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„Bastelstunden und Downerpillen“

Sven Regener kann lange Sätze schreiben, Sätze, die sich aus dem Gehirn seines Hauptprotagonisten schrauben und trotzdem nicht verschwurbelt sind. Rhythmus, kurze Wörter, mit Bindestrichen durchgekoppelte Stakkato-Kaskaden: Hier sei einer dieser Sätze wiedergegeben.

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„Ich kam wieder ins Grübeln, und das war auch gut so, denn wenn ich vorher gedacht hatte, dass die Multitoxsache vielleicht bloß eine unbewiesene Behauptung der ganzen Sozial- und Psychiatrieklempner aus dem Einflussgebiet meiner Mutter war, mit denen sie sich selbst beruhigen und den Diagnoseweg abkürzen wollten, weil der Drogenentzug nun mal die eierlegende Wollmilchsau der psychiatrischen Diagnose- und Therapiewelt war, zusammen mit Sport, Bastelstunden und happy hardcore Downerpillen, wenn ich das also so gesehen hatte, dann war das natürlich schon der erste Schritt auf dem Weg zurück zum ersten Bier des Tages und zum Warum-nicht-auch-mal-eine-Pille-wenn’s-einem-danach-besser-geht, warum dann nicht doch bei der Party immer schön dabei sein und ein Sektchen auf die Charts kann nicht schaden und später eine Nase auf dem Frauenklo, denn das war natürlich auch richtig, dass das genau die Gedanken sind, diese Meine-Mutter-hat-sich-das-bloß-ausgedacht-mit-den-Drogen-Gedanken, die man sich als im Trockendock liegende Ex-Spaßguerilla so zurechtlegt, um einen schönen Grund zu haben, wieder mit allem anzufangen, was Freude macht und einem nicht bekommt, eine typische Junkie-Strategie, wie sie Werner immer so findig ausgemacht und an den Pranger gestellt hatte, wenn einer im Plenum auf die Spur der Verschwörungstheorien und des Selbstmitleids ausscherte, das hatte immer was Religiöses gehabt, auch in der Drogentherapie gab es einen Teufel, der einem die sündigen Gedanken einflüsterte, und der kam nur selten durch die Vordertür, aber hinten, an der Kellertreppe, hatte immer Werner gestanden, vor allem bei Klaus-Dieter, der immer richtig Freude daran gehabt hatte, wenn Wener ihm bei dem ganzen Quatsch, den er auf den Plenums oder Plena oder eben, wie Klaus-Dieter selbst ja immer sagte, ‚Plenata‘, wenn Werner ihm also bei dem ganzen Quatsch, der da immer so bei den Plenums aus ihm rausknatterte, mal wieder einen typischen sündigen Drogengedanken nachwies, ein Gedankenverbrechen nach Art des Hauses Clean Cut 1, und kaum, dass Werner ein ‚Da ist es ja wieder, da ist es ja wieder‘ anstimmte, um ihm gleich darauf genauestens nachzuweisen, dass er schon wieder dabei war, die Schuld auf die anderen und von sich selbst und seinem Drogending wegzuschieben, dass er geistig schon wieder auf der schiefen Bahn saß und im Begriff war, das Geländer loszulassen, strahlte er, also Klaus-Dieter, schon wieder über beide Backen und nickte und sagte Dinge wie: ‚Da sagst du was, Werner!‘“

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