Themenüberblick

Bisher 296 Todesopfer geborgen

„Die EU kann nicht wegschauen“, so EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso am Mittwoch auf der italienischen Insel Lampedusa. Die EU wird Italien daher 30 Millionen Euro zur Bewältigung des Flüchtlingsnotstands zur Verfügung stellen. Auch müsse die EU alles Mögliche unternehmen, um die Situation zu ändern, so Barroso.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

"Die Tragödie vor Lampedusa bezeugt, dass wir unsere Initiativen zur Unterstützung der Flüchtlinge beschleunigen müssen“, sagte Barroso beim Besuch des Flüchlingslagers auf Lampedusa am Mittwoch. Der Besuch des Flüchtlingslager stand zwar nicht auf dem Programm, Barroso und EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström beschlossen jedoch, das Auffanglager zu besichtigen, nachdem Bewohner der Insel und Flüchtlinge wegen der unmenschlichen Bedingungen in dem chronisch überbelegten Lager protestiert hatten.

Begleitet wurden Barroso und Malmström vom italienischen Regierungschef Enrico Letta. „Ich habe viel Schmerz in den Augen der Flüchtlinge gesehen“, sagte Letta am Ende des Besuchs. Im Flüchtlingslager trafen die Politiker Gruppen von Migranten aus verschiedenen afrikanischen Ländern.

Barroso für gemeinsame Initiativen

"Dank der Zusammenarbeit unter EU-Mitgliedsstaaten werden wir in puncto Einwanderungspolitik positive Resultate erreichen. Solidarität mit den EU-Mittelmeer-Ländern, die so viele Flüchtlinge aufnehmen, muss überwiegen. Im vergangenen Jahr sind rund 332.000 Flüchtlinge in Europa eingetroffen, sie haben vor allem Deutschland, Frankreich, Schweden, Großbritannien und Belgien erreicht. Man muss gemeinsame Initiativen in puncto Flüchtlingspolitik ergreifen“, sagte Barroso.

Frankreichs Präsident Francois Hollande will in den nächsten Tagen Vorschläge für eine Reform der EU-Flüchtlingspolitik machen. Ereignisse wie die vor Lampedusa könne die EU nicht tolerieren, sagte Hollande in einem Interview mit französischen und belgischen Medien. Die EU müsse daraus die entsprechenden Lehren ziehen. Als konkrete Bereiche mit Verbesserungspotenzial nannte Hollande den europäischen Grenzschutz, den Kampf gegen Schleuser und die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge.

Menschen protestieren mit Schildern vor dem in einem Auto vorbeifahrenden Präsidenten der Europäischen Kommission Jose Manuel Barroso

APA/EPA/ANSA/Corrado Lannino

Einwohner schwenkten Fotos von Flüchtlingen, als die Politiker auf dem Flughafen eintrafen

Unterdessen warfen aufgebrachte Einwohner den Politikern vor, nichts zu tun. Statt echter Hilfe würden sie mit 30 Millionen Euro „abgespeist“, ohne dabei wirklich das Problem zu lösen. Sie skandierten „Schande“ und „Mörder“, als die EU-Spitze mit Letta an ihnen vorbeifuhr. Denn die EU werde trotz heftiger Kritik ihre Asylpolitik nicht ändern. Die bestehenden Regeln zur Aufnahme von Flüchtlingen, die insbesondere Mittelmeer-Länder wie Italien belasten, bleiben erhalten. Das wurde beim Treffen der EU-Innenminister am Dienstag in Luxemburg deutlich.

Deutschland zeigt Härte

Demnach bleibt das Land, in dem ein Flüchtling die EU erreicht, für das Asylverfahren und die Unterbringung verantwortlich. Südeuropäische Länder wie Italien beklagen eine Überlastung. Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betonte, die Dublin-II-Regelung bleibe „selbstverständlich“ erhalten.

Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte, eine Änderung der Dublin-II-Verordnung sei „nicht notwendig“. Österreich sei nämlich schon jetzt an vierter Stelle der EU-Staaten, was die Asylquote betreffe. Daher sei es nicht in der Pflicht, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Vielmehr sprach sich Mikl-Leitner für eine Entlastung der bisherigen Hauptaufnahmeländer aus. „Ich halte sehr viel davon, ein System zu finden, das einfach mehr die Verantwortung gerecht aufteilt.“

Letta fordert Staatsbegräbnis

Unterdessen kündigte Letta an, dass es für die Opfer der Flüchtlingskatastrophe ein Staatsbegräbnis geben soll. Die Toten hätten ein Recht auf ein solches Begräbnis, sagte er. „Italien muss seinen Teil leisten, doch Barrosos und Malmströms Anwesenheit auf Lampedusa bezeugen, dass es ich um eine europäische Tragödie handelt“, meinte Letta. Im Rahmen einer Ministerratsitzung will die Regierung in Rom Geld für Minderjährige, die in Italien ohne Eltern eingetroffen sind.

Unterdessen setzten Taucher am Mittwoch vor Lampedusa die Suche nach Leichen fort. Bisher wurden 302 Todesopfer geborgen. Noch immer werden Dutzende Menschen vermisst. Nach Angaben von Überlebenden befanden sich 545 Personen an Bord. 155 Menschen wurden gerettet. Das gekenterte Boot liegt in rund 40 Meter Tiefe.

Links: