Schonungsloser Realismus
Der britische Maler Lucian Freud hat die Darstellung nackter Körper geliebt. Schonungslos legte er Seelenzustände offen, seine Bilder irritierten durch realistischen Detailreichtum. Eines seiner wohl teuersten Gemälde entstand 1995. Das Abbild der Arbeitsamtsangestellten Sue Tilley erzielte 33,5 Millionen Dollar (21 Mio. Euro).
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Die Brüste hängen schwer herab, der Bauch liegt dicht an den Oberschenkel gepresst: der Körper der 51-jährigen Tilley entspricht wahrlich nicht dem gängigen Schönheitsideal. Aber gerade die unglaublich realistische Darstellung des molligen Körpers macht das Bild so faszinierend. 2008 wurde der Akt in New York für den Rekordpreis von 33,5 Millionen Dollar versteigert. Bis dahin hatte noch nie jemand so viel Geld für das Bild eines lebenden Künstlers auf den Tisch gelegt.
Harte Arbeit als Muse
Tilley, die damals rund 125 Kilo auf die Waage brachte, hat sich den unerwarteten Ruhm hart verdient. Sie „lag“ jahrelang Modell für den mittlerweile verstorbenen Künstler und Enkel des Psychoanalytikers Sigmund Freud. Für das erste Ölgemälde „Evening In The Studio“ (1993) musste sie Tag für Tag in verquerer Pose auf dem Fußboden ausharren. Für das Rekordbild „Benefits Supervisor Sleeping“ (1995), auch liebevoll „Big Sue“ genannt, schaffte Freud dann ein zerschlissenes Sofa an.
Auf dem darf sich die gewichtige Muse halbwegs gemütlich einkuscheln, während der Meister ihr wallendes Fleisch mit drastischem Realismus in Kunst verwandelt. Die gewaltigen Brüste, der dicke Bauch und die prallen Schenkel - alles wird dem Betrachter fast erbarmungslos präsentiert. „Ich glaube, er hat mich ausgesucht, weil er viel für sein Geld bekommen hat“, sagte Tilley einmal. „Das ist doch eine ganze Menge Fleisch.“
„Mutiges Beispiel für Freuds Realismus“
Nach Ansicht von Kunstexperten ist „Big Sue“ ihr Geld durchaus wert. Sie wurde von den französischen Kunstsammlern Guy und Marion Naggar erstmals zum Verkauf angeboten. Das Gemälde sei eines der besten Bilder des Künstlers aus den 90er Jahren, schwärmt Christie’s. „Es ist ein mutiges und eindrucksvolles Beispiel für die große Kraft von Freuds Realismus.“ Das bestätigte einmal mehr, wie wichtig der Brite als Künstler der Gegenwart war. Freud starb 2011 88-jährig in London.
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