3.600 Patienten, 355 Tote
Bei dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien sind nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wohl Hunderte Menschen getötet worden. Nach Berichten dreier Krankenhäuser im Bezirk Damaskus seien dort am Mittwoch in einem Zeitraum von weniger als drei Stunden etwa 3.600 Patienten mit neurotoxischen Symptomen eingeliefert worden, teilte die Organisation am Samstag mit.
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355 von ihnen seien nach Angaben der Krankenhausmitarbeiter gestorben. „Medizinisches Personal, das in diesen Einrichtungen arbeitet, hat Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen detaillierte Informationen über eine große Zahl von Patienten mit Symptomen wie Krämpfen, übermäßiger Speichelbildung, stark verengten Pupillen, verschwommenem Blick und Atemnot zukommen lassen.“
Hinweise auf massenhaften Einsatz
„Ärzte ohne Grenzen kann weder die Ursachen dieser Symptome nach wissenschaftlichen Kriterien bestimmen noch ermitteln, wer für einen möglichen Angriff verantwortlich ist“, erklärte die Organisation. Doch die beschriebenen Symptome deuteten stark auf den massenhaften Einsatz eines neurotoxischen Stoffes hin. Die Organisation hoffe, dass unabhängige Ermittler sofortigen Zugang bekämen, um herauszufinden, was passiert sei.
Regierung und Rebellen in Syrien beschuldigen einander gegenseitig, am Mittwoch Giftgas in einem von Aufständischen gehaltenen Vorort von Damaskus eingesetzt zu haben. Bei dem Angriff wurden Oppositionsangaben zufolge zwischen 500 und 1300 Menschen getötet, darunter viele Kinder.
Minister bestreitet Vorwürfe
Die Aufständischen machten Regierungstruppen für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich, die Regierung wies das jedoch zurück. Die syrische Führung habe „niemals Chemiewaffen in Syrien eingesetzt, in welcher Form auch immer, flüssig oder als Gas“, sagte Informationsminister Omran al-Sohbi am Samstag dem im Libanon ansässigen Fernsehsender al-Majadin. Die Armee habe den Einsatz solcher Waffen aufgrund ihrer „hohen Moral“ und ihrer Erfolge im Kampf gegen den „Terrorismus“ nicht nötig. Das Gespräch wurde in Auszügen im syrischen Fernsehen gesendet.
Am Samstag hieß es außerdem seitens des Regimes, die Rebellen hätten offensichtlich im Nordosten der Hauptstadt Giftgas eingesetzt. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA meldete, mehrere Soldaten hätten bei ihrem Vormarsch in das Viertel Jobar Erstickungsanfälle erlitten. Die syrischen Rebellen wiesen ihrerseits die Vorwürfe gegen sie zurück.
Rache für Anschlag auf Konvoi?
Die syrische Opposition glaubt, dass Präsident Baschar al-Assad als Rache für einen Anschlag auf seinen Konvoi Anfang August die Giftgasangriffe angeordnet hat. Das sagte der Generalstabschef der Freien Syrischen Armee (FSA), Salim Idriss, am Samstag in Istanbul. Bei dem Anschlag sei ein führendes Mitglied von Assads Sicherheitsapparat schwer verletzt worden. Der Vorsitzende der oppositionellen Nationalen Syrischen Allianz, Ahmed al-Dscharba, forderte „ein sofortiges Eingreifen mit allen Mitteln“ und eine Flugverbotszone in Syrien.
UNO erhöht den Druck
Mittlerweile wächst der politische Druck auf das Regime: Nicht nur die UNO fordert Aufklärung, in den USA wird bereits über ein militärisches Eingreifen diskutiert, und auch Länder wie Frankreich, Deutschland und Kanada beraten über das weitere Vorgehen.
Am Samstag traf die Hohe UNO-Repräsentantin für Abrüstung, Angela Kane, in Damaskus ein. Sie soll den UNO-Chemiewaffenexperten, die bereits seit einer Woche im Land sind, Zugang zu dem Gebiet verschaffen, in dem am vergangenen Mittwoch mehrere Hundert Menschen durch Giftgas ums Leben gekommen sein sollen, hieß es von den Vereinten Nationen.
Ringen um Zugang
Bisher wurde der Zugang mit Verweis auf die Kampfhandlungen verwehrt. Das UNO-Team hatte nach langwierigen Verhandlungen der Vereinten Nationen mit der syrischen Regierung lediglich die Erlaubnis erhalten, drei Orte zu untersuchen, in denen vor Monaten Giftgas eingesetzt worden sein soll.
Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte während eines Aufenthalts in der palästinensischen Stadt Ramallah: „Alle Informationen, die uns momentan zur Verfügung stehen, deuten darauf hin, dass in Syrien unweit von Damaskus ein Massaker mit chemischen Waffen stattgefunden hat und dass das Regime von Baschar al-Assad dahintersteckt.“
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