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Laut Moskau noch kein Asylansuchen

Ein Asylangebot für Edward Snowden ist ein dicker Minuspunkt in Washington - und so will es sich anscheinend auch die Supermacht Russland für den Aufdecker des Spionageskandals der National Security Agency (NSA) nicht mit den USA verscherzen. Man wolle die „wichtigen Beziehungen“ zu den Vereinigten Staaten nicht gefährden, hieß es am Samstag aus Moskau.

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Zuvor hatten sich US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin am Freitag per Telefon über die Causa unterhalten. Von dem Gespräch gelangten zwar keine Details nach außen, aber rundherum waren die USA und Russland sehr offensichtlich um Schadensbegrenzung bemüht.

Der flüchtige Ex-Geheimdienstmitarbeiter sitzt seit Wochen im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo fest, nachdem die US-Regierung seinen Reisepass für ungültig erklärt hatte. US-Forderungen nach einer Auslieferung stoßen in Moskau bisher auf taube Ohren. Asyl will man Snowden - wenn das eine Zeit lang auch so ausgesehen haben mag - aber wohl eher doch nicht gewähren.

USA warnen Russland

Putin hatte bereits vor dem Telefonat mit Obama erklärt, dass Snowden nur dann in Russland bleiben könne, wenn er aufhöre, den USA Schaden zuzufügen. Washington warnte vor einer Belastung für die bilateralen Beziehungen. Russland dürfe dem früheren Geheimdienstmitarbeiter nicht zu einer „Propaganda-Plattform“ verhelfen, sagte US-Regierungssprecher Jay Carney.

Politisches Asyl sei „unvereinbar mit der russischen Versicherung, keine Verschlechterung der Beziehungen durch Snowden zu wollen“. Der IT-Experte hatte gegenüber der internationalen Presse umfangreiche Spionage- und Überwachungsprogramme der NSA publik gemacht und steht deshalb in seiner US-Heimat wegen Geheimnisverrats auf der Fahndungsliste.

Offenbar großer Druck auf potenzielle Asylländer

Am Freitag hieß es nun, Snowden wolle vorerst in Russland bleiben. Er selbst hatte bei einem Treffen mit Menschenrechtsaktivisten und Anwälten auf dem Flughafen erklärt, dass er Asyl beantragen wolle. Er sehe keine andere Möglichkeit, den Transitbereich des Airports zu verlassen und mit Flüchtlingspapieren seine Zukunft selbst zu bestimmen und weiterzureisen. Wie die Enthüllerplattform WikiLeaks berichtete, sei weiterhin Lateinamerika das Endziel Snowdens. In Russland lag nach offiziellen Aussagen bis Samstag kein formeller Antrag vor.

Bisher hatten sich Nicaragua, Bolivien und Venezuela angeboten. Die USA erhöhten nach einem Bericht der „New York Times“ den politischen Druck auf mögliche Asylländer. Die US-Botschaften in Lateinamerika würden bei Gesprächen darauf hinweisen, dass eine Aufnahme des „Verräters“ schwere Folgen für die bilateralen Beziehungen haben werde, schrieb die Zeitung.

Moskau will „wichtige Beziehungen nicht gefährden“

Laut Aussagen des Menschenrechtsberaters von Präsident Putin, Michail Fedotow, beabsichtigt Moskau auch gar nicht, dem US-Amerikaner Asyl zu gewähren. Man wolle die „wichtigen Beziehungen“ zu den USA nicht belasten, sagte Fedotow gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin „Focus“. Um das Schicksal Snowdens sollten sich das Rote Kreuz oder das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR kümmern. „Sie könnten ihn legalisieren und dann in das Land bringen, das ihm Asyl anbietet.“ Snowden solle Schutz aus „humanitären Gründen“ gewährt werden, denn in den USA drohe ihm die Todesstrafe und das verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), so Fedotow.

Edward Snowden in Russland

APA/EPA/Human Rights Watch/Tanya Lokshina

NSA-Aufdecker Edward Snowden in Russland

Laut Berichten des US-Fernsehsenders CNN befassen sich die russischen und die US-Geheimdienste weiter mit der Causa mit dem Ziel, ihn in die USA zurückzuholen. Die USA hatten Russland wiederholt dazu aufgefordert, Snowden auszuliefern. Russland lehnte ab. Als offizielle Begründung nennt der Kreml die in den USA angewendete Todesstrafe sowie das Fehlen eines Auslieferungsabkommens zwischen beiden Staaten.

Lawrow will an Causa nicht anstreifen

Die gegen Snowden vorgebrachten Anschuldigungen würden im Falle einer Verurteilung kein Todesurteil nach sich ziehen, schrieb dagegen die „New York Times“ (Samstag-Ausgabe). Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, sagte, Snowden bekomme im Falle einer Rückkehr in die USA ein faires Verfahren. Sie fügte hinzu: „Wir glauben weiterhin, dass Russland die Chance hat, das Richtige zu tun, und die Rückkehr in die Vereinigten Staaten ermöglicht.“

Der russische Außenminister, Sergej Lawrow, wies jegliche Verantwortung für die Angelegenheit des US-Bürgers von sich. Seine Behörde habe und wolle keinen Kontakt zu Snowden. Zuständig für politische Flüchtlinge sei die Einwanderungsstelle, betonte Lawrow der Agentur Interfax zufolge. „Wenn das Gesuch eintrifft, wird es nach der gesetzlichen Ordnung bearbeitet“, sagte der Chef der Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski.

UNO fordert internationalen Schutz für Snowden

UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay forderte internationalen Schutz für den Enthüller des US-Datenskandals. Wer Informationen über mögliche Verstöße gegen die Menschenrechte offenlege, habe ein Anrecht darauf, heißt es in einer am Freitagabend in Genf veröffentlichten Erklärung Pillays. Sie verwies darin zugleich auf das Recht auf Asyl für Verfolgte.

Der in Zusammenhang mit der Überwachungsaffäre stehende Zwangsstopp des bolivianischen Staatschefs Evo Morales am 3. Juli in Wien sorgt währenddessen immer noch für Unmut in Südamerika. Der südamerikanische Wirtschaftsverbund Mercosur verurteilt das Vorgehen der Staaten, die Morales den Überflug verweigerten, weil sie vermutet hatten, an Bord der Maschine könnte sich Snowden befinden. Die Mercosur-Mitgliedsstaaten vereinbarten, ihre Botschafter „zu Konsultationen“ aus Frankreich, Italien, Spanien und Portugal zurückrufen, hatte Uruguays Außenminister Luis Almagro am Freitag (Ortszeit) beim Mercosur-Gipfel in Montevideo mitgeteilt.

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