50 Organisationen, war die Zahl der Kandidaten für die Auszeichnung heuer so hoch wie nie zuvor. Allerdings wurden - wie üblich - Namen und Kandidaten vom Nobelkomitee streng geheim gehalten. Dem internationalen Rätselraten tat das aber - genauso üblich - keinen Abbruch.
Malala galt als Favoritin
Als eine große Favoritin für den Preis hatte in diesem Jahr unter anderem die 16 Jahre alte Malala Yousafzai gegolten, die sich in ihrer Heimat Pakistan gegen die Taliban für das Recht von Frauen und Mädchen auf Bildung einsetzt, unter anderem als Bloggerin. Mehrere Politiker hatten sich für eine Preisverleihung an das Mädchen starkgemacht. Sie selbst hatte sich aber bescheiden gegeben: „Das wäre eine große, große Ehre für mich. Ich glaube aber nicht, dass ich diesen Preis verdient habe. Bis dahin müsste ich noch viel mehr arbeiten.“
Mitunter wurden dieselben Namen genannt wie bereits im Vorjahr, darunter der mittlerweile zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilte US-Aufdecker Bradley Manning, der frühere demokratische US-Präsident Bill Clinton, die russische Bürgerrechtlerin Svetlana Gannuschkina sowie das christlich-muslimische Versöhnungsduo Erzbischof John Onaiyekan und Sultan Mohammed Sa’ad Abubakar aus Nigeria.
Kurioser Vorschlag Putin
Weitere Kandidatenschwerpunkte gab es in verschiedenen Konfliktregionen der Welt. Aus Burma waren laut Medienberichten nicht nur der ehemalige Junta-Chef Thein Sein, sondern auch der regimekritische Sender „Democratic Voice of Burma“ als heiße Tipps für den diesjährigen Nobelpreis gehandelt worden.
Eher kurios wirkte daneben - abgesehen von der weit überschrittenen regulären Nominierungsfrist (die jeweils im Februar endet, Anm.) - die zuletzt noch von einer „Unterstützergruppe Wladimir Putin“ ventilierte Nennung des russischen Staatspräsidenten für seine Rolle im Syrien-Konflikt. Innenpolitisch, aber auch aus dem Ausland muss sich Putin regelmäßig undemokratisches Verhalten vorhalten lassen.
Snowden als Kandidat gehandelt
Die laut dem norwegischen Friedensforschungsinstitut PRIO bestätigte Nominierung des ehemaligen italienischen Regierungschefs Giulio Andreotti für dessen Einsatz zur Zerstörung von Atomwaffen durch einen nicht näher genannten Unterstützer aus den USA gehörte ebenfalls zu den eher ungewöhnlichen Vorschlägen. Andreotti starb überdies im Mai dieses Jahres und kommt somit in keinem Fall mehr für die Auszeichnung infrage.
Neben Manning und dem Gründer der Aufdeckerplattform WikiLeaks, Julian Assange, war mit dem US-Amerikaner Edward Snowden im Sommer ein weiterer Aufdecker ins Spiel gebracht worden. Der Friedensnobelpreis wird traditionell als einziger der von dem schwedischen Industriellen Alfred Nobel (1833 bis 1896) testamentarisch gestifteten Auszeichnungen nicht in Stockholm, sondern in Oslo bekanntgegeben und verliehen.
Obama, Gore, Carter, Annan
Vergangenes Jahr erhielt ihn die EU als Friedensprojekt, 2011 wurden drei Politikerinnen auf Liberia bzw. dem Jemen für ihren Kampf für die Frauenrechte ausgezeichnet. Die letzten prominenten Namen von Empfängern in den Jahren zuvor waren US-Präsident Barack Obama (2009), der frühere finnische Präsident Martti Ahtisaari (2008) und der frühere demokratische US-Vizepräsident Al Gore (2007). 2002 war es Ex-US-Präsident Jimmy Carter, 2001 waren es die UNO und ihr früherer Generalsekretär Kofi Annan.
Links: