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Konsumenten zahlen Milliardenaufschläge

Ein skurriler „Tanz“ mit Aluminium, choreographiert von der US-Bank Goldman Sachs, ist in den USA derzeit Gegenstand von Untersuchungen. Wie die Zeitung „New York Times“ („NYT“) aufdeckte, hat das Bankhaus durch manipulierte Lagerkosten den Preis über Jahre künstlich hoch gehalten. Nun werden Forderungen laut, Geldhäusern Geschäfte auf dem Rohstoffmarkt ganz zu verbieten.

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Manchmal können auch minimale Geldbeträge in Summe einen fetten Gewinn abwerfen. So machen die Lagerkosten bei einer Aluminiumdose nur ein Zehntel eines Cent im Verkaufspreis aus - doch bei rund 90 Milliarden Getränkedosen, die allein in den USA jährlich verkauft werden, fällt auch dieser Betrag ganz schön ins Gewicht - vor allem wenn diese Kosten künstlich in die Höhe getrieben werden. Laut Schätzungen der „NYT“ sollen Konsumenten in den vergangenen drei Jahren rund fünf Milliarden Dollar (rund 3,7 Mrd. Euro) zu viel bezahlt haben.

Banken „gehen“ immer öfter „fremd“

Dank weitreichender Ausnahmeregelungen von der Federal Reserve Bank (FED) und großzügigen Regulierungen durch den US-Kongress haben Geldhäuser in den letzten Jahren verstärkt in Infrastrukturprojekte wie Warenhäuser, Pipelines, Raffinerien, Hafenanlagen und riesige Tankerflotten investiert. Goldman Sachs hingegen hat in Aluminium investiert - oder genauer: in die Lagerung von Aluminium. 2010 kaufte die Bank Metro International Trade Service, eines der größten Lagerhäuser für Metalle mit Sitz in Detroit.

Arbeiter führt mit einem Gabelstapler Aluminium

Reuters/Nozim Kalandarov

Aluminium wird oft viele Monate in riesigen Hallen zwischengelagert

Seitdem hat sich der Arbeitsalltag für die Angestellten drastisch geändert. Gearbeitet wird meist nur noch wenige Stunden am Tag. Die meiste Zeit verwenden die Staplerfahrer darauf, das Aluminium innerhalb des Werkes hin und her zu schlichten, bis kein Platz mehr ist. Dann wird die Halle geschlossen, und die Fahrer werden zur nächsten Lagerhalle abgezogen, wo das Ganze von neuem beginnt. Während das Metall in riesigen Ladungen per Zug angeliefert wird, verlässt es die Hallen nur in kleinen Mengen per Lkw.

Aluminium wird in Detroit gehortet

Die neue Lagerpolitik lies die Bestände von Metro International rasch anwachsen: von 50.000 Tonnen 2008 und 850.000 im Jahr 2010 auf über 1,5 Mio. Tonnen im vergangenen Jahr. Gleichzeitig mussten die Kunden immer länger auf ihre Lieferungen warten. Betrug die Wartezeit vor der Goldman-Übernahme rund sechs Wochen, hat sie sich seither verzwanzigfacht: Bis zu 16 Monate warten Hersteller von Dosen oder Autozubehör auf die Zustellung des Metalls, wie ein ehemaliger Mitarbeiter gegenüber der „NYT“ erzählt.

Das sorgte nicht nur für Ärger über die lange Wartezeit, sondern erhöhte auch die Aluminiumpreise empfindlich, da die Lagerkosten aufgeschlagen werden. Seit 2010 haben sich die Aufschläge auf den Rohstoffpreis verdoppelt, wie Analysten gegenüber der „NYT“ erklärten. Für die rund 15 Kilogramm Aluminium, die benötigt werden, um 1.000 Getränkedosen herzustellen, müssen die Produzenten Zusatzkosten von zwei Dollar kalkulieren.

Coca-Cola-Protest ohne viel Erfolg

2011 platzte dem Coca-Cola-Konzern der Kragen und er reichte bei der Metallbörse mit Sitz in London Beschwerde ein. Dort versuchte man die Aufregung durch eine neue Regelung rasch unter den Tisch zu kehren. Lagerunternehmen durften nun ihre Waren nicht mehr einfach nur horten, sondern mussten 3.000 Tonnen pro Tag tatsächlich ausliefern. Doch auch dafür fand Goldman Sachs rasch eine Lösung. Tausende Tonnen Aluminium wurden daraufhin von einem Lager zum anderen transportiert - und wieder zurück. Ein Stapelfahrer bezeichnete das Treiben als „Ringelspiel“.

Die Londoner Metallbörse

Sie wacht über 719 Metalllager weltweit und kassiert dafür ein Prozent der Lagerkosten. Bis vor einem Jahr saßen Banken wie Goldman Sachs und Barclay im Vorstand. 2012 wurde sie von einem Hongkonger Investor für 2,2 Mrd. Dollar gekauft.

Goldman Sachs wies die Vorwürfe zurück und erklärte, man halte alle vorgeschriebenen Standards der Londoner Metallbörse ein. Metro International wollte zu dem Artikel keine Stellungnahme abgeben, hatte in der Vergangenheit die Verzögerungen aber immer wieder mit Personalmangel oder Logistikproblemen erklärt. Doch mehrere Personen, die mit dem Unternehmen eng vertraut sind, bestätigten der Zeitung, dass die langen Wartezeiten zum Geschäftsmodell gehören.

Kupfer als nächstes „Spielzeug“ für Banken

So viel Erfolg bleibt in der Finanzwelt nicht lange unentdeckt, und auch andere Finanzhäuser wollen nun groß in das Rohstoff-„Spiel“ einsteigen. Die US-Börsenaufsicht prüft derzeit den Plan von JPMorgan, gemeinsam mit BlackRock rund 80 Prozent des auf dem Markt verfügbaren Kupfers aufzukaufen. Das Metall soll dann - wenig überraschend - ebenfalls im Detroiter Lager von Goldman Sachs zwischengelagert werden.

JPMorgan argumentierte, dass das Metall in Form eines Kupferfonds zu fairen Preisen gehandelt werde könne. Der Aufschrei unter Herstellern und Produzenten, die eine ähnliche Vorgehensweise wie bei Aluminium befürchten, blieb zwar auch bei der US-Börsenaufsicht (SEC) nicht ungehört. Doch nach intensiver Lobbyarbeit winkte die scheidende SEC-Präsidentin Mary Schapiro den neuen Kupferfonds durch.

Kritik an wachsenden bankfremden Geschäften

Dass US-Bankhäuser immer öfter Geschäfte abseits der Finanzwelt tätigen, sorgt schon länger für Unmut. Laut Vorgaben der US-Notenbank Fed dürfen bankfremde Geschäfte nur getätigt werden, wenn sie einerseits das Finanzgeschäft nicht gefährden und andererseits der Öffentlichkeit Vorteile bringen. Doch die Kontrolle über Warenlager, Pipelines oder Häfen spielt eher den Banken in die Hand als den Konsumenten. „Informationen sind in der Welt des Handels und der Rohstoffe viel Geld wert“, erklärt Jason Schenker, Ökonom bei Prestige Economics.

„Banken, die mit Rohstoffen handeln, haben einen enormen Vorteil, weil der Besitz von physischen Werten ihnen einen tiefen Einblick in die Vorgänge auf dem Markt bietet“, so der Analyst. An den Börsen sei das aufgrund von Interessenkonflikten verboten, aber „auf dem Rohstoffmarkt ist es völlig legal.“

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