Schlacht am Alpine-Buffet
Seit Montag ist klar: Der zweitgrößte heimische Baukonzern Alpine ist nicht mehr zu retten. Damit stehen auf einen Schlag 4.300 Baustellen still - 1.400 davon alleine in Österreich. Nun sollen die Baustellen so rasch wie möglich an Interessenten vergeben werden, denn jeder Tag Stillstand macht eine Fortführung schwieriger.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Auf über tausend Alpine-Baustellen im ganzen Land stehen derzeit die Baumaschinen und Kräne still. Viele Zulieferfirmen haben aus Angst vor Zahlungsschwierigkeiten ihre Lieferungen eingestellt, so wird auf manchen Baustellen seit Tagen kein Beton mehr angeliefert. Durch den Stillstand entstehen auf den Alpine-Baustellen aber jeden Tag Kosten in Höhe von drei Millionen Euro.
Der Stillstand auf den Baustellen soll so kurz wie möglich ausfallen, sagt Arbeits- und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) in der „Kronen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Neue Ausschreibungen sollten aus Zeitgründen vermieden werden, doch der Minister befürchtet, dass es „teilweise eine Schlacht“ um die Aufträge geben wird. Laut dem Alpine-Masseverwalter Stephan Riel werden mit den Bundesländern Übernahmelösungen besprochen.
STRABAG und Porr hoffen auf Großaufträge
Vor allem um die „Filetstücke“ - also inländische Großaufträge - könnten sich gleich mehrere Interessenten bemühen. So hat der Bauriese STRABAG bereits angekündigt, „laufende und nun stillstehende Bauvorhaben fertigzustellen“. „Wir prüfen gerne, mit welchen Sofortmaßnahmen wir den Auftraggebern helfen können, den Baubetrieb sicherzustellen“, ließ der für Österreich zuständige STRABAG-Vorstand Siegfried Wanker wissen. Aber auch der Konkurrent Porr hat bereits Interesse an der Übernahme einzelner Alpine-Teile angekündigt.
Besonders einfach dürfte es in den 400 Fällen laufen, wo die Alpine Teil einer Arbeitsgemeinschaft war, wie zum Beispiel am Wiener Hauptbahnhof. Dort dürften STRABAG, Porr und Pittel & Brausewetter die Fortführung garantieren und auch die Arbeiter von der Alpine übernehmen. Böse Zungen behaupten, dass Porr und STRABAG bei den nächtlichen Verhandlungen recht entspannt waren, weil sie bereits auf die eine oder andere profitable Großbaustelle ein Auge geworfen hatten, wie der „Standard“ schreibt.
„Feilschen um Preise“
Schwieriger wird es bei Baustellen, wo die Alpine aufgrund einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen hat und neue Interessenten das Preisniveau der Alpine nicht halten können. Hier erwartet Hundstorfer ein Feilschen um Preise. Die Baustellen regional zu koordinieren, sei ein riesiger, aber beherrschbarer Aufwand, so Hundstorfer. Der Minister hofft, so in der „Kronen Zeitung“, dass Baufirmen an die Baustellenauftraggeber herantreten und dabei so viele Mitarbeiter wie möglich übernehmen. Hier dürften jene zum Zug kommen, die Teile der Alpine-Belegschaft übernehmen oder lokale Auffanggesellschaften gründen, schreibt die „Kronen Zeitung“ weiter.
Bei anderen Baustellen findet eine regelrechte Fluktuation bei den Arbeitern statt. Zwar bekommen sie in den nächsten Tagen ihr Gehalt noch aus dem Insolvenzfonds, doch viele erhalten Angebote von Konkurrenzfirmen und würden kündigen, bestätigt ein Alpine-Manager der „Kronen Zeitung“. Doch die meisten der rund 4.900 Alpine-Mitarbeiter in Österreich zittern weiter um ihren Job.
Alpine oft am günstigsten
Einige Auftraggeber von Baustellen, auf denen die inzwischen insolvente Alpine die Tätigkeiten ausführte, „werden für die Weiterführung ins Tascherl greifen müssen“. Das sagte auch ein Branchenkenner am Dienstag zur APA. Grund sei, dass die Alpine im Preiskampf am Bau oft der günstigste Anbieter war - „25 Prozent unter anderen Angeboten“. Andere Baufirmen würden diese Aufträge zum Alpine-Preis daher nicht übernehmen können.
7.000 betroffene Unternehmen
Der Spartenobmann in Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Österreich und ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat, Konrad Steindl, sagte am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag, dass bis zu 7.000 Betriebe von der Alpine-Insolvenz mehr oder weniger hart betroffen sein dürften. „Zur Stunde ist aber unbekannt, wie hoch die Ausfälle für einzelne Betriebe sind.“ Das Fortführen von Baustellen der Alpine sei „leichter gesagt als getan“. Es habe bisher einen „mörderischen Wettbewerb am Bau und in dessen Nebengewerben gegeben“.
Sicher würden die Auftraggeber bemüht sein, ihre Baustellen fertigzubringen. „Es sind aber Maßnahmen zur Absicherung und regionale Bemühungen notwendig - die Situation ist nicht einfach.“ Steindl erinnerte auch daran, dass die „Alpine Österreich nicht das große Problem gewesen ist, aber die grenzenlose Expansion“ im Ausland.
Kreditschützer rechnen mit Folgeinsolvenzen
Die Kreditschützer des KSV 1870 rechnen infolge der Pleite mit Folgeinsolvenzen im „mittleren einstelligen Bereich“, aber mit keinem „Insolvenz-Tsunami“, der über Österreichs Wirtschaft hinwegfegt. Aufgrund der Zerschlagung der Alpine Bau werden die Passiva des Baukonzerns von den anfangs geschätzten 2,6 Mrd. auf mindestens 2,8 Mrd. Euro steigen, die geschätzten Aktiva von 660 Mio. Euro weiter sinken, sagte KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner am Dienstag vor Journalisten in Wien. Im Laufe der Woche erwartet er auch die Insolvenz der nicht operativ tätigen Alpine-Konzernholding.
Durch Schließung der Alpine Bau wird auch die anvisierte Quote für die Gläubiger von ursprünglich rund 20 Prozent sinken: „Es würde mich überraschen, wenn es zehn Prozent sind“, so der Insolvenzexperte. Noch weniger dürfte es indes für Alpine-Anleihebesitzer geben. Ein Totalausfall sei das Worst-Case-Szenario.
Links: