„Sehr schwierige Lage“
Hektische Krisenberatungen im Brüsseler Ferienmonat August: Das Blutvergießen und die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Ägypten rütteln die EU auf. Mit Schweißperlen auf der Stirn erläutert Topdiplomat Bernardino Leon, die Union der 28 Staaten arbeite daran, den gewaltsamen Konflikt zwischen Regierung und Muslimbrüdern mit Hunderten Toten zu entschärfen.
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„Es wird nicht einfach sein“, so der EU-Vermittler. „Es ist eine sehr schwierige Lage. Einfache Lösungen gibt es nicht.“ Nun werden die Außenminister am Mittwoch nach Brüssel kommen, um eine gemeinsame Linie zu finden. Debattiert werden ein Stopp von Waffenlieferungen und die Sperre von geplanten Hilfsgeldern und -krediten.
Üblicherweise gibt es keine EU-Ministertreffen im August. Doch die Krise duldet keinen Aufschub bis zum September. Die Gemeinschaft werde „in den kommenden Tagen ihre Beziehungen zu Ägypten überprüfen“, kündigten EU-Ratsvorsitzender Herman van Rompuy und EU-Kommissionschef Jose Manuel Durao Barroso gemeinsam am Wochenende an. Spätestens nach diesen deutlichen Worten wurde für eine ganze Reihe von Diplomaten und EU-Beamte klar, dass die Sommerpause für sie vorbei ist.
„Müssen versuchen, Kanäle offen zu halten“
Nun wird das Krisentreffen der Außenamtschefs in letzter Minute vorbereitet. Dolmetscher müssen bereitstehen, Sicherheitsleute überprüfen das Tagungsgebäude im Europaviertel. Besonders EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton muss sich gut vorbereiten, denn sie wird den Ressortchefs ein Vorschlagspapier präsentieren. Diplomatische Finesse ist gefragt.
Nach dem Treffen müssen die Minister Ergebnisse präsentieren. Gleichzeitig darf die Union nicht zu hart auftreten. „Wir müssen versuchen, die Kanäle offen zu halten“, lautet das Credo von Ashtons Sonderbeauftragten Leon. Man kann der Labour-Politikerin nicht vorwerfen, der Eskalation der Gewalt am Nil tatenlos zuzusehen. Die häufig kritisierte Chefdiplomatin sprach Ende Juli als erste und bisher einzige westliche Politikerin mit dem entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi.
Gescheiterter Vermittlungsversuch
Doch Hoffnungen der Europäer, rasch und erfolgreich Krisenfeuerwehr zu spielen, zerstoben rasch. Die Regierung erklärte eine Vermittlung zwischen ihr und der Muslimbruderschaft für gescheitert. Mit ihrem Engagement geraten die Europäer in eine gefährliche Zwickmühle - denn ein mehrfaches Scheitern von Vermittlungsbemühungen würde weltweit politische Schwäche demonstrieren und die Glaubwürdigkeit der Europäer beschädigen. Dabei ist es dann auch wenig tröstlich, dass die USA, die Kairo jährlich mit rund 1,3 Milliarden Dollar unterstützen, in der Krise diplomatisch dürftig auftreten.
Die EU kann sich nicht einfach von Ägypten abwenden, meinen Experten. Dafür ist das Land mit rund 85 Millionen Menschen zu groß und zu wichtig, auch für den Nahost-Friedensprozess. „Ägypten ist ein Schlüsselpartner“, resümiert Vermittler Leon. „Es ist wahrscheinlich der wichtigste Partner im Mittelmeerraum.“
Christian Böhmer, dpa
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