Immer wieder teure Pannen
Siemens ist ein Konzern im Wandel. Entsprechend verändert sich auch das Produktportfolio ständig: Gestartet als Telegraphenbauanstalt hatte das Technologieunternehmen im Laufe seiner gut 165-jährigen Geschichte zeitweise auch Mobiltelefone, Automobilelektronik oder Speicherchips im Angebot. Immer wieder trennten und trennen sich die Münchner von Geschäftsfeldern, auch um Geld zu sparen.
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Den Halbleiterhersteller Infineon etwa gliederte Siemens um die Jahrtausendwende aus. Kürzlich ging der Leuchtmittelbauer Osram an die Börse. Ende Juni kündigte Siemens an, seinen Anteil am Netzwerk-Gemeinschaftsunternehmen NSN an den finnischen Partner Nokia zu verkaufen. Der Konzern will sich künftig stärker auf die Felder Energietechnik, Industrie, Infrastruktur und Gesundheitswesen konzentrieren. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Siemens-Geschäftsbereiche und jüngste Veränderungen:
Energietechnik: Im Sektor Energy bietet Siemens Produkte und Dienstleistungen zur Erzeugung, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie oder zur Gewinnung und zum Transport von Öl und Gas. Zum Geschäftsfeld zählt auch die Windenergie, die im vergangenen Jahr viel Kummer bereitete. Siemens verpatzte den rechtzeitigen Anschluss von Windparks in der Nordsee und musste eine halbe Milliarde Euro Strafe zahlen. Zudem drückt verstärkt asiatische Konkurrenz auf den Markt für Transformatoren.
Siemens reagierte auf den wachsenden Preisdruck mit dem Abbau Tausender Arbeitsplätze. Die Stellenstreichungen gehören ebenso wie der Verkauf mehrerer Geschäftssparten zu einem konzernweiten Sparprogramm, mit dessen Hilfe Vorstandschef Peter Löscher die jährlichen Kosten bis 2014 um sechs Milliarden Euro drücken und eine Rendite von mehr als zwölf Prozent erreichen wollte. Der Verkauf des verlustreichen Solargeschäfts scheiterte indes. Die Sparte wird bis Frühjahr kommenden Jahres geschlossen. Mit dem missratenen Ausflug ins Solargeschäft versenkte Siemens insgesamt rund eine Milliarde Euro.
Industrieausrüstung: Im Sektor Industry sind die Geschäfte mit Automatisierungs-, Schalt- und Antriebstechnik sowie Industriesoftware gebündelt. Die schwache Industriekonjunktur bereitet Siemens Sorgen, denn das Geschäft mit Fabrikausrüstung läuft sowohl in China als auch in den USA nicht so wie erhofft. In Europa herrscht Dauerkrise. Erholung ist für Siemens im weiteren Jahresverlauf kaum in Sicht. Das Geschäft mit Computerprogrammen für die Industrie hatten die Münchner in den vergangenen Jahren stark ausgebaut: Seit 2007 wurden elf Software- und IT-Spezialisten für insgesamt mehr als vier Milliarden Euro gekauft, zuletzt eine belgische Softwareschmiede.
Medizintechnik: Der Sektor Healthcare, der vor Jahren mit einer Reihe von Zukäufen gestärkt wurde, bietet Technologien zur Bildgebung, Diagnose und Therapie an. Bei Kernspin- und Computertomographie etwa ist Siemens der Platzhirsch. Konkurrent General Electric (GE) will den Münchnern Marktanteile abjagen - auch über Zukäufe.
Infrastrukturtechnik: Zum Sektor Infrastructure & Cities (I&C) hat Siemens Technologien für Ballungsräume zusammengefasst. Dazu gehören etwa Gebäude- und Sicherheitstechnik, Stromverteilung, aber auch Signal- und Leittechnik im Schienenverkehr, Mautsysteme oder Verkehrssteuerung in Parkhäusern. Das Geschäft mit Sortieranlagen für Postzentren und Flughäfen wirft nach Löschers Geschmack zu wenig Rendite ab und soll verkauft werden. Auch die Wasseraufbereitungstechnik wollte der bisherige Vorstandschef loswerden.
Immer wieder tauchen Spekulationen auf, Siemens könnte auch seine Verkehrs- und Sicherheitstechnik sowie sein Geschäft mit Mittel- und Niederspannungssystemen abstoßen, womöglich auch die Gebäudetechnik. Von Investoren wird der Sektor mitunter als „Resterampe“ geschmäht. Zu dem Segment gehört außerdem die Bahntechnik, die Siemens immer wieder Negativschlagzeilen und Schelte von allen Seiten einbringt.
Die Deutsche Bahn muss wegen wiederholter Lieferproblemen auf neue ICE-Züge warten, auch bei den Eurostar-Zügen für den Tunnel unter dem Ärmelkanal gibt es Probleme. Die Pannenserie kostet die Münchner im ersten Geschäftshalbjahr mindestens 230 Millionen Euro. Auf der anderen Seite erweiterte Siemens sein Geschäft mit Signal- und Leittechnik durch die milliardenschwere Übernahme der Bahntechniksparte der britischen Invensys.
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