Themenüberblick

Wenn die Form vor dem Inhalt kommt

Die Filmindustrie jammert über zunehmend schwierige Produktionsbedingungen. Die internationalen Einnahmen werden immer wichtiger - und sind mittlerweile, so berichtet die BBC, bei großen Produktionen sogar ausschlaggebend dafür, ob ein Film produziert wird oder nicht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Ein Blockbusterprojekt, dem außerhalb der USA keine guten Chancen eingeräumt werden - sei es aufgrund des Plots oder der Besetzung - wird kaum mehr produziert. „Die ausländischen Einnahmen sind der dominierende Faktor“, erklärt der Analyst David Hancock gegenüber der BBC.

Der kleinste gemeinsame Nenner sind dabei Filme mit wenig Plot, viel Action und einer multikulturellen Besetzung. „Man macht Filme, zu recht universellen Themen und umschifft die Festlegung auf einen Kulturkreis“, so Hancock. Bei Komödien funktioniert das oft nur bedingt: Witze und Wortspiele, die Amerikaner lustig finden, kommen oft beim Publikum in anderen Ländern nicht an oder lassen sich nicht adäquat übersetzen.

Ein gutes Beispiel für einen Film der an den internationalen Kinokassen ausgezeichnet funktionierte, ist der erst kürzlich erschienene Actionfilm „Fast & Furious 6“ aus dem Hause Universal, der nicht nur sämtliche Vorgängerfilme der Reihe übertrumpfte, sondern sich auch gegen andere große Filmproduktionen mühelos behaupten konnte.

Szene aus "Fast & Furious 6"

Universal Pictures International

Die Einnahmen von „Fast & Furious 6“ hoben regelrecht ab

Das Publikum soll sich wiedererkennen

Universal begründet den Erfolg zu einem guten Teil damit, dass schon bei der Besetzung Marketingstrategien einbezogen werden. Man wolle sich absetzen von anderen Actionfilmen, deren Hauptrollen meist mit weißen Stars besetzt sind, indem man ein multikulturelles Team an den Start schicke. „Wir sind das Benetton des Castings,“ beschreibt Jeffrey Kirschenbaum von Universal das Erfolgsgeheimnis gegenüber dem Onlinemagazin TheWrap. Der Cast eines Filmes solle der Diversität des Publikums entsprechen, das sich so leichter mit den Charakteren identifizieren könne.

Chinesische, koreanische, aber auch australische und russische Schauspieler dürfen sich freuen: Ihr Hollywood-Marktwert ist stetig im Steigen begriffen, hoffen die Produzenten doch immer stärker auf das Publikum aus ihren Ländern.

Wenig Platz für anspruchsvollen Inhalt

Die Anpassung an den universellen Geschmack fordert jedoch auch ihren Tribut: Vor allem inhaltlich bleibt nicht recht viel Spielraum, wenn ein Stoff mit Hochdruck auf massentauglich gebürstet wird. „Bauch vor Kopf“ lautet dabei die eiserne Regel: Mehr Publikum lässt sich demnach erreichen, wenn man nicht die intellektuelle Karte ausspielt, sondern versucht, Emotionen und Instinkte anzusprechen.

Nicht immer können oder wollen Produzenten und Regisseure aber von vornherein auf alle Auslandsmärkte Rücksicht nehmen. Damit riskiert man aber schlechte Zuschauerquoten und bei Ländern wie China im Extremfall auch ein Aufführungsverbot.

Zombie-Epidemie darf nicht aus China kommen

Jüngster Fall ist der Brad-Pitt-Streifen „World War Z“: Weil der Ausbruch der verheerenden Zombie-Epidemie, gegen die Pitt kämpfen muss, in China vermutet wird, fürchtete die Produktionsfirma Paramount um eine Freigabe und entschied sich, die China-Referenz nachträglich zu ändern.

Brad Pitt in "World War Z"

2013 Paramount Pictures/Jaap Buitendijk

Brad Pitt sucht in „World War Z“ den Auslöser des Zombie-Virus, der im Original aus China kommt

Änderungen durch Synchronisation lange Zeit Usus

Ein kleiner Eingriff, der sich durch Synchronisation ohne gröbere Schwierigkeiten bewerkstelligen lässt und der in ähnlicher Form schon lange durchaus üblich ist. Etwa, wenn Bösewichte in unterschiedlichen Sprachversionen mit Akzenten je nach Zielland gebrandet werden. Gängigstes Beispiel dafür sind die Terroristen in „Stirb Langsam“, die im Original Deutsche sind, in der deutschen Version aber undefinierter (möglicherweise irischer) Herkunft.

Noch früher war durch Synchronisation auch eine völlige Plotänderung keine Seltenheit, etwa bei Hitchcocks „Notorious“ (1946): Weil man dem deutschsprachigen Publikum keine Nazi-Geschichte zumuten wollte, wurde aus der Weltkrieg-Spionage-Geschichte ein Rauschgift-Thriller.

Hollywood macht Extrakilometer

Derart radikale Veränderungen sind heute kaum mehr unauffällig zu bewerkstelligen, alleine weil durch die Verbreitung von Originalversionen im Internet schnell jede noch so kleine Änderung auffällt. Dennoch bemüht man sich in Hollywood, mit einer Klappe mehrere Märkte zu bedienen, und nimmt für einen Erfolg in China nicht nur Zensureinschnitte (etwa gestrichene Szenen in „James Bond - Skyfall“), sondern auch einiges an Extrakilometern in Kauf.

Vorbild dafür ist die Marketingstrategie für das Marvel-Superhelden-Abenteuer „Iron Man 3“, der im Mai in den Kinos angelaufen ist. Zwar wurden Teile des Films mit Robert Downey Jr. ohnehin in Peking gedreht, für den chinesischen Markt wurde jedoch zusätzliches Bonusmaterial speziell eingefügt. So bekamen Chinas Superhelden-Fans mehr in Peking spielende Szenen, mehr Auftritte der chinesischen Kostars und vor allem speziell abgestimmtes Product-Placement zu sehen.

Damit schlägt die Filmindustrie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Nicht nur, dass man mit speziellen Länderversionen hofft, mehr Einnahmen an den Kinokassen zu erzielen, lässt sich so auch Geld mit integrierter Werbung generieren. Möglicherweise wird der nächste „James Bond“-Streifen in China dann auch länger statt kürzer - und der Agent fährt ein chinesisches Auto, trägt eine chinesische Uhr und trinkt (wie Iron Man in der chinesischen Version) Milch statt Vodka-Martini.

Links: