Gemeinsame Expertenkommission
In Europa hat das Auffliegen des US-Überwachungsprogramms „Prism“ für gewaltige Wellen gesorgt - bis hin zur Forderung nach Asyl für den untergetauchten Aufdecker Edward Snowden. Doch die USA beruhigen, Europa müsse keine Angst vor einem „Big Brother“ haben. Und der hat offenbar weit mehr Helfer als bisher angenommen. Tausende US-Unternehmen sollen Daten liefern.
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US-Justizminister Eric Holder versicherte der EU trotzdem, dass das „Prism“-Programm nur unter strikten Rahmenbedingungen Zugang zu Daten habe, da es unter gerichtlicher Kontrolle laufe. Washington könne damit nur auf „dokumentierte“ Bedrohungen wie Terrorismus, Cyberkriminalität und die Weitergabe von Nuklearmaterial reagieren, sagte Holder nach einem EU-USA-Ministertreffen am Freitag im irischen Dublin.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding war mit der Erklärung offenbar zufrieden. Holder habe klare Antworten auf die Befürchtungen der Bürger vor einem „Big Brother“ gegeben, sagte sie. Es gebe etwa keine in die Privatsphäre eingreifende und generelle Überwachung. Dennoch wäre es wichtig, dass den Bürgern in Zukunft Rechtsmittel gegen derartige Eingriffe zur Verfügung stehen.

AP/Peter Morrison
US-Justizminister Eric Holder und sein irischer Amtskollege Alan Shatter
„Dialog fortsetzen“
Auch EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte, die EU habe einige Antworten und wichtige Klarstellungen erhalten. Holder versicherte außerdem, die US-Regierung könne keine Telefongespräche mithören, sondern nur die Metadaten von Telefonaten wie etwa die Länge des Anrufs erheben. Auch dafür gebe es strikte gerichtliche Einschränkungen.
Der US-Kongress habe außerdem eine Übersicht über die Überwachung. Nun soll eine gemeinsame Expertengruppe eingesetzt werden, um mehr über das „Prism“-Programm zu erfahren. „Wir haben vereinbart, dass Vertreter beider Seiten sich treffen und den Dialog fortsetzen, den wir heute begonnen haben“, versprach Holder.
Bloomberg: Tausende Unternehmen liefern Daten zu
Den Aufdecker Snowden will Holder vor Gericht sehen: „Wir werden die Verantwortlichen für diese extrem schädlichen Leaks zur Rechenschaft ziehen“, erklärte er. Der Fall werde noch untersucht. In der Causa ist offenbar nicht der Militärgeheimdienst National Security Agency (NSA) der einzig aktive Akteur. Laut einem Bericht der US-Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg vom Freitag hat „Big Brother“ nämlich zahlreiche (auch freiwillige) Helfer.
Tausende Unternehmen lieferten den US-Geheimdiensten Daten zu. Das „Prism“-Programm sei folglich „weitaus umfangreicher“ als von Snowden aufgedeckt. Außerdem hätten nicht nur die NSA, sondern auch der Auslandsgeheimdienst CIA und die Bundespolizei FBI entsprechende Abkommen mit Unternehmen, hieß es bei Bloomberg weiter.
Deals mit den Geheimdiensten
Für das Liefern von Daten erhielten die Firmen im Gegenzug Zugang zu geheimen Spionageerkenntnissen. Die Unternehmen gäben dabei Informationen wie Gerätespezifikationen weiter, um Kundendaten gehe es nicht. Mit solchem Wissen könnten die Geheimdienste zum Beispiel fremde Computer leichter ausspähen. An diesen Kooperationen beteiligten sich verschiedenste US-Unternehmen wie Hersteller von Software und Geräten, Banken, Anbieter von Satellitenkommunikation und Spezialisten für Internetsicherheit.
McAfee, Microsoft und Co.
Der Windows-Riese Microsoft etwa liefere den Geheimdiensten Informationen über Fehler in seiner Software, bevor die Schwachstellen mit Updates geschlossen werden. Ein Konzernsprecher sagte Bloomberg, die Vorabhinweise sollten der Regierung einen Vorsprung für die Risikoeinschätzung geben. Die Bloomberg-Quellen betonten zugleich, solche Unterstützung durch Microsoft und andere Unternehmen erlaube es den US-Diensten, Schwachstellen in Software auszunutzen, die an Regierungen anderer Länder verkauft werde.
Die Zusammenarbeit der Unternehmen mit den US-Geheimdiensten bleibe im rechtlichen Rahmen, betonten die Informanten. Einige amerikanische Telekommunikationsfirmen hätten Geheimdiensten Zugang zu Standorten und Daten außerhalb der USA gewährt - was im Heimatland die Zustimmung eines Richters erfordert hätte. Die Kontakte seien jeweils nur wenigen Personen bei den Firmen bekannt und würden oft direkt über die Chefetage eingefädelt. Die Regierung überschütte kooperierende Unternehmen dafür mit Aufmerksamkeit und versorge sie im Gegenzug auch mit Informationen. Zugleich arbeiteten einige Manager auch einfach aus patriotischer Überzeugung mit den Behörden zusammen.
Ein weiterer regelmäßiger Partner sei der Sicherheitssoftware-Spezialist McAfee, schrieb Bloomberg. Die inzwischen zum Chip-Riesen Intel gehörende Firma könne wertvolle Informationen über den Datenverkehr im Internet und Cyberattacken aus dem Ausland liefern, hieß es. McAfee-Technologiechef Michael Fey sagte der Nachrichtenagentur, man teile keine Kundeninformationen, aber liefere Sicherheitstechnologien und Daten über Angriffe. Die Software von McAfee registriert zum Beispiel Hacker-Angriffe.
China sieht „falsches Image zusammenfallen“
Heftige Kritik an den USA übten am Freitag Chinas staatliche Medien. Die Enthüllung der Spionageprogramme zeige einmal mehr die arrogante Seite der USA, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. „Das falsche Image der USA von ‚Demokratie, Freiheit und Menschenrechten‘ fällt in sich zusammen.“ Der Fall zeige die „Scheinheiligkeit und Arroganz“ der USA, schrieb die chinesische Tageszeitung „Global Times“.
In einem Kommentar hieß Xinhua dafür Snowden in China willkommen: „Diese Leute sind zu brillant, um eingesperrt zu werden.“ In dem Text wurde Snowden in eine Linie mit dem WikiLeaks-Informanten Bradley Manning und WikiLeaks-Gründer Julian Assange gebracht. „Sie stehen alle für den tapferen Kampf gegen das System.“ Snowden hatte sich mit geheimen NSA-Dokumenten in die chinesische Sonderwirtschaftszone Hongkong abgesetzt und tauchte dort unter.
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