„In ihrer Grausamkeit und Lächerlichkeit“
Der Journalist Julius Fucik hat von 1942 bis 1943 in der Prager Gestapo-Haft sein Werk „Reportage - unter dem Strang geschrieben“ verfasst. Am 8. September 1943 wurde er von den Nationalsozialisten ermordet. Es existieren unterschiedliche Versionen und Übersetzungen. Hier wird aus einer zeitnahen Ausgabe zitiert, herausgegeben vom Wiener kommunistischen Globus Verlag im Jahr 1946:
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Über die Verhaftung: „Der erste Schlag ins Gesicht. Vielleicht sollte er mich knock-out schlagen. ‚Hände hoch!‘ Der zweite. Der dritte. So habe ich es mir vorgestellt. Aus der musterhaft aufgeräumten Wohnung ist schon ein Haufen von durcheinandergeworfenen Möbeln und Scherben geworden. Weitere Schläge mit den Händen und Fußtritte. ‚Marsch!‘ Sie laden mich ins Auto. Die Pistolen sind ständig auf mich gerichtet. Unterwegs beginnt das Verhör. ’Wer bist du? - ‚Professor Horak.‘ - ‚Du lügst!‘ Ich zucke die Achseln. ‚Sitz still, oder ich schieße!‘ - ‚Schießen Sie!‘ Anstatt eines Pistolenschusses ein Faustschlag.“
„Es ist mein Blut“
Über ein Verhör: „Jetzt stehe ich doch wieder, wirklich, ich stehe, allein, ohne fremde Hilfe, und knapp vor mir ist eine schmutziggelbe Mauer, bespritzt - womit? Anscheinend ist es Blut ... Ja, es ist Blut, ich hebe den Finger und versuche, es zu verschmieren ... Es geht, es ist frisch, es ist mein Blut ... Und irgendjemand schlägt mich von hinten auf den Kopf und befiehlt mir, die Hände zu heben und Kniebeugen zu machen; bei der dritten falle ich um.“
Dünnes Gulasch als „ersehnte Delikatesse“
Über das Gulasch in der Haft: „Ach, ihr, die ihr das zweiundvierziger Jahr am Pankrac nicht miterlebt habt, ihr wisst nicht, ihr könnt nicht wissen, was ein Gulasch ist! Regelmäßig, auch in den ärgsten Zeiten, wenn der Magen vor Hunger knurrte, wenn beim Baden mit Menschenhaut überzogene Skelette erschienen, wenn ein Kamerad dem anderen wenigstens mit den Augen die Bissen von seiner Portion wegnahm, wenn auch der abscheuliche, mit Tomatenextrakt verdünnte Dörrobstbrei als ersehnte Delikatesse erschien, auch in dieser schlechtesten Zeit schlugen dir die Hausarbeiter regelmäßig zweimal in der Woche - am Donnerstag und am Sonntag - einen Schöpflöffel Kartoffeln in die Schüssel und übergossen sie mit einem Löffel Gulaschsaft, in dem einige Fleischfasern enthalten waren.“
„Es schmeckte wunderbar, ja mehr als das, es war eine greifbare Erinnerung an menschliches Leben, es war etwas Ziviles, etwas Normales in der grausamen Abnormität des Gestapo-Gefängnisses, etwas, wovon man mit Wonne sprach - ach, wer könnte das begreifen, welch hohen Wert ein Löffel guter Soße, gewürzt mit dem Grauen ständigen Absterbens, erreichen kann.“
„Aus Feigheit hat er Verrat geübt“
Über einen Genossen, den er des Verrats bezichtigt: „Wie oberflächlich war seine Beständigkeit, wenn einige Schläge sie wegwischen konnten. So oberflächlich wie seine Überzeugung. Er war stark in der Masse, umgeben von gleichdenkenden Kameraden. Er war stark, weil er an sie dachte. Jetzt, isoliert, allein, umgeben von dem angreifenden Feind, hat er seine Kraft völlig verloren, weil er begonnen hat, an sich zu denken. Um seine Haut zu retten, hat er die Kameraden geopfert. Er ist der Feigheit verfallen und aus Feigheit hat er Verrat geübt.“
Über Helden: „Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und von den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben. Ich möchte, dass man weiß, dass es keine namenlosen Helden gegeben hat. Dass es Menschen waren, die ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Sehnsucht und ihre Hoffnungen hatten, und dass deshalb der Schmerz auch des letzten unter ihnen nicht kleiner war als der Schmerz des ersten, dessen Name erhalten bleibt. Ich möchte, dass sie alle euch immer nahe bleiben, wie Bekannte, wie Verwandte, wie ihr selbst.“
„In ihrer Niedrigkeit und Armseligkeit“
Über die Nationalsozialisten: „Und jeder, der aus dem Staub der Vergangenheit eine Wehr gegen die Flut der Revolution bauen wollte, ist nur eine Figur aus faulem Holz, wenn er auch die Achseln voll goldener Rangabzeichen hatte. Aber auch diese Figur muss man lebend sehen, in ihrer Niedrigkeit und Armseligkeit, in ihrer Grausamkeit und Lächerlichkeit, denn das ist Material für künftige Erkenntnis.“
Über das Festhalten am Kommunismus: „Jetzt schlägt die Uhr am Kreml zehn und auf dem Roten Platz beginnt der Aufmarsch. Vater, wir gehen mit! Dort singen sie jetzt die Internationale, jetzt tönt die Internationale in der ganzen Welt, sie soll auch aus unserer Zelle tönen. Wir singen. Und dann reiht sich ein revolutionäres Lied an das andere, wir wollen doch nicht allein sein, wir sind doch nicht allein, wir gehören doch zu denen, die jetzt frei singen, aber ebenso im Kampf wie wir ... ‚Genossen in den Kerkern, in kalten Verliesen, mit uns seid ihr heute, wenn auch nicht in der Reihe ...‘ Ja, wir sind mit euch.“
Die Bedeutung der Hosenträger
Über falsche Informationen für die Gestapo: „Wie oft noch wurde Pepa auf den Bock gebunden und wie oft noch geschlagen und geschlagen und geschlagen, aber er sprach nicht, bevor ich ihm sagen oder wenigstens mit Gebärden andeuten konnte, was er sagen kann oder wie er aussagen soll, um die Untersuchung fehlzuleiten.“
Über die aufgehängten Hosenträger eines Kameraden, die er vor der Zelle sehen würde, bis der Transport - mit dem auch seine Frau weggebracht wird - abgefahren war: „Die Hosenträger gegenüber hängen immer noch. Und ich weiß: Solange ich sie sehe, ist Gusti noch in Prag. Deshalb schaue ich auf sie mit Liebe wie auf jemanden, der ihr hilft. Wenn sie einen Tag, zwei, drei gewinnt ... Wer weiß, wozu das gut ist. Vielleicht kann gerade dieser Tag sie retten.“