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Wehrwirtschaftsführer Günther Quandt

Sieben Jahre nach dem Enthüllungsfilm über den NS-Hintergrund der deutschen Familie Quandt zweifelt ein Steuerberater die Erkenntnisse eines Historikers an. Er verlangt konkrete Nachweise dafür, dass die Quandts heftig vom Regime profitiert hätten. Der Experte kontert und verweist darauf, dass den Bilanzen nazitreuer Unternehmen nicht zu trauen sei.

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Lange hüllte sich die deutsche Industriellenfamilie Quandt, die vor allem nach dem Krieg ihr Vermögen durch die Beteiligung beim Autohersteller BMW vergrößerte, in Schweigen über die Herkunft ihres Familiensilbers. Vor allem die jungen Erben wollten sich öffentlich nicht zur blutigen Geschichte ihres Firmenvermögens äußern.

„Das Schweigen der Quandts“

Bis 2007 der Film „Das Schweigen der Quandts“ erschien. Der Film zeigte, dass der Reichtum offenbar mit großer Unmoral erworben wurde. So mussten im „Dritten Reich“ in Quandts Werken an die 50.000 Zwangsarbeiter unter widrigsten Umständen für die Familie arbeiten. Unter besonderem Beschuss ist das damalige Oberhaupt der Familie, Günther Quandt, der unter Adolf Hitler als sogenannter Wehrwirtschaftsführer mit den Nazis zusammenarbeitete. Und die daraus resultierenden Vermögenszuwächse, die die Familie Quandt zwischen 1933 und 1945 erzielte, begründeten zum Teil auch ihren Aufstieg in der deutschen Nachkriegswirtschaft - sehr zugunsten seiner Söhne Herbert und Harald Quandt, letzterer der spätere Stiefsohn von Joseph Goebbels.

Günther Quandt

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Die NS-Mitgliedschaft schadete dem Familienoberhaupt Günther Quandt nicht

Nach diesen Veröffentlichungen sahen sich die Enkelkinder gezwungen, öffentlich zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Sie beauftragten den Historiker Joachim Scholtyseck von der Universität Bonn, mit der Aufarbeitung der Familiengeschichte zu beginnen. Denn Stefan Quandt störte als Familiensprecher, „dass ein einziger kritischer Beitrag für drei Jahre die öffentliche Meinungsbildung dominiert“. Zugleich versprach er aber auch, das Rechercheergebnis Scholtysecks - in welcher Form auch immer - zu akzeptieren.

„Familienpatriarch profitierte von NS-Regime“

Doch die Bilanz des Historikers konnte die Familie nicht in ein besseres Licht rücken - im Gegenteil: Er untermauerte in seinem Buch „Der Aufstieg der Quandts“, dass der Familienpatriarch in „bedingungsloser Beteiligung am Unrecht“ mit „moralischer Gleichgültigkeit“ vom NS-Regime profitiert habe. Zwar versuchte die Familie Quandt, die Ergebnisse etwas abzuschwächen, akzeptierte wie versprochen aber die Erkenntnisse und wollte sich in weiteres Stillschweigen über die eigene Geschichte zurückziehen.

Adolf Hitler, Harald Quandt

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Adolf Hitler mit Harald Quandt

Steuerberater verlangt nach Beweisen

Nicht so der ehemalige Steuerberater der Quandts, Karl Gerlach. Laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) äußerte er vor kurzem seine Bedenken gegen die Rechercheergebnisse Scholtysecks. Gerlach verlangt vom Historiker Beweise dafür, dass das Familienvermögen nach der NS-Zeit größer war als zuvor. Laut Gerlach könne man die Veränderung während einer bestimmten Zeitspanne am anschaulichsten nachweisen, indem man den Vermögenswert am Anfang der Zeitspanne dem am Ende gegenüberstelle und bei der Wertermittlung für beide Zeitpunkte gleiche Maßstäbe anwende.

Von der Summe aller Vermögenswerte seien die Schulden abzuziehen. In Scholtysecks Buch suche man eine solche Gegenüberstellung aber vergebens, so der Steuerberater. Und er legt nach: Bis 1966 mussten Unternehmen jährlich eine Vermögensteuererklärung einreichen, in der ihre Vermögensteile und Schulden mit deren gemeinem Wert, also mit dem bei einer Veräußerung erzielbaren Preis, dem Verkehrswert, aufzulisten waren. Es wäre für Recherchen nahegelegen, das in den Vermögensteuererklärungen oder -bescheiden für Ende der 1930er Jahre ausgewiesene Vermögen mit dem für 1945/1946 festgestellten Vermögen zu vergleichen.

Scholtyseck: Angaben kaum vertrauenswürdig

Der Historiker kontert: „In der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass die Angaben zu Bilanzen und Vermögensteuern in den 1930er Jahren kaum vertrauenswürdig sind. Günther Quandt hatte schon in der Zeit des Ersten Weltkrieges ein ebenso effektives wie von außen kaum zu durchschauendes System von Holdings und Scheingesellschaften aufgebaut, die die wahren Besitzverhältnisse und die Gewinne verschleierten. Dieses System wurde in den folgenden Jahren noch perfektioniert.“

„Aussagen über die Gewinnsituation lassen sich daher nur mit großer Vorsicht treffen, und ich habe mich angesichts der wenig validen Zahlen, ganz ähnlich, wie dies vergleichbare Studien - etwa zu Flick - tun, in den Interpretationen zurückgehalten, weil mir die angegebenen Zahlen spekulativ erscheinen. Jeder einigermaßen vernünftig argumentierende Historiker hält sich an die entsprechenden Passagen in dem Standardwerk von Mark Spoerer ,Von Scheingewinnen zum Rüstungsboom. Die Eigenkapitalrentabilität der deutschen Industriegesellschaften 1925 - 1941‘, Stuttgart 1996“, so Scholtyseck weiter.

„Quandt hoffte auf ,Endsieg‘“

Es sei, so Scholtyseck, für die Bewertung von Quandts Tätigkeiten im Krieg zudem weniger entscheidend, ob er im „Dritten Reich“ Gewinne gemacht habe oder nicht. Bedeutender sei es, dass er es verstanden habe, die durch Hitlers Rassen- und Eroberungspolitik geschaffenen Spielräume für sich zu nutzen. Im Falle des von Quandt erhofften „Endsieges“ hätte die Vermögenssituation Quandts ganz anders ausgesehen als in der „Trümmergesellschaft“ nach 1945. Die exorbitanten Kreditaufnahmen bis ins Jahr 1944 hinein seien Beleg für diese Erwartungshaltung.

In der Forschung ist zwar umstritten, ob die Beschäftigung von Zwangsarbeitern tatsächlich einen wirtschaftlichen Vorteil brachte. Jedoch stellt der Historiker fest, dass diese Rekrutierung Günther Quandt auf beispiellose Weise ermöglichte, „aus der militärisch -politischen Entwicklung Kapital zu schlagen“. Von der Unternehmerfamilie gab es ganz in langjährig geübter Tradition keine Stellungnahme zur jüngsten medialen Aufmerksamkeit.

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